Dünndarmtransplantation

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 21.08.2024

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Synonym(e)

Dtx; ITx

Erstbeschreiber

Im Jahre 1987 führten Thomas Starzl et al. die erste überlebensfähige multiviszerale Transplantation durch. Die erste isolierte Dünndarmtransplantation gelang Goulet et al. 1989 (Pecora 2013). Regelmäßig führten jedoch schwerste Abstoßungsreaktionen zum Verlust des transplantierten Organs. 

Erst mit der Weiterentwicklung immunsuppressiver Medikamente verbesserte sich die Abstoßungsreaktionen (Rodeck 2008). Das für die Dünndarmtransplantation bedeutende Immunsuppressivum Tacrolimus kam in den 1990er Jahren auf den Markt (Pecora 2013).

Definition

Bei der Dünndarmtransplantation (Dtx oder ITx) handelt es sich um eine relativ junge Technik, die sich nur langsam entwickelt, da der Darm eine hohe Immunogenität aufweist und es dadurch zu hohen Abstoßungsraten kommt (Pascher 2010). Erst seit Einführung des Immunsuppressivums Tacrolimus konnte diese hohe Abstoßungsrate verbessert werden (Braun 2011).

Der Dünndarm kann isoliert oder kombiniert mit anderen Organen transplantiert wird (Braun 2011).

 

 

Einteilung

Man differenziert bei der Dünndarmtransplantation zwischen einer

- isolierten Dünndarmtransplantation

- kombinierten Dünndarmtransplantation, bei der zusätzlich weitere Teile des Verdauungstraktes transplantiert werden (Rodeck 2008)

Allgemeine Information

Indikation:

  • Kurzdarmsyndrom mit Versagen der total parenteralen Ernährung (Herold 2022). Dies stellt die häufigste Indikation dar (Rosien 2021).
  • Ausbildung einer Leberzirrhose durch eine cholestatische Dysfunktion (Müller 2004) auf Grund einer total parenteralen Ernährung (Müller 2003)
  • permanente Intestinalinsuffizienz
  • Mikrovillusatrophie
  • Motilitätsstörungen
  • chronische intestinale Pseudoobstruktion: Sie stellt mit ca. 20 – 25 % die zweithäufigste Indikation dar (Rosien 2021)
  • konstitutionelle Epithelerkrankungen
  • epitheliale Dysplasie 
  • M. Hirschsprung
  • Intestinalinsuffizienz, die verkompliziert wird durch:
    • multiple, schwere Katheterinfektionen
    • multiple Gefäßthromben
    • schwere Hepatopathie
    • Leberinsuffizienz (Rodeck 2008)
  • nekrotisierende Enterokolitis
  • Volvolus
  • M. Crohn
  • Autoimmun- Enteritis
  • Tumore (von Schweinitz 2009)

Voraussetzungen:

  • Versagen der total parenteralen Ernährung (TPN)
  • Blutgruppenkompatibilität und negatives Cross match (MLC = mixed lymphocyte culture)
  • Ausschluss von:
    • schweren Herz- Kreislauferkrankungen
    • akuten Infektionen
    • Malignomen (Herold 2022

Vorkommen

Eine Dünndarmtransplantation wird im Laufe der Zeit bei ca. 75 % der Erwachsenen und 50 % der Kinder mit Kurzdarmsyndrom erforderlich (Rosien 2021).

Insgesamt gibt es weltweit ca. 800 dünndarmtransplantierte Patienten. Derzeit werden etwa 100 Dünndarmtransplantationen weltweit pro Jahr ausgeführt. In Deutschland erfolgen diese bislang aber nur selten. Gründe dafür könnten akute Abstoßungen und abstoßungsbedingte Komplikationen sein (Müller 2003).

Bei Kindern werden ca. 40 – 80 Dünndarmtransplantation im Jahr durchgeführt (von Schweinitz 2009).

Man schätzt die Inzidenz des Kurzdarmsyndroms auf ca. 2 – 5 Neuerkrankungen pro 1 Million Einwohner (Pascher 2010).

Bei einer Dünndarmtransplantation können neben dem Dünndarm auch noch weitere Organe des Verdauungstraktes transplantiert werden:

- ausschließlich Dünndarm: ITx in 43 %

- ITx plus Leber: ILTx in 30 %

- ITx plus Leber, Pankreas und andere Organe wie z. B. Magen: multiviszeral- MVTx in 24 %

- ITx ohne Leber, plus Pankreas und anderer Organe wie z. B. Magen: modifiziert multiviszeral- mMVTx in 3 % (Herold 2022)

 

 

Ätiologie

Ursache für ein Kurzdarmsyndrom bei Kindern können in absteigender Reihenfolge sein:

  • - nekrotisierende Enterokolitis
  • - Gastroschisis 
  • - Darmatresie
  • - Volvulus
  • - Pseudoobstruktion
  • - Aganglionose (Pecora 2013)

Ursachen bei Erwachsenen:

  • - Mesenterialischämie
  • - entzündliche Erkrankungen
  • - aktinische Enteritis
  • - Trauma
  • - Tumore (Pecora 2013)

Histologie

Die Histologie stellt den Goldstandard für die Diagnose einer akuten zellulären Abstoßung dar. 

