Erstbeschreiber
- Synonyme
Alpha- Glucosidase- Inhibitoren;
Erstbeschreiber
In den 70er Jahren schlugen Puls et al. vor, bei Diabetikern den postprandialen Blutzucker durch Hemmung der Alpha- Glucosidase zu senken. Daraufhin wurde der Enzyminhibitor Acarbose entwickelt. In Tierversuchen mit Ratten zeigtendiese eine deutliche Zunahme maligner Tumoren der ableitenden Harnwege, weshalb die weitere Forschung zum Erliegen kam. Erst nachdem der Verdacht auf eine Karzinogenität durch mehrere Studien ausgeräumt werden konnte, fand die Erprobung am Menschen statt (Mehnert 2003).
Die Zulassung erfolgte in Deutschland 1990 mit dem Medikament „Acarbose“. Ein weiterer Vertreter des Wirkprinzips ist das „Miglitol“, welches 1998 auf den Markt kam (Mehnert 2003).
Die Alpha- Glukosidasehemmer haben sowohl in Deutschland als auch in den USA eine sehr begrenzte Bedeutung (Herold 2020), da bislang keinerlei Endpunktstudien vorliegen (Fischer 2007). In der für die Diabetesbehandlung bedeutendsten Studie UKPDS (UK Prospective Diabetes Study) wurden ebenfalls sowohl für Acarbose als auch fürMiglitol keine Daten erhoben (Oberdisse 2002).
Definition
Bei den Alpha- Glukosidasehemmern handelt es sich um einen intestinalen Enzyminhibitor, der die Alpha- Glucosidase im Darm hemmt und dadurch den Abbau von Kohlenhydraten verzögert und die Resorption von Glukose verlangsamt (Steinbeck 2005).
Alpha- Glukosidasehemmer sind nicht- insulinotrop, bewirken keine Gewichtszunahme (Fischer 2007) und haben ein niedriges Glukoserisiko (Herold 2020).
Acarbose wird lediglich zu ca. 2 % im Darm resorbiert. Die Ausscheidung erfolgt über die Niere (Mehnert 2003). Miglitol hingegen wird im Dünndarm resorbiert (Frölich 2000) und ebenfalls über die Niere ausgeschieden (Oberdisse 2002).
Allgemeine Information
Pharmakodynamik (Wirkung)
- hemmen Alpha- Glukosidase in der Dünndarmmukosa und verzögern dadurch die Aufspaltung komplexer Kohlenhydrate (Diederich 2020)
- postprandialer BZ- Anstieg wird vermindert (Herold 2020)
- Senkung des HbA1c- Wertes ist weniger ausgeprägt als bei anderen oralen Antidiabetika (Kasper 2015)
Alpha- Glukosidasehemmer beeinflussen weder die Verwertung von Glukose noch die Insulinsekretion. Sie senken unmittelbar nach Therapiebeginn den Plasma- Glukosegehalt (Kasper 2015).
Bislang ist eine zwischenzeitlich vermutete Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse nicht eindeutig erwiesen (Diederich 2020).
Indikation
Die Indikation ist gegeben:
- zur Reduktion des postprandialen BZ bei Typ 1 und Typ 2 Diabetikern (Kasper 2015). Die bevorzugte Anwendung findet sich bei Typ 2 DM (Dellas 2018).
Kombiniert werden kann Acarbose mit allen oralen Antidiabetika und mit Insulin (Ludwig 2020), Miglitol lediglich mit Metformin und Sulfonylharnstoffen. Bei der Kombination mit Insulin zeigten sich hierbei signifikante Senkungen des HbA1c- Wertes und des postprandialen Blutzuckers mit Gefahr schwerer Hypoglykämien (Frölich 2000).
Alpha- Glukosidasehemmer sind bereits zur Initialtherapie des Typ 2 DM geeignet, da sie die Hyperinsulinämie nicht verstärken (Steinbeck 2005).
Da Alpha- Glukosidasehemmer nur Sondersituationen vorbehalten sind, werden sie im Rahmen der Leitlinien nicht näher betrachtet (Bundesärztekammer 2021).
Dosierung und Art der Anwendung
Steinbeck (2005) empfiehlt initial die Monotherapie. Erst später ist die Kombination mit oralen Antidiabetika bzw. Insulin angezeigt.
Die Dosierung sollte einschleichend erfolgen (Herold 2020). Alpha- Glukosidasehemmer sind kurz vor Beginn der Mahlzeit einzunehmen, zu Beginn der Behandlung ausschließlich abends. Eine Steigerung auf die Maximaldosis istlangsam über Wochen oder Monate zu empfeheln (Kasper 2015).
