Basis-/Boluskonzept

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 22.08.2024

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Erstbeschreiber

Synonyme

Therapie nach dem Basis- Bolus- Prinzip; NIS (nahe- normoglykämische Insulinsubstitution); FIT (funktionelle Insulintherapie); intensivierte konventionelle Insulintherapie; flexible Insulintherapie; funktionelle Insulintherapie; kontinuierliche subkutane Insulininfusion; CSII;

 

 

Erstbeschreiber

Die österreichische Diabetologin Kinga Howorka beschrieb 1983 die NIS (nahe- normoglykämische Insulinsubstitution). Da diese Bezeichnung nicht 100 % ig zutreffend war, verwandte man ab ca. 1989 den Begriff „Funktionelle Insulinbehandlung“ (Howorka 1996).

 

Bereits im Jahre 1963 entwickelte der Arzt Arnold Kadish in Los Angeles den „Mill Hill Infusor“, eine Insulin- und Glukagonpumpe, die über eine i. v.- Zufuhr verfügte. Sie hatte noch die Ausmaße eines Rucksacks und war wegen des Infektionsrisikos für den Alltagsgebrauch nicht verwendbar (Thomas 2010).

Mitte der 70 er Jahre entwickelten Forscher aus Großbritannien kleine Spritzenpumpen, die Insulin oder andere Medikamente s. c. in konstanter Menge zuführen konnten.

Anfang der 80 er Jahre kamen spezielle Insulinpumpen in Deutschland auf den Markt wie z. B. 1980 die sog. CPI 9100, die erstmals über eine programmierbare Basalrate verfügte. 

Den Durchbruch brachte der Hoechst- Infusor MRSI mit einer 24- stufigen Basalrate. Die Programmierung der Basalraten fand zunächst noch über ein externes Programmiergerät in der Praxis statt (Thomas 2010).

Ende der 90 er Jahre wurde eine Pumpe entwickelt, die verschiedene Bolus- Optionen aufwies, eine direkte Verbindung mit einem Blutzuckermessgerät hatte bzw. optional mit einem kontinuierlichen Glukosemonitoring verbunden werden konnte: die auch heute verwendete CSII (Thomas 2010).

 

 

Definition

Unter einem Basis- Boluskonzept versteht man eine besondere Form der Insulintherapie, die sich an der Aufgliederung des Insulinspiegels eines Gesunden in Basalrate und zusätzliche Bolusgaben zu den Mahlzeiten orientiert (Herold 2021).

Einteilung

Das Basis- Boluskonzept zählt zur intensivierten Insulintherapie. Es ist durch 2 verschiedene Formen praktisch umsetzbar:

intensivierte konventionelle Insulintherapie (ICT)

- Insulinpumpentherapie (Herold 2021)

Allgemeine Information

Pharmakokinetik

s. intensivierte konventionelle Insulintherapie (ICT) und

Insulinpumpentherapie.

 

 

Indikationen 

ICT

  •  Diabetes Typ 1
  •  Diabetes Typ 2
    •  im Rahmen der Dreifach- Therapie
    •  bei den – im angelsächsischen Sprachraum - als  5-S Situationen beschriebener Konstellation wird beim Typ 2 ICT empfohlen:
      •  schwere Hyperglykämien
      •  symptomatischer Diabetes
      •  akute oder chronische Komorbidität
      •  besondere Situationen wie z. B. 
        •  Schwangerschaft
        •  Kindheit
        •  Jugend
      •  sekundärem Diabetes mellitus z. B.:
        •  medikamenteninduziert
        •  bei endokrinen Störungen 

(Priya 2020)

Für weitere ausführliche Angaben s.  intensivierte konventionelle Insulintherapie (ICT)

 

Indikationen

Insulinpumpentherapie:

  •  Typ 1 Diabetes mellitus
  •  Schwangerschaft (Herold 2021)
  •  Kleinkinder (Kapellen 2013)
  •  drohende Spätkomplikationen eines DM
  •  Wunsch nach Progressionshemmung
  •  Dawn- Phänomen (Herold 2021)
  •  gehäufte nächtliche Hypoglykämien (Lehnert 2010)
  •  Störungen bei der Wahrnehmung von Hypoglykämien
  •  Wunsch des Patienten nach einer flexiblen Therapie z. B. wegen Wechselschicht, gehäuftem Reisen über verschiedene Zeitzonen, Leistungssport etc. (Herold 2021)
  •  insulinpflichtiger Typ 2 Diabetes mellitus (Rotbard 2017)
  • mit ICT nur unzureichende BZ- Einstellung möglich
  •  Kinderwunsch
  •  diabetische Nephropathie (Lehnert 2010)

Für weitere ausführliche Angaben s. Insulinpumpentherapie.