Man differenziert zwischen 4 Hauptparametern für die Abstoßung:

- architektonische Verzerrung

- epitheliale Läsion der Krypta

- Anzahl der Apoptosen pro Krypta

- Lymphozyteninfiltrate in der Lamina propria (Pecora 2013)

Komplikation(en)

In der Akutphase einer ITx können auftreten:

- Infektion

- Sepsis

- Thrombose

- Blutung

- Abstoßung (in den ersten 90 Tagen)

Diese findet sich bei 50 – 75 % der Patienten (Pecora 2013)

- GvHD = Graft- Versus- Host Disease (Acton 2013) 

(Herold 2022)

In der Spätphase der Transplantation können auftreten:

- chronische Abstoßung (tritt bei ca. 15 % der Patienten auf [Pecora 2013])

- Infektionen durch Über- Immunsuppression (Müller 2003)

- virale Infektionen insbesondere durch CMV (Zytomegalievirus) und EBV (Eppstein- Barr- Virus)

 

 

Interne Therapie

Immunsuppression:

Nach einer Transplantation erfolgt zeitlebens eine medikamentöse Immunsuppression (Herold 2022). Verwendet werden dabei:

Kortikosteroide 

Tacrolimus

- blockierende Anti- CD25- Antikörper (Rodeck 2008)

Operative Therapie

Die Transplantation sollte innerhalb von 6 h nach Explantation erfolgen, da ansonsten das Letalitätsrisiko steigt (Müller 2004). Die chirurgische Technik selbst ist inzwischen standardisiert. Derzeit existieren drei wesentliche chirurgische Techniken (Rodeck 2008).

- Isolierte Dünndarmtransplantation:

Hierbei wird proximal eine termino- terminale duodeno- jejunale oder aber eine jejuno- jenale Anastomose verwendet. Distal erfolgt eine direkte termino- terminale Anastomose an das Kolon (Rodeck 2008).

- Kombinierte Dünndarmtransplantation:

Hierbei findet sich eine en block Transplantation (Rodeck 2008).

 

 

Prognose

Von den bislang 800 transplantierten Patienten leben derzeit noch ca. 50 % . Davon sind mehr als 80 % voll rehabilitiert, im guten Allgemeinzustand und frei von parenteraler Ernährung (Müller 2003).

Es sind sogar Einzelfälle mit einem Transplantatüberleben von bis zu 14 Jahren beschrieben (Rosien 2021).

In den letzten Jahren konnten deutliche Fortschritte bei einer ITx erzielt werden (Müller 2003).

In bis zu 90 % überleben inzwischen 1 – Jahres- Patienten. Das 1- Jahres- Transplantatüberleben liegt bei ca. 80 % (Herold 2022).

Die Komplikationsrate kombinierter Transplantationen ist jedoch unvergleichlich höher. So liegt hierbei das 1- Jahres- Patientenüberleben bei ca. 50 % (Müller 2003).

Die Inzidenz der akuten Abstoßung konnte durch Verbesserung der Immunsuppression von ehemals 85 % auf < 25 % gesenkt werden (Müller 2003).

Beim Kurzdarmsyndrom liegt die Mortalität zwischen 15 – 47 % (Braun 2011).

Hinweis(e)

Das Transplantat nimmt zunächst die Resorption von Kohlenhydraten auf, im weiteren Verlauf auch die von Fetten. Von daher ist der frühe Aufbau der Darmmukosa von großer Bedeutung (von Schweinitz 2009). Eine parenterale Ernährung hält von Schweinitz (2009). p. o. nicht mehr für erforderlich, während Rosien (2021) darauf hinweist, dass die parenterale Ernährung in bis zu 80 % der Fälle nach 6 Monaten beendet werden kann.

 

 

Literatur
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  1. Acton Q A A et al. (2013) Graft- Versus- Host Disease: Insights for the Healthcare Professional. Scholarly- Editions Atlanta / Georgia 116
  2. Braun F, Fändrich F, Müller A, Platz KP, Broering D, Becker T (2011). Dünndarmtransplantation. In: Siewert, J.R., Rothmund, M., Schumpelick, V. (eds) Praxis der Viszeralchirurgie. Gastroenterologische Chirurgie. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 493 - 508 https://doi.org/10.1007/978-3-642-14223-9_31
  3. Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag 478
  4. Müller A R, Pascher A, Platz K P, Neuhaus P (2003) Dünndarmtransplantation – aktueller Stand und eigene Ergebnisse. Zentralbl Chir 128 (10) 849 – 855
  5. Müller A R, Neuhaus P (2004) Dünndarmtransplantation: Klinischer Stand und eigene Ergebnisse. Dtsch Arztebl 101 (1 – 2) A- 38, B- 33, C- 33
  6. Pascher A (2010) Intestinales Versagen und Dünndarmtransplantation. Allgemein- und Viszeralchirurgie up2date 4 (2) 109 – 123
  7. Pecora R A A, David A I, Dong Lee A, Galvao F H, Cruz- Junior R J, D’Albuquerque L A C (2013) Small bowel transplantation. Arq Bras Cir Dig 26 (3) 223 – 229
  8. Rodeck B, Zimmer K P (2008) Pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung. Springer Verlag Heidelberg 256 – 260
  9. Rosien U, Berg T, Layer P (2021) Facharztwissen Gastroenterologie und Hepatologie. Elsevier Urban und Fischer Verlag Deutschland 205 - 207
  10. von Schweinitz D, Ure B (2009) Kinderchirurgie: Viszerale und allgemeine Chirurgie des Kindesalters. Springer Verlag Heidelberg 641 - 642
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