Calcitonin Gene-Related Peptide

Autor:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 23.08.2024

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Synonym(e)

Calcitonin Gene-Related Peptide; Calcitonin-related Polypeptid; CGRP

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Erstbeschreiber

Rosenfeld MG, 1983

Definition

Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) ist ein aus 37 Aminosäuren bestehendes Peptid, das im peripheren Nervensystem sowie im Zentralnervensystem gebildet wird. Das Calcitonin Gene-Related Peptide liegt in zwei Isoformen vor, α-CGRP und β-CGRP, die von 2 unterschiedlichen, auf Chromosom 11 liegenden Genen, kodiert werden. Während Gen CALCA gewebespezifisch alphaCGRP und das Peptidhormon Calcitonin kodiert, bildet das Gen CALB lediglich beta-CGRP. Ihre Sequenzen unterscheiden sich in 3 Aminosäuren.

CGRP gehört zu einer Peptidfamilie, die außerdem noch

  • Amylin
  • Adrenomedullin
  • Adrenomedullin 2 und
  • Calcitonin umfasst.

Bei dieser Peptidfamilie handelt sich um funktionell und strukturell verwandte Peptide, die jedoch nur eine begrenzte Homologie aufweisen. Hochkonserviert ist bei allen eine aminoterminale Ringstruktur.

Hinweis: In dieser Abhandlung wird nur dann zwischen den beiden Isoformen des CGRP unterschiede, wenn es relevant ist.   

Allgemeine Information

CGRP ist eines der am weitest verbreiteten Peptide und hat beim Menschen vielfältige biologische Funktionen an Gehirn, Herz, glatter und quergestreifter Muskulatur, an Lunge und Gastrointestinaltrakt (Russel et al. 2014). Das CGRP-Peptid bindet an einen membranständigen G-Protein-gekoppelten-Rezeptor. Hierbei handelt es sich um ein Proteinkomplex, der aus einem Calcitonin-ähnlichen Rezeptor (CLR) und einem einzelnen Transmembranprotein (RAMP1) besteht (s. Abb.).

Beide kodierenden Gene (α-Calcitonin/CGRP und β-Calcitonin/CGRP) bestehen aus 6 Exons, aus denen durch gewebespezifisches alternatives Splicing im Nervensystem die Calcitonin Gene-Related Peptide und in der Schilddrüse die Calcitonine gebildet werden. Die Genloci für α-CGRP und β-CGRP sind identisch mit denen für α- bzw. β-Calcitonin und befinden sich auf dem Chromosom 11.

Die Expression von Calcitonin (hCT) und CGRP ist gewebespezifisch. Während in den parafollikulär gelegenen C-Zellen der Schilddrüse Calcitonin sezerniert wird, findet man im peripheren und zentralen Nervensystem fast ausschließlich das CGRP-Peptid. Die Beta-Isoform des CGRP findet sich überwiegend im enterischen Nervensystem. Alpha-CGRP wird fast stets im peripheren Nervensystem produziert und hier v.a. in den nozizeptiven, sensorischen Neuronen der spinalen Hinterwurzeln und Trigeminusganglien.

Die afferenten Fasern dieser Ganglienzellen verlaufen perivaskulär mit den arteriellen und venösen Blutgefäßen und sind damit in praktisch allen Organen präsent. Auch die großen intrazerebralen Gefäße zeigen eine dichte CGRP-Innervation. Nach Synthese wird CGRP in Vesikeln gespeichert und bei neuronaler Depolarisation durch Kalzium-abhängige Exozytose- z.T. mit kolokalisierten Neuropeptiden wie Substanz P freigesetzt. Perivaskulär erfolgt dies aus freien Nervenendigungen und axonalen Varikositäten.

Für eine Bindung an die CGRP-Rezeptoren CGRP1 und CGRP2, die die physiologischen Effekte des Calcitonin Gene-Related Peptids vermitteln, sind insbesondere die Aminosäuren 8–37 essenziell. 

Hinweis: Das Calcitonin Gene-Related Peptide zählt zu den stärksten Blutgefäß-erweiternden Substanzen und spielt bei der Pathophysiologie der Migräne eine wichtige Rolle.

Vorkommen

ZNS und peripheres Nervensystem:  Das Calcitonin Gene-Related Peptide kommt in hoher Dichte im Zentralnervensystem, insbesondere in den sensorischen Ganglien, im Nervus trigeminus, in der Hirnrinde und in der Hypophyse vor (Eftekharis S et al. 2013). Das Neuropeptid kann auch an Nervenenden des peripheren Nervensystems in Blutgefäßen (insbesondere Arterien) und am Herzen nachgewiesen werden. In den diese Gewebe innervierenden Neuronen ist das Calcitonin Gene-Related Peptide kolokalisiert mit Noradrenalin, Vasoaktives intestinales Peptid (VIP), Neuropeptid Y, Somatostatin oder Substanz P. Im Zentralnervensystem ist das Calcitonin Gene-Related Peptide an der Regulation der Körpertemperatur beteiligt. Ebenso ist es an der Steuerung der Hormon-Freisetzung aus der Hypophyse beteiligt.

Gefäße: CGRP selbst ist ein sehr starker Vasodilatator und hat offenbar bei mehreren Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine schützende Wirkung. Eine CGRP-Konzentration von wenigen pmol/l zeigt bereits deutliche vasorelaxierende Effekte. Diese CGRP-induzierte Vasorelaxation wird einerseits über eine direkte glattmuskuläre Relaxation via Aktivierung der Adenylylcyclase und andererseits über einen indirekten Mechanismus via Freisetzung von Stickstoffmonoxid (NO) aus dem Endothel vermittelt.

