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Zuletzt aktualisiert am: 21.08.2024

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Definition

„Schwarze“und „weiße“ Haut unterscheidet sich anatomisch aber nicht nur durch den Gehalt und das Verhältnis von Eu- und Phäomelanin. Die elastischen Fasern sind bei erster spärlicher, Elastose praktisch nie vorhanden, dafür aber sind die Fibroblasten größer und zahlreicher als in weißer Haut, die Dermis ist dicker und kompakter. Die größere Fibroblasten-Aktivität ist für die viel stärkere Neigung zu Keloiden verantwortlich. In der ‚Skin Clinic‘ in Mbarara sieht man jeden Tag Patienten mit Keloiden mit häufig monströsen Ausmaßen.

Eine weitere sehr häufige Dermatose, die bei uns völlig unbekannt ist und offenbar mit der Verwendung von Paraffin-Salben zusammenhängt, ist die Dermatitis cruris pustulosa et atrophicans (DCPA). Von meinen ugandischen Kollegen wird sie auch als ‚Vaseline-Dermatitis‘ bezeichnet. Es handelt sich dabei um eine im Bereich der Unterschenkel (vor allem prätibial), seltener auch der Unterarme auftretende hochchronische follikuläre Entzündung, die zu narbig-atrophisierendem Haarverlust führt.

Dass die Einfettung der Haut mit wasserfreien Mineralölen so weit verbreitet ist, liegt daran, dass diese erschwinglich sind in einem Land, in dem die meisten Menschen zwischen 200 und 300 Euro pro Monat verdienen (wenn sie denn Arbeit haben). Ö/W-Produkte, also Cremes oder Lotionen, idealerweise Urea- oder Glycerin-haltig oder sogar auf Pflanzenöl-Basis, sind zwar in den Supermärkten der größeren Städte erhältlich, aber allesamt importiert und sogar teurer als bei uns in Deutschland (zum Beispiel Nivea®, Mixa®, Cetaphil®). Empfehlungen, diese statt der Fettsalben zu nutzen, laufen daher ins Leere.

Ein zunehmendes Problem in Uganda, ebenso wie in vielen anderen afrikanischen Ländern, ist die Verwendung sogenannter Bleichcremes, ein trauriges Resultat des kolonialen Erbes, das in den Afrikanern die vermeintliche Höherwertigkeit weißer Haut tief im Bewusstsein verankert hat. Dr. Simon Okongo, Assistenzarzt im 3. Ausbildungsjahr, befragte hunderte Patientinnen der ‚Skin Clinic‘, welche Hautpflegeprodukte sie verwenden, indem er ihnen Plakate mit allen gängigen Präparaten zur Hautaufhellung zeigte.

Mehr als 40 Prozent gaben an, eines davon zu benutzen. Diese enthalten Hydrochinon in verschiedenen Stärken, teils Quecksilber und fast durchweg topische Steroide, meist Clobetasol. Die Folge sind neben unregelmäßigen Hypopigmentierungen (die Haut der Augenlider, Schläfen, über Gelenken bleibt dunkler) Steroid-induzierte Rosacea mit Papulopusteln, Erytheme und periorale Dermatitis sowie die externe Ochronose. Die Produkte werden in Uganda aggressiv beworben auf Plakaten, im Radio und in Fernsehspots. Dass es auch anders geht, zeigt das kleine strenge Muster-Nachbarland Ruanda: Dort existiert seit 2018 ein Verkaufs- und Werbeverbot für diese Produkte, und auch in zum Beispiel Kenia und Ghana gibt es Restriktionen. In all diesen Ländern existiert allerdings ein reger Schwarzmarkt, trotz harter Sanktionen.

Vermeidbar wären auch die sehr zahlreichen Hautreaktionen, die durch die Anwendung der sogenannten traditionellen Medizin entstehen. In Uganda gibt es in jedem noch so kleinen Dorf mindestens einen sogenannten Herbalist, während auf ca. 20 000 Einwohnern nur einziger Arzt bzw. eine Ärztin kommt (zum Vergleich: in Deutschland sind es 75). Hauterkrankungen werden von diesen Heilern mit Kräutermischungen und -pasten therapiert, die oft schwere toxische Kontaktdermatitiden verursachen. Die Frage nach einer Vorbehandlung mit sogenannten ‚herbal drugs‘ gehört routinemäßig zur Anamnese in der ‚Skin Clinic‘, wird aber von den Patienten oft nicht zugegeben.

