Klebstoffe

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 21.08.2024

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Definition

Sowohl im privaten wie auch im beruflichen Bereich weit verbreitete Stoffe, die aus allergologischer Sicht relevante Bedeutung haben. Sie sind nicht selten Ausgang einer Berufsdermatose oder einer Berufskrankheit der Haut (z.B. Berufskrankheit nach BK 5101).

Einteilung

Grundsätzlich wird eingeteilt in:
  • Physikalisch abbindende Klebstoffe
  • Chemisch aushärtende Klebstoffe.

Allgemeine Information

  • Physikalisch abbindende Klebstoffe: Bei diesen liegt beim Auftragen das bereits fertige Endsprodukt vor. Sie können wie folgt unterteilt werden:
    • Lösemittelhaltige Nassklebstoffe: Hierbei liegt das Polymer in organischen Lösemitteln gelöst vor und wird so appliziert. Durch Verdunsten der Lösemittel bindet der Klebstoff ab und verfestigt sich schließlich durch die Ausbildung physikalischer Wechselwirkungen zwischen den Polymerketten. Nassklebstoffe können zum sog. Kaltschweißen thermoplastischer Kunststoffe verwendet werden. Diese Klebstoffart wird umgangssprachlich als "Alleskleber" bezeichnet
    • Dispersionsklebstoffe: Hierbei wird in der Regel Wasser als mobile Phase (Dispersionsmittel) genutzt. Nach Aufbringen bricht die Dispersion durch Entweichen des Dispersionsmittels. Sie werden vielfältig als Ersatz der Lösemittelklebstoffe verwendet (nicht brand- und explosionsgefährlich).
    • Schmelzklebstoffe ("Heißkleber"): Sie sind bei Raumtemperatur fest und werden durch Aufschmelzen verarbeitbar. Für den Hobby- und Kleinanwender kommen Schmelzklebstoffe in Form von Klebekerzen (Klebesticks) in den Handel, die mit Schmelzklebepistolen verarbeitet werden können.
    • Kontaktklebstoffe: Lösemittelklebstoffe oder Dispersionsklebstoffe, die im Kontaktklebeverfahren verarbeitet werden. Dazu werden zunächst beide Klebeflächen gleichmäßig mit Klebstoff bestrichen und bei Raumtemperatur abgetrocknet. Anschließend müssen die Klebeflächen innerhalb der offenen Verarbeitungszeit exakt zusammengefügt werden.
    • Plastisole: Hierbei sind kleine Polymerkügelchen in einer flüssigen Phase verteilt. Nach dem Applizieren wird das Plastisol durch Wärmezufuhr geliert. Bei diesem Vorgang nehmen die Polymerkügelchen die Flüssigkeit (meist ein Weichmacher) auf, quellen und verwachsen so zu einer homogenen Schicht. Zur vollständigen Aushärtung nach dem Gelieren muss eine nochmalige höhere Wärmezufuhr erfolgen. Häufig verwendet werden beispielsweise PVC-Plastisole im Automobilbau als Nahtabdichtung oder Unterbodenschutz.
  • Chemisch härtende Klebstoffe (Reaktionsklebstoffe; Mehrkomponentenkleber): Hierbei werden die einzelnen chemischen Bausteine für den Klebstoff im richtigen Verhältnis zusammengebracht. Die Verfestigung erfolgt danach durch chemische Reaktion der Bausteine miteinander. Grundsätzlich unterscheidet man bei den Reaktionsklebstoffen zwischen zwei- (oder mehr-) komponentigen und ein-komponentigen Systemen.
    • Cyanacrylat-Klebstoffe: Bekannt als "Sekundenkleber". Es handelt sich dabei um dünnflüssige oder bewusst eingedickte Ester der Cyanoacrylsäure, die als Monomere in den Handel kommen und durch Polymerisationsreaktion im Fügespalt zum eigentlichen Klebstoffpolymer reagieren. Spezielle Ester der Cyanacrylsäure finden in der Medizin zum Wundverschluss Verwendung.