In Hypertonie-Modellen schützt CGRP vor dem Einsetzen und Fortschreiten von hypertensiven Zuständen, indem es möglicherweise hemmend auf die pro-hypertensiven Systeme wie das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) und das sympathische Nervensystem wirkt.

Herz: CGRP führt direkt zu positiv inotropen und positiv chronotropen Effekten am Herzen.  Es wird angenommen, dass CGRP als kardioprotektiver, endogener Mediator wirkt, der unter Stress freigesetzt wird, um die Herz-Kreislauf-Funktion zu regulieren.

Niere: An der Niere wirkt CGRP diuretisch (Erhöhung der glomerulären Filtration).

Skelett: Am Calcitonin-Rezeptor der Osteoklasten zeigt CGRP (im Gegensatz zu Calcitonin) nur eine schwache Wirkung.

Haut und Juckreiz: Bekannt ist dass bei Hautkrankheiten mit Juckreiz Neuropeptide eine pathogenetische Rolle spielen (Andoh T et al. 2018). So scheint das Calcitonin Gene Related Peptide neben anderen Neuropeptiden (z.B. Substance P) auch beim psoriatischen Pruritus, beim Juckreiz in exsikkierter Haut (Andoh T et al. (2018), beimm urämischen Juckreiz (Du T et al. 2016) oder beim Juckreiz in hypertrophen Narben (Kwak IS et al. 2014) eine wesentliche Rolle zu spielen.  In experimentellen Ansätzen war nachweisbar, dass  mehrfache „subinflammatorische“ UV-Bestrahlungen den Gehalt an  Calcitonin Gene Related Peptide und Substance P erhöht (Legat FJ et al 2002). Dieser Zustand führt zu einer Augmentation anderer inflammatorischer Reize auf Haut.     

 

Therapie allgemein

Therapeutisches Potenzial: CGRP-Rezeptorantagonisten werden in der Therapie von Migräne eingesetzt. Zu den CGRP-Antikörpern zählen u.a.

  • Eptinezumab
  • Erenumab (Aimovig®) bindet nicht an CGRP, sondern an den CGRP-Rezeptor. Es wird deshalb als CGRPR-Inhibitor bezeichnet. Erenumab ist als erster Antikörper zur Prophylaxe der Migräne in Deutschland seit 1. November 2018 zugelassen (Aimovig®).
  • Fremanezumab (Ajovy®), bindet direkt an CGRP und neutralisiert das Peptid.
  • Galcanezumab (Emgality®), bindet direkt an CGRP und neutralisiert das Peptid.

Hinweis(e)

Auf Grund seiner vasorelaxierenden Eigenschaften könnten das Calcitonin Gene-Related Peptide und CGRP-Agonisten u. a. auch als mögliche Arzneien in der Therapie der koronaren Herzkrankheit, des pulmonalen Bluthochdrucks, der erektilen Dysfunktion und peripherer Durchblutungsstörungen in Frage kommen.

Literatur

  1. Andoh T et al. (2018) Non-myelinated C-fibers, but not myelinated A-fibers, elongate into the epidermis in dry skin with itch. Neurosci Lett 672:84-89.
  2. Du T et al. (2016) Loss of Papillary Dermal Calcitonin Gene Related Peptide-Expressing Neurons Significantly Correlates with Uremic Pruritus. J Invest Dermatol 136:2323-2325.
  3. Eftekharis S et al. (2013) Differentiation of nerve fibers storing CGRP and CGRP receptors in the peripheral trigeminovascular system. J Pain 14: 1289-1303
  4. Guo S et al. (2017) Calcitonin gene-related peptide induced migraine attacks in patients with and without familial aggregation of migraine. Cephalagia 37: 114-124
  5. Hay DL et al. (2016) Receptor activity-modifying proteins (RAMPs): New insight and roles. Annu Rev Pharmacol Toxicol 56: 469-487
  6. Kukowski B (2018) CGRP-Signaltransduktion. Aspekte zur Entstehung der Migräne und aktuelle medikamentöse Therapieansätze. https://www.cme point.de/Fortbildungen/2370_CGRP_CME_FINAL.pdf (entnommen am 1.9.2020)
  7. Kwak IS et al. (2014) Immunohistochemical analysis of neuropeptides (protein gene product 9.5, substance P and calcitonin gene-related peptide) in hypertrophic burn scar with pain and itching. Burns 40:1661-1667.
  8. Legat FJ et al (2002) Repeated subinflammatory ultraviolet B irradiation increases substance P and calcitonin gene-related peptide content and augments mustard oil-induced neurogenic inflammation in the skin of rats. Neurosci Lett 329:309-313.
  9. McLatchie LM et al. (1989) RAMPs regulate the transport and ligand specifity of the Calcitonin-receptor-like receptor. Nature 393: 333-339
  10. Rosenfeld MG et al. (1983): Production of a novel neuropeptide encoded by the calcitonin gene via tissue specific RNA processing. Nature 304: 129–135.
  11. Russel FA et al. (2014) Calcitonin gene-related peptide: physiology and pathophysiology. Physiol Rev 94: 1099-1142
  12. Tepper SJ et al. (2008) Clinical and preclinical rationale for CGRP-receptor antagonists in the treatment of migraine. In: Headache 48: 1259–1268.
  13. Tsianakas A et al. (2016) Pruritus bei Psoriasis : Profil und Therapie Hautarzt 67:601-605. d
  14. Wimalawansa SJ (1996). Calcitonin gene-related peptide and its receptors: molecular genetics, physiology, pathophysiology, and therapeutic potentials. Endocrinol Rev 17: 533–585.

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