In Uganda sehe ich während meines drei- bis vierwöchigen Einsatzes mehr unerwünschte und teils schwere Hautreaktionen auf Arzneimittel als in Deutschland in einem Jahr, angefangen von fixen toxischen Arzneiexanthemen über phototoxische und allergische Reaktionen, Vaskulitiden, Arzneiexanthemen aller Schweregrade bis hin zum Stevens-Johnson- und zum Lyell-Syndrom. Grund dafür ist die völlig unkritische und unreflektierte Polypharmazie.

Da in den meisten ‚Health Centers‘ (in etwa vergleichbar mit Praxen für die primärmedizinische Versorgung) keine Ärzte, sondern nur sogenannte ‚clinical officers‘ ohne akademische Ausbildung arbeiten und kaum diagnostische Verfahren verfügbar sind, werden anhand von Flow-Charts symptomatisch für fast jedes Leiden mehrere Medikamente verordnet, zum Beispiel bei Bauchschmerzen ein Antibiotikum, ein Wurmmittel und ein Spasmolytikum. Aber auch Ärzte rezeptieren sehr leichtfertig, ohne sich über Nebenwirkungen Gedanken zu machen.

Eine 20-jährige Psychiatrie-Patientin mit schwerstem hämorrhagischem Arzneiexanthem durch Carbamazepin war zum Beispiel mit vier verschiedenen Psychopharmaka gleichzeitig behandelt worden.

Bei Psoriasis wird rasch zu Methotrexat gegriffen, dem einzigen in Uganda verfügbaren Systemtherapeutikum, unabhängig vom Alter des Patienten bzw. der Patientin. Falls er oder sie aber nicht das Glück hat, in der ‚Skin Clinic‘ oder bei einem beziehungsweise einer der etwa 10 ugandischen Dermatologen zu landen, lautet die Verordnung mit Sicherheit Griseofulvin und/oder Prednisolon. Eine Verschreibungspflicht gibt es nicht, so dass in Apotheken jede Arznei unkontrolliert verkauft werden kann.

Das ist die eine Seite der Medaille – auf der anderen Seite sind moderne Medikamente nicht verfügbar, so dass zum Beispiel an eine adäquate Therapie maligner Tumoren gar nicht zu denken ist. Eine Ausnahme sind lediglich HIV-Therapeutika und Malaria-Medikamente, die von der WHO zur Verfügung gestellt werden. Viele Hautprobleme und -krankheiten in Uganda sind also hausgemacht. Aufklärung und Information der Bevölkerung sind ebenso wichtig wie spezifische Therapie, treffen jedoch leider oft auf Unverständnis und Widerstand.

Neben den beschriebenen und weitgehend vermeidbaren Hautkrankheiten nehmen entzündliche und infektiöse Dermatosen einen sehr breiten Raum ein. Vor allem Ekzeme aller Art sind genau wie bei uns überaus häufig. Dabei fällt auf, dass vor allem in atopischen Ekzemen sehr oft gleichzeitig eine Keratosis follicularis besteht. Bei Kleinkindern sieht man häufig eine Prurigo simplex acuta infantum, die in Uganda als pruritic papular eruption (PPE) bezeichnet wird und bei der man fließende Übergänge zur superinfizierten atopischen Dermatitis beobachten kann. Wahrscheinlich sind hiervon Kinder mit atopischer Disposition bevorzugt betroffen.

An Psoriasis leiden ebenfalls viele Patienten, obwohl in der Literatur teilweise eine geringere Prävalenz als bei Weißen beschrieben ist. Studien anhand größerer repräsentativer Populationen beziehen sich aber überwiegend auf ‚African Americans‘. Aus afrikanischen Ländern existieren nur wenige Untersuchungen, vor allem aus den 70er Jahren, in denen zum Beispiel für Uganda und Tansania eine Prävalenz von 2,8 beziehungsweise 3,3 Prozent anhand klinischer Daten geschätzt wurde (also vergleichbar wie bei uns), für Nigeria dagegen nur von 0,09 Prozent (Auswertung klinischer Befunde von 5459 Patient).

Hinter solche Erhebungen muss man natürlich ein großes Fragezeichen setzen. Einen PASI kann man in der für die weiße Haut etablierten Form nicht bestimmen. Hat man sich erst einmal ein wenig in die dunkle Haut ‚eingesehen‘, ist die Diagnose trotz des fehlenden Rottons der Effloreszenzen nicht schwierig: die scharfe Begrenzung der Plaques, die silbrig-groblamelläre Schuppung, die Prädilektionsstellen sind identisch wie bei unserer weißen Patientenklientel und die Psoriasis-Phänomene sind ebenso auslösbar. Ähnlich ist es beim Lichen ruber, den man ebenfalls regelmäßig sieht. Pityriasis rosea ist sehr häufig; wahrscheinlich liegt das an der anderen Altersstruktur in Uganda:

Die Hälfte der ugandischen Bevölkerung ist unter 15 Jahren alt.

