Synonym(e)
Erstbeschreiber
Der Internist Sir William Osler beschrieb im Jahre 1885 erstmals eine infektiöse Endokarditis (Al- Nawass 2021). Seinen Namen tragen auch die Schleimhautknötchen an Finger- und Zehenspitzen, die sog. „Osler- Knötchen“, die im Rahmen einer Endokarditis lenta auftreten können (Schuchart 2021).
Im Jahre 1909 wurde die Mundhöhle erstmals als Eintrittspforte für Keime postuliert und 1923 erkannte man den Zusammenhang zwischen invasiven Zahnbehandlungen und Endokarditis (Al- Nawass 2021).
Die Libman- Sacks- Endokarditis wurde 1924 erstmals von Libman und Sacks beschrieben (Ball 2014).
Den Begriff einer „Endokardialen Fibroelastose“ (EFE) prägte 1943 Weinberg et al. Zuvor war die Erkrankung als „fötale Endokarditis“ bezeichnet worden (Sana 2022).
Definition
Unter dem Endokard versteht man die sog. Herzinnenhaut, die das gesamte Lumen des Herzens auskleidet und alle vier Herzklappen bildet. Erkrankungen des Endokards spielen sich deshalb in erster Linie im Bereich der Herzklappen (Endokarditis valvularis [Herold 2022]) ab (Fischbach 2014), können aber auch die Vorhof- und Kammerwände befallen (E. parietalis), Sehnenfäden und Papillarmuskeln (Herold 2022).
Auch interessant
Vorkommen
Die infektiöse Endokarditis ist die häufigste Form einer Endokarderkrankung (Hellmich 2017). Die Inzidenz der ambulant erworbenen Form liegt in den Industrieländern jährlich bei ca. 2 – 5 Fällen pro 100.000 Einwohner (Renz- Polster 2008). Kasper (2015) gibt eine Inzidenz von 4 – 7 Fälle auf 100.000 Einwohner an.
Bei Älteren ist die Inzidenz deutlich höher, ebenso in den ersten 6 – 12 Monaten nach Klappenersatz (Kasper 2015).
Risikofaktoren sind:
- Immundefizit
- vorangegangene Endokarditis
- Z. n. Herzklappen- Operation (Renz- Polster 2008)
- angeborene Herzfehler (Knirsch 2014)
- chronisch rheumatische Herzerkrankungen (stellen die häufigste Prädisposition dar [Kasper 2015])
- vorgeschädigter Klappenapparat
- Dialysepatienten
- Drogenabhängige (Renz- Polster 2008)
Die nur sehr selten auftretende Endokardfibroelastose (EFE) ist in erster Linie eine Erkrankung des Säuglings- oder Kindesalters. Sie kann aber auch in seltenen Fällen erst im Erwachsenenalter auftreten (Sana 2022).
Ätiologie
Die Ursachen einer Endokarditis können sein:
- Infektiös als bakterielle Endokarditis durch z. B.:
- Staphylokokken in ca. 45 – 65 %
- Streptokokken in ca. 30 %
- Enterokokken < 10 % ( Herold 2022 / Kasper 2015)
- Pneumokokken
- Seltene Erreger sind z. B. Aggregatibacter actinomycetemcomitans, Cardiobacterium hominis, Coxiella burnetii, Chlamydien, Eikenella corrodens, Kingella Kingae, Mykoplasmen, Legionellen, Erreger der HACEK- Gruppe
- Pilze (ca. 1 %) (Herold 2022)
Die Haupteinfallstore sind die Mundhöhle, die Haut und die oberen Atemwege (Kasper 2015).
- Abakterielle Form:
Diese Form wird auch als nichtinfektiöse Endokarditis bezeichnet.
Sie kann auftreten als:
- E. rheumatica (verrucosa), eine durch Beta- hämolysierende Streptokokken ausgelöste Erkrankung, die als Komplikation eines rheumatischen Fiebers auftreten kann (Herold 2022).
- E. Libman- Sacks, die durch einen systemischen Lupus erythematodes (SLE) ausgelöst wird (Herold 2022)
- Endomyocarditis eosinophilica, auch als „Löffler- Syndrom“ bezeichnet, die im Rahmen verschiedener Erkrankungen auftreten kann und immer mit einer Vermehrung eosinophiler Granulozyten verbunden ist (Herold 2022).
- Mischform:
Hierbei kommt es auf dem Boden einer abakteriellen Endokarditis zu einer zusätzlichen bakteriellen Entzündung (Herold 2022).
- Pharmaka- induzierte Herzklappenveränderungen:
Diese können verursacht werden durch z. B. Parkinsonmedikamente mit Dopamin- agonistischer Wirkung wie z. B. Cabergolin, Pergolid. Sie führen zu fibrotischen Herzklappenschädigungen. Ebenso kann Ecstasy (MDMA) Veränderungen der Herzklappen bewirken (Herold 2022).
