Ecthyma contagiosumB08.0

Autoren:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 05.10.2024

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Synonym(e)

Atypische Schafpocken; Contagious pustular dermatitis; Ecthyma contagiosum Orf; Ecthyma infectiosum; Farmyard pox; Melkerpocken; Orf; Paraovine; Parapoxvirus-Infektion; Paravakzineknoten; Schafpocken atypische; Steinpocken; Stomatitis pustulosa contagiosa; Tierhalterpocken; Vaccinoide

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Definition

Meldepflichtige, harmlose, lokale Infektionskrankheit durch Kontaktinfektion mit Parapoxviren (Orfvirus das Schafe und Ziegen befällt) aus der Familie der Poxviridae induzierte Zooanthroponose, mit Ausbildung entzündlicher Knoten an der Infektionsstelle.

Erreger

Parapoxvirus (3 Spezies):

  • P. bovis 1 (bei Rindern Erreger der Stomatitis papulosa)
  • P. bovis 2 (bei Rindern Erreger der Euterpocken;beim Menschen: Melkerknoten)
  • P. ovis, früher Orf-Virus genannt (bei Schafen, Ziegen, Gemsen Erreger des Ecthyma contagiosum).

Lokale Infektion durch direkten Kontakt mit den erkrankten Tieren.

Einteilung

Die früher übliche Unterscheidung von Melkerknoten (Übertragung durch das Rind) und Schafpocken (= Orf, Übertragung durch das Schaf) ist heute verlassen, da alle Parapoxviren beim Menschen ein identisches Krankheitsbild mit stadienhaftem Ablauf hervorrufen.

Vorkommen/Epidemiologie

Das Orf-Virus ist weltweit verbreitet. Das Auftreten der Orf-Infektion beim Menschen ist selten. Sie ist meist an bestimmte Berufsgruppen gebunden (Landwirte, Schafszüchter, Veterinäre). Zufällige Infektionen auch bei Kontakt mit infizierten Tieren (virale Läsionen an Zitzen und Mäulern von Kälbern/Kühen/Schafen). Eine Ausweitung der infizierten Wirtstiere wird in den letzten Jahren beobachtet (Katzen,Rentiere, Kamele). In seltenen Fällen erfolgten Übertragungen von Mensch zu Mensch (Caravaglio JV et al. 2017).

Lokalisation

Hände, seltener Gesicht.

Klinisches Bild

Inkubationszeit: 3-10 Tage. Danach Auftreten von sehr charakteristischen Hauterscheinungen:

  • 1. Woche (makulopapulöses Stadium): Einzelne oder mehrere, derbe, elevierte, 0,5-1,5 cm große, blau-rötliche Papeln oderKnoten. Regionäre Lymphangitis und Lymphadenitis möglich.
  • 2. Woche (Kokardenstadium): Zentrale Rötung, umgebender weißer Ring, peripherer, entzündlich geröteter Hof.
  • 3. Woche (seröse Exsudation): Nässende Oberfläche.
  • 4. Woche: Trockene, mit gelb- schwarzer Kruste bedeckte Papel.
  • 5. Woche: Papillomatöse Umwandlung der Oberfläche.
  • Ab der 6. Woche: Rückbildung der Papel, Abstoßung der Kruste. Stets narbenlose Abheilung.
  • Selten ist ein Orf-induziertes Erythema exsudativum multiforme

Histologie

Gefäßreiches Granulationsgewebe; in der Epidermis ballonierende Degeneration von Keratinozyten, multilokuläre Bläschenbildung.

Diagnose

Virusantigennachweis aus Effloreszenzenmaterial, Antikörpertiter-Verlaufsbestimmung im Serum (ELISA), Recall-Antigen-Testung mit Parapoxvirus bovis 2-Antigen, elektronenoptischer Virusnachweis ( Negative Staining).

Differentialdiagnose

Melkerknoten: Analoge klinische Symptomatik. Differenzierung über Anamnese. Welcher Tierkontakt lag  vor?

Anthrax der Haut: sehr selten; rasche Bildung eines entzündlichen Knötchens oder einer Pustel; schnelle Ausbreitung, hämorrhagische Blase; frühzeitig auftretende Mattigkeit, Unwohlsein, Kopfschmerzen mit unterschiedlich hohem Fieber.

