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RattenbissfieberA25.90
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Place 1926
Definition
Rattenbissfieber, auch bekannt als Streptobazillose, Spirillenfieber, Bogger und epidemisches arthritisches Erythem, ist eine meldepflichtige (etwa 50% aller Ratten sind befallen), durch Bissverletzung von Nagetieren oder Tieren die sich von Nagetieren ernähren, auch durch verunreinigte Nahrungsmittel auf den Menschen übertragene, seltene, bakterielle Infektionskrankheit (Zoonose). Die Erkrankung führt zu einem systemischen Syndrom, das durch Fieber, Hautausschlag und migratorische Polyarthralgie gekennzeichnet ist. Unbehandelt liegt die Sterblichkeitsrate bei 10 %.
Erreger
Streptobacillus moniliformis, Streptobacillusnotomytis oder Spirillum minus (Spirillen-Rattenbissfieber).
Vorkommen/Epidemiologie
Die meisten Fälle treten in Japan auf, aber auch in den USA, Europa, Australien und Afrika wurde die Krankheit bereits beobachtet. Sie wird in der Regel durch einen Rattenbiss übertragen. In einigen Fällen reicht jedoch bereits der Kontakt mit dem Urin oder den Nasen-, Kot- oder Augensekreten eines infizierten Nagetiers aus. Rattenbissfieber kann auch durch Lebensmittel oder Wasser übertragen werden, die mit Kot oder Urin verunreinigt sind, oder durch Haustiere wie Hunde oder Katzen, die Nagetieren ausgesetzt waren.
Klinisches Bild
Allgemein: Inkubationszeit 1-5 Tage. Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Myalgien, Polyarthralgien.
Hautveränderungen: 2-3 Tage nach klinischer Manifestation morbilliformes, makulopapulöses, häufig hämorrhagisches Exanthem, vor allem an Extremitäten, Palmae und Plantae.
Bildgebung
Radiologische Daten deuten darauf hin, dass Rattenbissfieber Schäden an den Epiphysen und Akroepiphysen der Knochen verursachen kann, ähnlich wie bei Erfrierungen.
Histologie
Bei Verdacht auf Rattenbissfieber und bei negativen Kulturen kann eine Biopsie der Bissstelle durchgeführt werden, um den Organismus zu isolieren. Streptobacillus moniliformis ist ein filamentöser, stark pleomorpher, unbeweglicher gramnegativer Organismus. Unter dem Mikroskop kann er gerade erscheinen, aber einige unregelmäßige seitliche Knollen aufweisen. Die Bakterien können in Aggregaten oder Ketten vorkommen. Die Kolonien erscheinen in Kulturmedien wie „Wattebällchen“.
Aufgrund der relativ geringen Inzidenz und niedrigen Sterblichkeitsrate gibt es nur wenige Informationen über die Pathogenese von S. moniliformis. Der Organismus ist in der Lage, morphologische Befunde hervorzurufen, die nicht mit bakteriellen Infektionen in Verbindung gebracht werden. Bei einer Autopsie von Rattenbissfieber-Opfern wurden Erythrophagozytose, Hepatosplenomegalie, interstitielle Pneumonie, Lymphknotensinus-Hyperplasie, Endokarditis und Myokarditis sowie degenerative Veränderungen in den Nieren und der Leber festgestellt. Bei der Biopsie von Hautläsionen bei Rattenbissfieber wurde eine leukozytoklastische Vaskulitis nachgewiesen (s.Abb.).
Diagnose
Klinik mit Hinweis auf Bißverletzung (Trilogie aus : Fieber, Polyarthritis, polymorphes hämorrhagisches Exanthem).
Blutkultur
Differentialdiagnose
Externe Therapie
Interne Therapie
Systemische antibiotische Therapie mit Benzylpenicillin (z.B. Penicillin Grünenthal 1 Mega) 2mal 0,6 Mio. IE/Tag i.m. über 10-14 Tage, bei Komplikationen wie Endokarditis 5-20 Mio. IE/Tag i.v. über 28 Tage.
Alternativ bei Penicillin-Allergie: Erythromycin (z.B. Erythrocin 500 Neo Filmtbl.) 2 g/Tag p.o. in 2-4 ED oder Streptomycin 1 g/Tag i.m. (z.B. Streptomycin-Fatol).
Hinweis(e)
Rattenbissfieber, das durch Streptobacillus moniliformis verursacht wird, ist eine systemische Erkrankung, die sich klassischerweise durch Fieber, Rigor und Polyarthralgien auszeichnet. Leider führt die unspezifische Erstpräsentation in Kombination mit Schwierigkeiten bei der Kultivierung des verursachenden Organismus zu einem erheblichen Risiko, dass die Diagnose verzögert oder gar nicht gestellt wird. Die zunehmende Beliebtheit von Ratten und anderen Nagetieren als Haustiere sowie das Risiko einer invasiven oder tödlichen Erkrankung erfordern eine erhöhte Aufmerksamkeit für Rattenbissfieber als mögliche Diagnose.
Fallbericht(e)
Kasustik(Hayakawa Y et al. 2017): Berichtet wird über einen Fall von Rattenbissfieber, das anhand positiver Kulturen von Streptobacillus moniliformis aus Blut und Gelenkflüssigkeit diagnostiziert wurde. Der Patient, ein 45-jähriger Mann, der sich mit einer Vorgeschichte von einem Rattenbiss und alkoholischer Leberzirrhose vorstellte. Er war von einer Ratte in den Mittelfinger gebissen worden, die in einer in seinem Haus aufgestellten Mausefalle gefangen war. Etwa zwei Wochen nach dem Biss entwickelte der Patient Fieber, Hautausschlag und Gelenkschmerzen. Der Patient wurde in unser Krankenhaus eingewiesen und mit einer Kombination aus Ampicillin-Sulbactam-, Vancomycin- (VAN) und Minocyclin- (MIN) Antibiotika behandelt. Die ersten Kulturergebnisse der Anaerobic/F-Harz-Blutkultur waren nach einer Inkubation über Nacht positiv für gramnegative Bazillen. Daher wurde eine Infektion mit S. moniliformis vermutet und die Verabreichung von VAN und MIN eingestellt. Am achten Tag im Krankenhaus wurde die Behandlung auf orales Amoxicillin-Clavulansäure umgestellt und der Patient aus dem Krankenhaus entlassen. Anschließend wurde der Erreger auch in der Gelenkflüssigkeit nachgewiesen und mittels 16S-rRNA-Sequenzierungsanalyse als S. moniliformis identifiziert.
Literatur
- Coessens M et al. (2022) Rat bite fever: a case report review. Acta Clin Belg 77:883-888.
- Elliott SP (2007) Rat bite fever and Streptobacillus moniliformis. Clin Microbiol Rev. 20:13-22.
- Hayakawa Y et al. (2017) A Case Study of Rat Bite Fever Caused by Streptobacillus moniliformis. Jpn J Infect Dis 70: 323-325.
- Hryciw BN et al. (2018) Rat bite fever on Vancouver Island: 2010-2016. Can Commun Dis Rep 44:215-219.
- Nakagomi D et al. (2008) Rat-bite fever identified by polymerase chain reaction detection of Streptobacillus moniliformis DNA. J Dermatol 35: 667-670.
- Prouty M (1950) Periarteritis nodosa associated with ratbite fever due to streptobacillus moniliformis (erythema arthriticum epidemicum). J Pediatr 36:605-613.