- Endokardkardiale Fibroelastose (EFE)
Die genaue Ursache konnte bislang nicht sicher geklärt werden. Studien weisen darauf hin, dass es sich nicht um ein idiopathisches Geschehen handelt, sondern wahrscheinlich um eine genetische Komponente, vermutlich x- chromosomal rezessiv (Sana 2022).
Andere Studien weisen auf einen etwaigen Zusammenhang mit autoimmunen Vorgängen hin, da mütterliche Anti- La- und Anti- Ro- Antikörper oftmals nachweisbar sind (Sana 2022).
EFE kann alleine auftreten, ist aber in 20 – 50 % der Fälle mit anderen genetischen Erkrankungen wie z. B. Aortenstenose, Atresie, hypoplastisches Linksherzsyndrom kombiniert (Sana 2022).
Pathophysiologie
Meistens gehen der Infektion subtile Läsionen des Endokards voraus. An diesen bilden sich Thromben, die im Rahmen einer Bakteriämie zu einer Infektion führen. Diese Infektion kann zu einer Zerstörung des Klappenapparates und zu Abszessen des Klappenrings führen. Sollte es zu einer Ablösung der Vegetationen kommen, treten septische Embolien in Gehirn, Nieren oder Koronararterien auf (Renz- Polster 2008).
Lokalisation
Am häufigsten betrifft die infektiöse Endokarditis die Mitralklappe, gefolgt von Aorten- und Trikuspidalklappe. Den Befall mehrerer Klappen findet sich bei ca. 25 % der Patienten. Der klinische Verlauf kann sehr variabel sein, bis hin zu fulminanten Verläufen mit septischem Krankheitsbild und Anzeichen eines Multiorganversagens (Renz- Polster 2008).
- E. rheumatica (verrucosa):
Diese findet sich häufig an den Schließungsrändern der Mitral- und Aortenklappe. Sie stellt eine Teilerscheinung der Pankreatitis und des rheumatischen Fiebers dar (Herold 2022).
E. Libman- Sacks:
Hierbei finden sich größere Fibrintropfen auf der Mitralis-, Aorten- und Pulmonalklappe. Begleitet wird sie häufig von einer Pleuritis und Perikarditis (Herold 2022).
- Endomyocarditis eosinophilica:
Sie befällt vorwiegend das Endokard der rechten Herzkammer und kann auftreten bei Asthma bronchiale, Hodgkin- und Non- Hodgkin- Lymphomen, eosinophiler Leukämie, idiopathischer Hypereosinophilie, Polyarthritis nodosa, Lungenkarzinom, (Herold 2022).
Klinisches Bild
Hierbei differenziert man zwischen einem akuten und einem subakuten Verlauf.
- Akuter Verlauf:
Erreger sind i. d. R. Staphylokokkus aureus, Pneumokokken, gramnegative Stäbchen. Hierbei findet sich ein septisches Krankheitsbild mit raschem Auftreten einer Herzinsuffizienz und eines Herzgeräusches (Knirsch 2014).
- Subakuter Verlauf, auch als Endokarditis lenta bezeichnet:
Überwiegend ausgelöst durch Streptokokken (44 %), koagulase- negative Staphylokokken (27 %), seltener durch Enterokokken, Erreger der HACEK- Gruppe wie z. B. Haemophilus / Aggregatibacter, Actinobacillus /Aggregatibacter, Cardiobacterium, Eikenella und Kingella oder durch Pilze.
Der subakute Verlauf zeigt in 80 % einen schleichenden Verlauf mit unspezifischen Symptomen wie z. B. Fieber, Müdigkeit, Myalgien, Arthralgien und klinischen Zeichen einer Herzinsuffizienz.
Bei ca. 20 % finden sich spezifische Symptome in Form eines neu aufgetretenen Herzgeräusches und Hauterscheinungen in Form von Roths Spots, Splinter Hämorrhagien, Osler Knötchen (Knirsch 2014).
- EFE:
Die Kinder zeigen oftmals eine Gedeihstörung, Schwierigkeiten beim Essen, verstärktes Schwitzen, Atemnot, Husten, Zyanose (Sana 2022).
Diagnostik
- Infektiöse Endokarditis:
Obligat ist die wiederholte Abnahme von Blutkulturen sowohl vor Beginn der Antibiose als auch im Verlauf zur gezielten Antibiose. Als gesichert gilt die Diagnose bei positiven Blutkulturen mit dem mehrmaligem Nachweis des gleichen Keims und echokardiographischem Nachweis typischer Veränderungen einer Endokarditis (Renz- Polster 2008).
- EFE:
Neben den üblichen Laboruntersuchungen einschließlich eines Antikörperprofils, sind diagnostisch eine Röntgenaufnahme des Thorax, EKG, Echokardiographie, Computertomographie und die Biopsie des Endokards Goldstandard für die Diagnostik. Die Biopsie ist aber wegen der damit verbundenen Komplikationen möglicherweise nicht die 1. Wahl (Sana 2022).
Labor
Hierbei zeigen sich typischerweise erhöhte Entzündungsparameter wie z. B. CRP, BSG, Leukozyten, ebenso eine Infektanämie (Renz- Polster 2008).