 

Dosierung und Art der Anwendung

s. intensivierte konventionelle Insulintherapie (ICT) bzw. Insulinpumpentherapie

 

Präparate

ICT:

Als Basal- Insuline: Semilente MC- Insulin (Hürter 2001), Lantus, Levemir (Schmeisl 2019), Biosimilar Abasaglar, Toujeo, Tresiba (Herold 2021)

Als Bolus- Insuline: Actraphane 30, Humaninsulin Profil III, Humalog Mix 25, Insuman Comb 25, Novomix 30 (Herold 2021), Humalog Lilly, NovoRapid (Hürter 2001)

 

Insulinpumpentherapie:

(Alawi 2019)

Für weitere ausführliche Angaben s. Insulinpumpentherapie.

Hinweis(e)

ICT:

Durch die ICT können bei Typ 1 Diabetiker bis zu 80 % der Folgeschäden verringert werden (Schmeisl 2019).

Vorteile der ICT sind:

  •  hinsichtlich der Essgewohnheiten besteht eine hohe Flexibilität (Bundesärztekammer 2021)

Als nachteilig werden oft empfunden: 

  •  die mehrmals täglichen Insulininjektionen 
  •  die Notwendigkeit der mehrmaligen Blutzuckerkontrolle täglich (Priya 2020)
  •  Gewichtszunahme
  •  höchste Neigung zur Hypoglykämie verglichen mit allen anderen Insulintherapien beim Typ 2 Diabetiker
  •  hoher Schulungsaufwand
  •  schwierige Handhabung (Bundesärztekammer 2021)

 

Insulinpumpentherapie

Durch Einsatz einer Insulinpumpentherapie

  • reduziert sich der Insulinbedarf um 30 – 50 % (Herold 2021).
  •  findet sich eine signifikante Reduktion der Hypoglykämien (Evidenz von > 0,4 % [Haak 2018])
  •  lässt sich laut Metaanalyse eine Senkung des HbA1c- Wertes von 0,51 % erreichen (Lehnert 2010)
  •  besteht laut Studien ein (geringes) Risiko einer relevanten Ketoazidose (Pala 2019), welches laut Studien bei 0,04 Ereignissen pro Patientenjahr liegt (Lehnert 2010)
  •  eine Gewichtszunahme als Folge der Therapie findet sich nicht (Haak 2018)
  •  die kardiovaskuläre Mortalität sinkt (Haak 2018)

 

 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Alawi H et al. (2019) Insulinarten und Insulinwirkung. Ascensia DiabetesKolleg Advisory Board 2019
  2. Bundesärztekammer (2021) Nationale Versorgungsleitlinie Typ 2 Diabetes. AWMF- Register Nr.: nvl-001
  3. Haak T et al. (2018) S3-Leitlinie Therapie des Typ-1-Diabetes. AWMF-Registernummer: 057-013 
  4. Herold G et al. (2020) Innere Medizin. Herold Verlag 739 - 742
  5. Howorka K (1983) Funktionelle Insulintherapie: Lehrinhalte, Praxis und Didaktik. Springer Verlag Berlin / Heidelberg New York 7
  6. Hürter P et al. (2006) Kompendium pädiatrische Diabetologie. Springer Verlag 214 – 219, 241 – 243, 403
  7. Kapellen T M et al. (2013) Children and adolescents with type 1 diabetes in Germany are more overweight than healthy controls: results comparing DPV database and CrescNet database. Journal of Pediatric Endocrinology and Metabolism.https://doi.org/10.1515/jpem-2013-0381
  8. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 2411 – 2412, 2415 – 24
  9. Lehnert H et al. (2010) Rationelle Diagnostik und Therapie in Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 363 - 364
  10. Priya G et al. (2020) Initiation of basal bolus insulin therapy. J Pak Med Assoc. 70 (8) 1462 - 1467
  11. Rotbard D (2017) Continuous Glucose Monitoring: A Review of Recent Studies Demonstrating Improved Glycemic Outcomes. Diabetes Technology and Therapeutics Vol. 19 No. S3. doi.org/10.1089/dia.2017.0035 
  12. Schmeisl G W (2019) Schulungsbuch Diabetes. Elsevier Urban und Fischer Verlag 53, 81 - 83, 204, 271T
  13. Thomas A (2010) Vom „Rucksack“ zur Insulinpumpentherapie: Geschichte der Insulinpumpentherapie. Diabetes und Technologie 8 - 9
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