    • Methylmethacrylat-Klebstoffe: Typische zwei-komponentige Reaktionsklebstoffe, bei denen das eingesetzte Monomer (der Methylester der Methacrylsäure) durch radikalische Kettenreaktion polymerisiert wird. Zum Start der Polymerisationsreaktion wird ein reaktives Radikal benötigt, das meist aus einem Peroxid entsteht, wenn man diesem einen Beschleuniger zusetzt.
    • Anaerob härtende Klebstoffe: Diese Gruppe von Klebstoffen aus Acrylsäure-Estern härten ebenfalls nach einem Radikalketten-Mechanismus ähnlich den Methylmethacrylaten aus. Das Besondere dabei ist, dass die Härtereaktion nur unter Ausschluss von Sauerstoff (anaerob) und in Anwesenheit von Metallionen startet, wenn der Klebstoff in einer engen metallischen Klebfuge von der Umgebungsluft abgeschlossen wird.
    • Strahlenhärtende Klebstoffe. Ebenfalls durch radikalische Polymerisation aushärtende Klebstoffe, wobei die Bildung der Startradikale durch Bestrahlung mit UV-Licht (oder anderen Strahlenquellen wie Elektronen) hervorgerufen wird. Die Wellenlänge des UV-Lichts muss dabei genau auf das eingesetzte Klebstoffsystem abgestimmt sein. Bekannte Beispiele sind etwa das Ankleben künstlicher Fingernägel oder das Einkleben von Kunststoff-Zahnfüllungen; die Aushärtung erfolgt jeweils durch Bestrahlen mit UV-Licht.
    • Phenol-Formaldehydharz-Klebstoffe: Sie bestehen aus Phenol-Derivaten und Formaldehyd, die zu einem Polymer kondensiert werden (erster Kunststoff-Bakelite). In der Klebetechnik setzt man eine Mischung aus Phenol-Formaldehyd-Harzen ein, die sich durch gute Temperaturbeständigkeit auszeichnet.
    • Silicone: Weniger als Klebstoffe, sondern mehr als Dichtstoffe (z.B. Sanitärsilicone) eingesetzte Systeme mit unterschiedlichen Zusätzen zur Vernetzung, z.B. Essigverbindungen.
    • Epoxidharz-Klebstoffe: Zweikomponentige Klebstoffe aus Harz und Härter. Als Epoxidharz werden Polymerbausteine verwendet, die am Ende sog. Epoxidgruppen tragen. Die Aushärtereaktion kann sowohl bei Raumtemperatur als auch bei höherer Temperatur vorgenommen werden. Da der ausgehärtete Klebstoff eine sehr hohe Festigkeit besitzt, wendet man diese Klebstoff-Klasse häufig für strukturelle Verklebungen zum Beispiel im Fahrzeug- und Flugzeugbau an.
    • Polyurethan-Klebstoffe: Erfahren eine große Verbreitung in Verkehrsmitteln für Strasse/Schiene/Luft/Wasser, ebenso in Schuhindustrie, Glasverarbeitung, Buchbinderei. Sie sind als 1- oder 2-komponenten-Klebstoffe erhältlich. Sie enthalten: Diphenylmethan-4,-4´,-diisocyanat (MDI), Isophorondiisocyanat (IPDI), Toluylendiisocyanat (TDI), Hexamethylendiisocyanat (HDI). Von den Isocyanaten können erhebliche Gesundheitsgefahren ausgehen. Freie, ungebundene Isocyanate sind akut giftig oder gesundheitsschädlich (kanzerogenes Potenzial).

Literatur
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  1. Endlich W(1998): Kleb- und Dichtstoffe in der modernen Technik. Ein Praxishandbuch der Kleb- und Dichtstoffanwendung. Vulkan-Verlag, Essen
  2. Hillen U et al. (2007) Kontaktsensibilisierungen gegen Bestandteile von Klebstoffen unter Berücksichtigung beruflicher Kontaktsensibilisierungen. Dermatologie in Beruf und Umwelt 55: 10-19

Tabellen

Epikutantestreihe Klebstoffe

Allergen (Testkonzentration in Vaseline)

Häufigkeit [%]

Epoxidharz (1%)

11,5

Benzoylperoxid (1%)

9,9

Kolophonium (20%)

8,1

Methyldibromoglutaronitril (0,3%)

6,7

4,4-Diaminodiphenylmethan (0,5%)

5,3

Kolophonium-Mix (20%)

5,3

p-tert-Butylphenol-Formaldehydharz (1%)

4,3

Phenylglycidylether (0,25%)

3,4

2-Hydroxyethylmethacrylat (1%)

3,3

2-Hydroxypropylmethacrylat (2%)

3,1

 

Weiterführende Artikel (3)

Berufsdermatosen; BK 5101; Epoxidharzsysteme;
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