Granuloma teleangiectaticum: meist nur solitär; Histologie ist Diagnose-gebend

Chronisch-papillomatöse Pyodermie: eitrig, schmerzhaft, Erregernachweis

Sporotrichose: lymphogen fortgeleitete Infektion, multiple, wenig symptomatische,  in Ketten längs der Lymphbahnen angeordnete  bläulichrote Knoten. 

Komplikation(en)

Bakterielle Superinfektionen. Selten ist das Orf-induzierte Erythema exsudativum multiforme.

Therapie

Narbenlose Selbstheilung i.d.R. nach 5 Wochen.

Externe Therapie

Abtrocknen über feuchte Umschläge mit lokal desinfizierenden Zusätzen wie Chinolinol (z.B. Chinosol 1:1000), R042 oder Kaliumpermanganat (hellrosa) zur Vermeidung bakterieller Sekundärinfektionen. Auch Kryochirurgie sowie oberflächige Abtragung können erfolgreich sein. Ruhigstellung der betroffenen Körperteile so weit möglich (z.B. Finger).

Hinweis(e)

Das klinische Erscheinungsbild des Ecthma contagiosum (Orf) ist identisch mit demjenigen des Melkerknoten (durch Kühe übertragen), sodass eine Unterscheidung nicht notwendig ist.   

Fallbericht(e)

Anamnese/Befund:  Eine 43 jährige türkische Patientin kehrte nach einem 4 wöchigen Urlaub in ihrem türkischen Heimatdorf nach Deutschland zurück. Sie entwickelte 2 Wochen später an der rechten Handfläche sowie an dem Zeigefinger  purulenten Knoten mit einem entzündlichen Hof.

Auf Befragen ergab sich, dass sie 14 Tage zuvor an einer häuslichen Schlachtung eines Schafes teilgenommen habe. Dabei habe sie sich leichte Schnittverletzungen an diesen Stellen zugezogen. Wenige Tage danach seine Blasen an den Schnittsltellen entstanden. Weiterhin habe sie leichtes Fieber sowie eine schmerzhafte Lymphadenitis in der Achsel bemerkt.

Labor: BSG 30/50; CRP: 22,4mg/l (Norm<5); geringe neutrophile Leukozytose (11.500/ml); Nachweis von AK gegen Parapoxviren;

Therapie: antiseptische Lokaltherapie; weiterhin wegen eienr bakteriellen Überlagerung Ciprofloxacin über 7 Tage.  

 

Literatur

  1. Bodnar MG et al. (2001) Facial orf. J Am Acad Dermatol 40: 815-817
  2. Caravaglio JV et al.(2017) Orf Virus Infection in Humans: A Review With a Focus on Advances in Diagnosis and Treatment.J Drugs Dermatol16:684-689.
  3. Degraeve C et al. (1999) Recurrent contagious ecthyma (Orf) in an immunocompromised host successfully treated with cryotherapy. Dermatology 198: 162-163
  4. Günes AT et al. (1982) Ecthyma-contagiosum-Epidemien in der Türkei. Hautarzt 33: 384–387
  5. Hartmann AA, Büttner MB, Stanka F, Elsner P (1985) Sero- und Immunodiagnostik bei Parapoxvirus-Infektion des Menschen. Hautarzt 36: 663–669
  6. Hofmann B et al. (1995) Ecthyma contagiosum (Orf). Z Hautkr 70: 68–69
  7. Joseph RH et al. (2015) Erythema multiforme after orf virus infection: a report of two cases and literature review. Epidemiol Infect 143:385-390
  8. Kuhl JT et al. (2003) A case of human orf contracted from a deer. Cutis 71: 288-290
  9. Müller C (2016) Testen Sie Ihr Fachwissen. Akt Dermatol 42: 221-223
  10. Nagington J et al. (1965) Milker's nodule virus infections in Dorset and their similarity to orf. Nature 208: 505-507
  11. Rajkomar V et al. (2015) A case of human to human transmission of orf between mother and child. Clin Exp Dermatol 41:60-63
  12. Rieger H et al. (2003) Ecthyma contagiosum (Orf) as an uncommon differential diagnosis of infections of the hand. Unfallchirurg 106: 204-206
  13. Revenga F et al. (2001) Facial orf. J Eur Acad Dermatol Venereol 15: 80-81
  14. Thurman RJ et al. (2015) Images in clinical medicine. Contagious ecthyma. N Engl J Med 372:e12
  15. Torfason EG, Gunadottir S (2002) Polymerase chain reaction for laboratory diagnosis of orf virus infections. J Clin Virol 24: 79-84

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