Dosierungsempfehlung:
- Acarbose 1 – 3 x 50 mg / d (Diederich 2020)
Die Maximaldosis liegt i. d. R. bei 3 x 50 mg / d (höhere Dosierung bewirkt vermehrt Nebenwirkungen). Mitunter tolerieren Patienten aber auch Dosen von bis zu maximal 300 mg / d.
(Herold 2020 / Diederich 2020)
Falls unter der Maximaldosis der HbA1c- Wert nicht ausreichend gesenkt werden kann, empfiehlt sich die Kombination (s. a. „Indikation“) mit anderen oralen Antidiabetika (Mehnert 2003).
Unerwünschte Wirkungen
Die unerwünschten Wirkungen sind stark dosisabhängig wie z. B.:
- Meteorismus
- Flatulenz
- Anstieg der Leberenzyme (Herold 2020)
Ein Anstieg der Leberenzyme wurde erst ab einer Dosierung von > 600 mg / d in den USA und Israel beobachtet(Mehnert 2003)
- Diarrhoen (durch bakteriellen Abbau der Kohlenhydrate im Kolon [Dellas 2018])
- Hypoglykämien sind ausschließlich in der Kombinationstherapie möglich (cave: Diese können nicht mit Disacchariden wie z. B. Haushaltszucker behandelt werden! [Dellas 2018]). Der Patient sollte diesbezüglich unbedingt aufgeklärt werden und stets Traubenzucker mit sich führen (Mehnert 2003).
Gastrointestinale Nebenwirkungen sind sehr häufig und führen nicht selten zum Abbruch der Therapie (Ludwig 2020).
Kontraindikation
- Patienten < 18 Jahren
- Schwangerschaft
- Patienten mit chronischen Darmerkrankungen (Herold 2020)
- Malassimilation
- Stoffwechselentgleisungen (Steinbeck 2005)
- Hernien
- Ileus / Subileus (Hien 2013)
- Für Miglitol:
- Niereninsuffizienz (Oberdisse 2002)
Wechselwirkungen
Alpha- Glucosidase- Inhibitoren können den Sulfonylharnstoff- Spiegel erhöhen und damit die Gefahr von Hypoglykämien verstärken. U. U. ist hierbei die frühzeitige Dosisreduktion der Sulfonylharnstoffe angezeigt.
Eine gleichzeitige Behandlung mit Antazida und Gallensäureharzen sollte vermieden werden (Kasper 2015).
Präparate
- Acarbose (Herold 2020)
Handelsname: Glucobay ® (Steinbeck 2005)
- Miglitol (Ludwig 2020)
Handelsname: Diastabol ®
Beide Präparate sind in Tablettenform zu 50 oder 100 mg verfügbar (Steinbeck 2005)
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
- Bahrmann A et al. (2018) S2k- Leitlinie Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Alter. 2. Auflage AWMF-Registernummer: 057-017
- Bundesärztekammer (2021) Nationale Versorgungsleitlinien: Typ- 2- Diabetes. AWMF- Register- Nr. nvl-001
- Dellas C (2018) Kurzlehrbuch Pharmakologie. Elsevier Urban und Fischer Verlag 161
- Diederich S et al. (2020) Referenz Endokrinologie und Diabetologie. Georg Thieme Verlag Stuttgart 491
- Fischer S (2007) Aktuelle leitliniengerechte Therapie des Diabetes mellitus. Ars Medici (12) 605 - 616
- Frölich J C et al. (2000) Praktische Arzneitherapie. Springer Verlag Heidelberg 471
- Herold G et al. (2020) Innere Medizin. Herold Verlag 733
- Hien P et al. (2013) Therapie des Typ- 2- Diabetes mellitus. In: Diabetes Handbuch Springer Verlag Berlin – Heidelberghttps://doi.org/10.1007/978-3-642-34944-7_21
- Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 2415 - 2416
- Ludwig M (2020) Repetitorium Facharztprüfung Innere Medizin. Elsevier Urban und Fischer Verlag 180
- Mehnert H et al. (2003) Diabetologie in Klinik und Praxis. Thieme Verlag Stuttgart 211 – 218
- Oberdisse E et al. (2002) Pharmakologie und Toxikologie. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 545
- Steinbeck G et al. (2005) Therapie innerer Krankheiten. Springer Verlag Heidelberg 877