Chronische tubulointerstitielle Nierenerkrankungen N11.-

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

Alle Autoren dieses Artikels

Zuletzt aktualisiert am: 23.08.2024

This article in english

Synonym(e)

Chronic tubulointerstitial nephritis; Chronische tubulointerstitielle Nephritis; CIN; CTIN; CTN

Definition

Eine chronische tubulointerstitielle Nierenerkrankung (CTN) kann als unspezifisches pathologisches Reaktionsmuster der Niere auf verschiedenste Noxen verstanden werden kann. So kann sie sich sekundär als Folge von glomerulären oder ­vaskulären Schädigungen entwickeln und stellt damit eine gemeinsame Endstrecke aller zur terminalen Niereninsuffizienz führenden Erkrankungen dar. Die Grenze zwischen akuter und chronischer tubulointerstitieller Nephritis ist mitunter unscharf. Die akute Verlaufsform kann in eine chronische Verlaufsform übergehen (Perazella MA 2017). Gewisse einer CIN zugeordneten Noxe können auch zu akuteren Verläufen führen und umgekehrt (Kisler A 2016). Ein eigenes Spektrum interstitieller Nierenschädigungen findet sich in Transplantatnieren.

Einteilung

  • Allergisch-toxisch durch Medikamente: v.a. NSAR (Analgetikanephropathie) u.a. (s.a. akute tubulointerstielle Nephritis)
  • Metabolisch: Hyperurikämie (Gicht), Hyperkalzämie, Hypokaliämie, Hyperoxalurie
  • Hereditär: Autosomal dominante tubulointerstitielle Nierenerkrankung (ADTKD), Zystinose u.a.
  • Autoimmunologisch: SLE, Sjögren-Syndrom, Sarkoidose (Dong W et al. 2017) Polyarteriitis nodosa (Hanata N et al. 2017); Amyloidose, IgG4-assoziierte CTN
  • Infektiös oder obstruktiv: chronische bakterielle Phyelonephritis, vesikourethraler Reflux (VUR)
  • Physikalische Einwirkung: Strahlennephritis
  • Toxisch: Lithium-Nephropathie, Schwermetall-Nephropathie (verschiedene Substanzen: z.B. Blei und Cadmium)
  • Hämatologisch: Paraproteinämie (Multiples Myelom), Amyloidose; AIDs
  • Sonstiges: Balkan-Nephropathie, Chinese Herbs Nephropathie (Chronisch tubulointerstitielle Nierenerkrankung durch chronische Vergiftung durch die pflanzliche Säure „Aristolochiasäure“); Melamin-Nephropathie durch das Triamino-Azin Melamin das (in China) der Babynahrung zugefügt wurde).
  • Chronic Interstitial Nephritis in Agricultural Communities: eine neuerdings beschriebe chronische interstitielle (polyätiologische) Nephritis die in agrikulturellen Gemeinschaften in Südamerika und Asien beobachtet wurde (Orantes-Navarro CM et al. 2017).

Klinisches Bild

Die Klinik der chronischen tubulointerstitiellen Nephritis ist sehr vielgestaltig. Der zunehmende Ausfall der tubulären Funktionen führt zu einer chronischen Niereninsuffizienz mit allen klinischen Symptomen.

Diagnose: Anamnese (Medikamentenanamnese), Klinik, Laborbefunde mit Zeichen einer Niereninsuffizienz; Nierenbiopsie (sie ist seltener notwendig als bei der akuten Verlaufsform - Perazella MA 2017); Abklärung einer Grunderkrankung (z.B. Sarkoidose, Paraproteinämie u.a.).

Klinisches Bild

Langsam progrediente Abnahme der glomerulären Filtrationsrate (GFR), in der Regel begleitet von einer mässigen tubulären Proteinurie und gelegentlich einer sterilen Leukozyturie und Mikrohämaturie. Oft nachweisbar sind die Zeichen einer tubulären Funktionsstörung wie Glukosurie, Phosphaturie, renal­tubuläre Azidose und eine reduzierte Urinkonzentrationsfähigkeit (mögliche Nykturie).

