Synonym(e)
Definition
Botulismus ist eine seltene, durch Neurotoxine verursachte, lebensbedrohliche Krankheit, die durch eine schlaffe, absteigende Lähmung gekennzeichnet ist, die mit Lähmungen der Hirnnerven beginnt und zu Schwäche in den Extremitäten und Atemstillstand führen kann. Verantwortlich sind 4 verschiedene Neurotoxine (Typ A, B E, F) von Clostridium botulinum.
Vorkommen/Epidemiologie
In den westlichen Industrieländern seltene Erkrankung (Deutschland < 10 registrierte Fälle/J.); gefürchtet als Biowaffe.
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Ätiopathogenese
Clostridium botulinum: Anaerobe, Gas-/Sporen bildende Bakterien. Die hitzeresistenten Sporen sind weit verbreitet. Sie können unter Luftabschluss auskeimen und Toxine bilden. Eine Exposition gegenüber dem Neurotoxin erfolgt durch die Aufnahme des Toxins (durch Lebensmittel übertragener Botulismus), durch bakterielle Besiedlung einer Wunde (Wundbotulismus) oder des Darms (Säuglingsbotulismus und Botulismus durch Darmbesiedlung bei Erwachsenen) sowie durch kosmetische oder therapeutische Injektionen des Toxins in hoher Konzentration (iatrogener Botulismus). Die Toxine sind durch 15minütiges Erhitzen auf 100°C inaktivierbar. Verdächtig sind stets vorgewölbte (bombierte) Konservendosen! Kontaminierte Nahrung ist ansonsten unauffällig.
Das Botulinum-Neurotoxin hemmt die Acetylcholinfreisetzung an der neuromuskulären Verbindung hemmt, wird von dem anaeroben, grampositiven Bakterium Clostridium botulinum und selten von verwandten Arten (C. baratii und C. butyricum) produziert.
Pathophysiologie
Botulinum-Toxin Typ A (BoNT) ist der primäre Virulenzfaktor und der Erreger von Botulismus. Das BoNT, das als die stärkste bekannte biologische Substanz gilt, ist eine Zink-Metalloprotease, die spezifisch SNARE-Proteine an neuromuskulären Endplatten spaltet und so die Exozytose von Neurotransmittern verhindert, was zu einer Muskellähmung führt.
BoNT wird heute zur Behandlung zahlreicher Erkrankungen eingesetzt, die durch überaktive oder spastische Muskeln verursacht werden, und wird aufgrund seiner hohen Spezifität und der äußerst geringen Dosen, die für eine lang anhaltende pharmakologische Wirkung erforderlich sind, in großem Umfang in der Kosmetikindustrie eingesetzt (s.u. Botulinumtoxin A). Darüber hinaus ist die Fähigkeit zur Bildung von Endosporen für die Pathogenität der Bakterien von entscheidender Bedeutung. Die Übertragung von Krankheiten wird oft durch die metabolisch inaktiven Sporen erleichtert, die sehr widerstandsfähig gegen Umweltbelastungen sind und unter ungünstigen Bedingungen in der Umwelt überdauern können. Infektionen mit Botulismus bei Säuglingen und Wundbotulismus werden durch die Keimung der Sporen zu Neurotoxin produzierenden vegetativen Zellen ausgelöst, während lebensmittelbedingter Botulismus auf die Aufnahme von bereits gebildetem BoNT zurückzuführen ist.
Borulinumsporen könnten als bioterroristische Waffen eingesetzt werden. Hierbei könnte es durch absichtliche Kontamination von Lebensmitteln oder Getränken oder durch Aerosolbildung zu einer Toxinexposition kommt. Die neurologischen Symptome sind unabhängig vom Expositionsweg ähnlich. Die Behandlung umfasst unterstützende Pflege, Intubation und mechanische Beatmung, falls erforderlich, sowie die Verabreichung von Botulinum-Antitoxin. Bestimmte neurologische Erkrankungen (z Vor der Veröffentlichung dieser Leitlinien gab es keine umfassenden klinischen Behandlungsleitlinien für die Behandlung von Botulismus (Rawson AM et al. 2023).
Klinisches Bild
Beginn mit gastrointestinalen Beschwerden (Übelkeit, Erbrechen u.a.); dann Ausbildung von peri-pheren Lähmungen: Zuerst an den Hirnnerven mit Pupillenlähmung (weite Pupillen), Doppelsehen, Ptosis, Dysarthrie u./o. Dysphagie. Die Paresen können innerhalb von Stunden bis Tagen nach kaudal fortschreiten und eine Atemlähmung verursachen. Ferner Mundtrockenheit, Obstipation, evtl. paralytischer Ileus, Harnverhaltung. Typischerweise fehlen Sensibilitätsstörungen, Bewusstseinsveränderungen oder Fieber.
Diagnose
Typische Klinik mit einer plötzlich eintretenden neurologischen Symptomatik (evtl. bei mehreren Personen) nach Verzehr von (privat) Ein-gemachtem oder Geräuchertem.
Nachweis von Botulinum-Toxin in Nahrungsresten, Erbrochenem, Magensaft, Stuhl oder Serum.
Möglich bei Wundbotulismus ist das Züchgten der Erreger aus Wundkulturen.
Differentialdiagnose
Myasthenia gravis (Edrophoniumchlorid-Test u.a.), Diphtherie, Poliomyelitis, Atropinvergiftung, Schlaganfall u.a.
Therapie
Toxineliminierung aus dem Magen-Darm-Trakt (Magen-Darm-Entleerung). Schon bei V.a. Nahrungsmittelbotulismus sollte so schnell wie möglich nach den Laborprobenentnahmen Antitoxin vom Pferd gegeben werden, welches die noch frei im Serum zirkulierenden Toxine bindet (vorher Konjunktivaltest zum Ausschluss einer allergischen Reaktion).
Bei Wundbotulismus chirurgische Sanierung und Penicillin. Symptomatisch: z.B. Maschinelle Beatmung bei Atemlähmung
Verlauf/Prognose
Letalität bei Nahrungsmittelbotulismus unter intensivmedizinischer Behandlung < 10 %, unbehandelt bis 70 %.
Prophylaxe
Vakuumverpackte Lebensmittel kühl lagern (< 8°C keine Keimvermehrung). Fleisch sollte beim Konservieren stets 2 x erhitzt werden (zur Inaktivierung von Sporen). Da Honig eine Quelle von Säuglingsbotulismus sein kann, sollten Kinder < 1 J. keinen Honig erhalten. Verfallsdaten beachten, 15 Min. Kochen bei 100°C zerstört das Toxin.
Hinweis(e)
Eine evidenzbasierte Leitlinie bietet Gesundheitsdienstleistern empfohlene bewährte Verfahren für die Diagnose, Überwachung und Behandlung von Einzelfällen oder Ausbrüchen von lebensmittelbedingtem, Wund- und Inhalationsbotulismus und wurden nach einem mehrjährigen Prozess entwickelt mit mehreren systematischen Überprüfungen (Rao AK et al. 2021)
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
- Czerwiński M et al. (2023) Foodborne botulism in Poland in 2018-2021. Przegl Epidemiol 77:233-240.
- Rao AK et al. (2021) Clinical Guidelines for Diagnosis and Treatment of Botulism, 2021. MMWR Recomm Rep 70:1-30.
- Rawson AM et al. (2023) Pathogenicity and virulence of Clostridium botulinum. Virulence 14:2205251.
Weiterführende Artikel (1)
Botulinumtoxin A;Disclaimer
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