Bei einer Urticaria muss man immer an eine zugrundeliegende Wurmerkrankung denken; meist wird ohne weitere Diagnostik mit einem Anthelminthikum therapiert.

Was die infektiösen Erkrankungen anbelangt, kommen bakterielle Infektionen, vor allem Impetigo und impetiginisierte Ekzeme, häufiger vor als in Deutschland. Der Grund ist neben den vielfach prekären hygienischen Verhältnissen sicher auch hier das jüngere Alter der Patienten, denn Impetigo betrifft nun einmal meist Kinder. Resistenzen gegenüber Antibiotika sind ein großes Problem, werden jedoch viel zu wenig beachtet, weil die mikrobiologische Diagnostik unterentwickelt ist.

Eine 2017 bis 2019 durchgeführte Studie in Fort Portal im Westen von Uganda zeigte, dass 73 Prozent der Staphylococcus aureus-Isolate gegenüber mindestens einem der folgenden Antibiotika resistent sind: Tetrazyklin, Cotrimoxazol, Erythromycin und Ciprofloxacin. In einer 2014 veröffentlichten Studie aus der Klinik in Mbarara wurden in 36 Prozent Resistenzen gegenüber Clindamycin gefunden. Mit Blick auf die Scabies hat Deutschland Uganda inzwischen eingeholt, so mein Eindruck. Permethrin-Creme und Ivermectin sind erhältlich, aber recht teuer, so dass vielfach mit Benzylbenzoat oder aber mit Schwefel-haltigen Salben behandelt wird.

Bei den Pilzerkrankungen steht die Tinea capitis ganz im Vordergrund; sehr viele Kinder leiden daran. In der Pubertät kann sie folgenlos abheilen, sie kann aber auch zu schwerer narbiger Alopezie führen. Der Zusammenarbeit von Dr. Peter Mugisha aus der ‚Skin Clinic‘ in Mbarara, der im Jahr 2020 tragischerweise an einer COVID-Pneumonie verstarb, mit Professor Pietro Nenoff und anderen ist es zu verdanken, dass Trichophyton violaceum als der häufigste Erreger identifiziert werden konnte.

HIV-Infektionen werden zunehmend beherrscht.

In Uganda ist es durch flächendeckende Testungen und den Zugang der Bevölkerung zu antiretroviraler Therapie und regelmäßigen Laboruntersuchungen gelungen, die Prävalenz der HIV-Infektionen auf circa 6 Prozent zu reduzieren. Dennoch kommen zahlreiche Patienten mit HIV-assoziierten Dermatosen in die ‚Skin Clinic‘, allen voran schweren seborrhoischen Ekzemen, Psoriasis, ausgedehnter Tinea corporis, schwersten Verläufen von Herpes zoster, mit Kaposi-Sarkomen und monströsen Kondylomen oder aber Verrucae planae des gesamten Integuments. Syphilis als Komorbidität ist ebenfalls häufig.

Mein Resümee

Durch meine Aufenthalte in Mbarara und die Erfahrungen in der ‚Skin Clinic‘ habe ich sehr viel gelernt und meinen dermatologischen Blick erweitert. Trotz aller dortigen Unzulänglichkeiten, der großen Armut und Rückständigkeit und des Chaos habe ich mich in das Land verliebt: in seine freundlichen, gelassenen, humorvollen Menschen, die vielen fröhlichen Kinder, das wunderbar warme Klima, die üppige Pflanzen- und Tierwelt und die großartigen Landschaften. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass unser Fach dort weiter an Bedeutung gewinnt, junge Dermatologinnen und Dermatologen eine berufliche Zukunft in ihrem Land finden und so die Versorgung von Patienten mit Hautkrankheiten langfristig verbessert wird."

(Dr. Claudia El Gammal, Siegen, im Dezember 2023, Literatur: bei der Verfasserin erhältlich)

Ich bedanke mich an dieser Stelle bei Dr. Claudia El Gammal für diese eindrücklichen, spannenden und außerordentlich erkenntnisreichen Eindrücke aus Mbarara, Uganda.

Wie immer verbleibe ich mit herzlichen und kollegialen Grüßen aus Oberitalien. Kommen Sie gut und gesund durch die neue Woche.

Ihr

Peter Altmeyer

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