Labor

Die routinemäßigen Laboruntersuchungen umfassen u.a. die Bestimmung von: Harnstoff, Kreatinin Kontrolle des Urinsediments; 24-h-Sammelurin: Häufig bestehen tubuläre Funktionsstörungen, die zu Hämaturie und Proteinurie (alpha1-Mikroglobulinämie), Hyperphosphaturie, Aminoazidurie oder Glukosurie führen. Ferner können ein hoher Urin-pH, eine metabolische Azidose und ein Salzverlust vorliegen.

Histologie

Bei der chronischen tubulointerstitielle Nephritis beobachtet man neben mononukleären Infiltraten auch tubuläre Atrophie und glomeruläre Veränderungen. Die chronische Form zeichnet sich durch interstitielle Fibrose und Tubulusatrophie aus. Sowohl im akuten wie auch im chronischen Stadium können histologisch Granulome mit Riesenzellen gesehen werden. Sie sind nicht pathognomonisch für eine bestimmte Erkrankung (Sjögren-Syndrom, Sarkoidose oder Tuberkulose), sondern finden sich auch bei medikamentös ausgelösten Erkrankungsfällen.

Diagnose

Aufgrund des breiten ätiologischen Spektrums der chronischen tubulointerstitiellen Nierenerkrankung ist bei Patienten mit Nierenfunktionsverschlechterung unklarer Ursache eine sorgfältige Anamneseerhebung entscheidend. Diese sollte insbesondere die Frage nach systemischen Symptomen, Exposition gegenüber Medikamenten und Toxinen sowie eine detaillierte und fokussierte Familienanamnese beinhalten.

Therapie

Absetzen auslösender Noxen. Oft sind zusätzlich unterstützende medizinische Maßnahmen erforderlich (supportive Therapie der chronischen Niereninsuffizienz). Die Therapie zielt darauf ab, eine weitere Verschlechterung der Nierenfunktion (bis hin zur end-stage renal disease) zu verhindern.

Hinweis(e)

Ihren Namen erhielt die interstitielle Nephritis aufgrund der entzündlichen Infiltration des Interstitiums und der Tubuli mit T-Zellen, Makrophagen, Plasmazellen, verbunden mit einem interstitiellen Ödem. Daher auch die eigentlich korrekte Bezeichnung: tubulo-interstitielle Nephritis.

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Cohen CD et al. (2017) Abnorme Nierenfunktion. In: Differenzialdiagnose innerer Krankheiten. Battegay E. (Hrsg). Thieme Verlag Stuttgart  S. 475
  2. Baldwin DS et al. (1968) Renal failure and interstitial nephritis due to penicillin and methicillin. N Engl J Med 279:1245-1252.
  3. Dong W et al. (2017) Undiagnosed renal sarcoidosis in a patient with chronic interstitial nephritis. Clin Rheumatol 36:2619-2622.
  4. Hanata N et al. (2017) Polyarteritis nodosa complicated with chronic interstitial nephritis. Int J Rheum Dis 20:1838-1840. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26012886
  5. Kisler A (2016) Interstitielle Nephritis.Swiss Medical Forum 16:108–113
  6. Oliva-Damaso N et al. (2018) Acute and Chronic Tubulointerstitial Nephritis of Rheumatic Causes. Rheum Dis Clin North Am 44:619-633.
  7. Orantes-Navarro CM et al. (2017)Toward a Comprehensive Hypothesis of Chronic Interstitial Nephritis in Agricultural Communities. Adv Chronic Kidney Dis 24:101-106.
  8. Perazella MA (2017) Clinical Approach to Diagnosing Acute and Chronic Tubulointerstitial Disease. Adv Chronic Kidney Dis 24:57-63.
  9. Sierra F et al. (2007) Systematic review: Proton pump inhibitor-associated acute interstitial nephritis. Aliment Pharmacol Ther 26:545-553

Weiterführende Artikel (1)

Aristolochiasäure;

Disclaimer

Bitte fragen Sie Ihren betreuenden Arzt, um eine endgültige und belastbare Diagnose zu erhalten. Diese Webseite kann Ihnen nur einen Anhaltspunkt liefern.

Abschnitt hinzufügen

Autoren

Zuletzt aktualisiert am: 23.08.2024