Blutkulturen sind bei 5 – 15 % der Patienten negativ (Kasper 2015).
- Endokardkardiale Fibroelastose (EFE):
Antikörperbestimmung auf mütterliche Anti- La- und Anti- Ro- Antikörper (Sana 2022).
Komplikation(en)
Therapie allgemein
Die Behandlung erfolgt stets durch ein interdisziplinäres Team von Kardiologen, Herzchirurgen, Infektiologen und Mikrobiologen, ggf. auch zusammen mit Neurochirurgen, Neurologen und Radiologen (Herold 2022).
Bei bislang unbekanntem Erreger sollte die Therapie bei ambulant erworbener Endokarditis und Nativklappen sowie bei Klappenprothesen > 12 Mon. postoperativ bestehen aus:
- Ampicillin 12 g / d i. v., verteilt über 4 – 6 Einzeldosen (ED)
plus
- (Flu)Cloxacillin oder Oxacillin 12 g / d i. v., verteilt auf 4 – 6 ED
plus
- Gentamicin 3 mg / kg KG / d i. v. oder i. m. als Einzeldosis (Herold 2022)
Die Therapiedauer sollte 4 – 6 Wochen betragen.
Falls die Herz- Klappenprothesen- Operation weniger als 12 Mon. zurückliegt, empfehlen sich:
- Vancomycin 30 mg / kg KG / d i. v., verteilt auf 2 ED (Therapiedauer ≥ 6 Wochen)
plus
- Gentamicin 3 mg / kg KG / d i. v. oder i. m. als Einzeldosis (Therapiedauer 2 Wochen)
plus
- Rifampicin 900 – 1.200 mg /d i. v. oder oral, verteilt auf 2 – 3 ED (Therapiedauer ≥ 6 Wochen)
(Herold 2022)
- EFE:
Hier steht eine symptomatische Behandlung im Vordergrund mit z. B. Diuretika, Digoxin, ACE- Hemmern. Bei Nachweis mütterlicher Anti- Ro- und Anti- La- Antikörpern hat sich der Einsatz von Kortikosteroiden bewährt. Im Endstadium der Erkrankung kann eine Herztransplantation empfohlen werden (Sana 2022).
Prognose
Vor der Ära der Antibiotika verlief die bakterielle Endokarditis fast immer letal. Aber auch heutzutage bleibt die Prognose einer Endokarditis schwerwiegend, da diese mit einer erheblichen Morbidität und auch Letalität verbunden ist. Bei nahezu der Hälfte der Erkrankungen wird im Verlauf eine herzchirurgische prothetische Versorgung der Klappen erforderlich (Lechner 2020).
Laut Renz- Polster (2008) liegt die Mortalität selbst bei adäquater Behandlung bei ca. 25 %. Die Mortalität kann inzwischen durch ein multidisziplinäres Endokarditis- Team auf < 10 % gesenkt werden (Herold 2022).
Die Autoantikörper- assoziierte EFE weist – unabhängig davon, ob sie sich im fötalen oder postnatalen Leben entwickelt - eine sehr hohe Mortalitätsrate auf. Die 4- Jahres- Überlebensrate liegt bei 77 % (Sana 2022).
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
- Al- Nawass, Eickholz P, Hülsmann M (2021) Antibiotika in der Zahnmedizin. Quintessence Verlag Berlin
- Ball G V, Fessler B J, Bridges S L (2014) Oxford Textbook of Vasculitis. Oxford University Press 622
- Fischbach K, Kosiek O (2014) Erkrankungen des Endokards. Rofo 186 - RK_VO201_1
- Hellmich S, Hellmich B (2017) Mündliche Prüfung Innere Medizin. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 18
- Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag 158 – 163
- Hombach (2001) Interventionelle Kardiologie, Angiologie und Kardiovaskularchirurgie: Technik – Klinik – Therapie. Schattauer Verlag Stuttgart / New York 629 - 630
- Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 816 – 827, 958
- Knirsch W, Mackenzie C R, Schäfers H J, Baumgartner H, Kramer H H (2014) Infektiöse Endokarditis und Endokarditisprophylaxe im Kindes- und Jugendalter. Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie: Leitlinie. AWMF- Register Nr. 023 / 024
- Lechner A (2020) Endokarditis. In: Stanger, O. (Hrsg.) Kompendium der modernen Herzchirurgie beim Erwachsenen. Springer Verlag Wien. 151 – 159
- Renz- Polster H, Krautzig S (2008) Basislehrbuch Innere Medizin: kompakt – greifbar – verständlich. Elsevier Urban und Fischer Verlag München / Jena 128 - 131
- Sana M K, Mahajan K (2022) Endocardial Fibroelastosis. StatPearls. Treasure Island (FL) PMID: 32644554, Bookshelf ID: NBK559128
- Schuchart S (2021) Berühmte Entdecker von Krankheiten: Sir William Osler begründete die moderne Medizin in Nordamerika. Dtsch Arztebl (118) 31 - 32