Schwangerschaftscholestase O26.6
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Ahlfeld, 1883; Kehrer, 1907
Definition
Hormonell getriggerte, akute Erkrankung der Spätschwangerschaft mit reversibler Cholestase und begleitendem, massivem, nicht beherrschbarem Juckreiz ohne primäre Hauterscheinungen. Es bestehen lediglich Kratzexkoriationen.
Vorkommen/Epidemiologie
In Mitteleuropa bei 0,2-2,0% der Schwangerschaften auftretend; in Chile und Bolivien liegt die Inzidenz zwischen 9-28%, in China zwischen 1,2-6,0%. Die Inzidenz ist in den Wintermonaten höher als im Sommer (erniedrigte Vit. D-Konzentrationen sind als Risikofaktor beschrieben).
Ätiopathogenese
Möglicherweise besteht eine hereditäre Beeinträchtigung der Gallebildung durch Mutation von Transportmechanismen an der gallenkapillären Membran. Es wird eine Verwandtschaft mit der progressiven familiären intrahepatischen Cholestase vermutet, bei der der Phospholipidtransfer von der Innen- auf die Außenseite der Membran gestört ist, mit der Folge einer gestörten Bildung gemischter Mizellen in der Galle.
Es wurden bisher Defekte in mindestens 7 Genen nachgewiesen. So z.B. Mutationen des MDR3-Gens (kodiert für die Phosphatidylcholin-Translokase), des ABCB4-Gens (syn. MD3-Gen: multidrug resistance), des ATP8B1-Gens, des ABCB11-Gens (leberspezifischer Transporter, der Gallensäuren in den Gallenkanalikulus transportiert).
Auch eine Beteiligung der Gallensäuren-Exportpumpe (BSEP) wird angenommen. Der Übertritt der Gallensäuren im Serum bedingt den erheblichen Juckreiz.
Einige Autoren postulieren zusätzlich einen Selenmangel sowie eine erhöhte Darmpermeabilität (leaky gut) als Manifestationsfaktoren.
In einer größeren Registerstudie konnte ein Zusammenhang zwischen einer chronischen HCV-Infektion und dem Auftreten einer hepatischen Schwangerschaftscholestase aufzeigen (Marschall HU et al. 2013).
Manifestation
Meist im 3. Trimenon auftretend. Ältere Schwangere (>35Jahre) und Mulitipara sind häufiger betroffen.
Klinisches Bild
Labor
Leberwerte sind meist unauffällig. Stets erhöht sind die nüchtern abgenommenen Gesamtgallensäure im Serum (> 11 µmol/l [Normwert: 0-6 µmol/l]). Erhöht sein können gamma-GT, alkalische Phosphatase (bei Schwangerschaft immer erhöht, daher allein nicht aussagekräftig), Bilirubin (direkt). Hyperbilirubinämie in ca. 10-20%.
Histologie
Direkte Immunfluoreszenz
Komplikation(en)
Externe Therapie
Kaltes Abduschen bringt in vielen Fällen deutliche Erleichterung (ggf. mehrfach am Tage). Anschließend Auftragen Menthol- (Menthol-Creme 5%) oder Polidocanol-haltiger Externa (z.B. R200 R197 , Optiderm). Zeitweise Linderung bringen Polidocanol-haltige Schüttelmixturen oder Polyacrylgele. Insbes. bei der Gelgrundlage besteht ein angenehmer kühlender und juckreizlindernder Begleiteffekt. Falls diese Therapieansätze nicht erfolgreich sind, können niedrig dosierte (0,5%) Hydrocortison- Emulsionen eingesetzt werden R123 .
Bestrahlungstherapie
Interne Therapie
Ursodesoxycholsäure 15 mg/kg KG/Tag wird derzeit als Therapie der Wahl angesehen. (Off-Label-Use; nur bei primär biliärer Zirrhose zugelassen).
Bei Nichtansprechen auf Ursodesoxycholsäure kann Rifampicin als Zweitlinientherapie erwogen werden.
Bei sehr stark ausgeprägter Symptomatik ist nach dem 1. Trimenon unter strenger Indikationsstellung (Off-Label-Use) der Einsatz von Tranquilizern wie Diazepam 5-10 mg/Tag (z.B. 2mal/Tag 1 Tbl. Valium® 5) oder sedierenden Antihistaminika z.B. Hydroxyzin (Atarax) 25-75 mg/Tag zu erwägen.
Cave! Während der Perinatalphase sind diese Medikamente grundsätzlich abzusetzen!
Verlauf/Prognose
Schwinden des Juckreizes einige Tage nach der Entbindung, erneutes Auftreten in der nächsten Schwangerschaft ist möglich. Somit ist die Entbindung die kausale "Therapie" der Schwangerschaftscholestase. Das Rezidivrisiko für eine Schwangerschaftscholestase bei einer weiteren Schwangerschaft beträgt 45-70%. Das Gallensteinrisiko ist dreifach erhöht.
Literatur
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- Ambros-Rudolph CM (2010) Spezifische Schwangerschaftsdermatosen. Hautarzt 61: 1014-1020
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- Kehrer E (1907) Die Bedeutung des Ikterus in der Schwangerschaft für Mutter und Kind. Klinische und Experimentelle Untersuchungen. Arzh Gynek 81: 129
- Kemper T et al. (1989) Herpes gestationis bei Einnahme eines oralen Kontrazeptivums. Akt Dermatol 15: 121-123
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