YersinioseA04.6
Synonym(e)
Definition
Unter der Sammelbezeichnung Yersiniose werden Infektionen bezeichnet die durch Bakterien der Gattung Yersinia verursachten werden.
Erreger
In Deutschland und europaweit sind Y.-enterocolitica-Stämme des Bioserovars 4/O:3 der häufigste Erreger der Yersiniose (ca. 90% der übermittelten Yersiniosen mit Angaben zum Serovar), am zweithäufigsten ist der Bioserovar 2/O:9 (ca. 7%). Der Bioserovar 1B/O:8, welcher in Nordamerika endemisch ist, kann besonders schwere Krankheitsverläufe verursachen. Er tritt in Deutschland bzw. in Europa selten (meist reiseassoziiert) auf.
Innerhalb der Spezies Y. pseudotuberculosis werden gegenwärtig 21 verschiedene Serotypen und Subtypen unterschieden. Zum Y.-pseudotuberculosis-Komplex gehören, neben Y. pseudotuberculosis sensu stricto, weiterhin die neueren Spezies Y. similis und Y. wautersii, über deren Humanpathogenität noch nicht viel bekannt ist.
Übertragung oral durch verunreinigtes, ungenügend erhitztes Fleisch,(60% der Fälle) über kontaminiertes Wasser und Tierkontakte. Zoonose (indirekt von Tieren über Lebensmittel, Milchprodukte, rohes Schweinefleisch) (Tauxe RV 2004). Die Erreger können sich auch bei niedrigen Umgebungstemperaturen (Kühlschranktemperatur) und unter mikroaerophilen Bedingungen vermehren. Für die humanpathogenen Y.-enterocolitica-Stämme sind Schweine (Hausschwein und Wildschwein) das bedeutendste Tierreservoir. Die Infektion verläuft hier asymptomatisch. Während des Schlachtprozesses kann es deshalb zu einer Kontamination der Schlachtkörper kommen (Drummond N et al. 2012). Y. pseudotuberculosis kommen in der Umwelt weit verbreitet vor und werden überwiegend aus verschiedenen Vögeln und Wildtieren, z.B. Nagern und anderen Kleinsäugern, isoliert.
Y. enterocolica kann auch durch Bluttransfusion übertragen werden.
Infektiosität besteht solange die Symptome andauern, in der Regel 2-3 Wochen. Eine längere Ausscheidungsdauer ist sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen möglich.
Vorkommen/Epidemiologie
Weltweites Vorkommen; Inzidenz in Deutschland ca. 3/100.000/J., am häufigsten bei Kindern < 5 J. Yersinia enterocolitica ist bei ca. 1 % aller Durchfallerkrankungen (Gipfel Januar) nachweisbar. Die Mehrzahl der übermittelten Yersiniosen (etwa 98%) tritt in Deutschland als sporadische Fälle auf. Die meisten Krankheitsausbrüche betreffen Privathaushalte und umfassen 2-4 Fälle.
Deutlich häufiger ist die Yersiniose in Osteuropa und Russland anzutreffen.
Inkubationszeit: In der Regel 3-7 Tage, selten mehr als 10 Tage.
Klinisches Bild
Gastroenteritis (Kleinkinder): Pseudoappendizitische Verlaufsform (ältere Kinder, Jugendliche): Appendizitis-ähnliche Symptomatik mit mesenteriale Lymphadenitis (Morbus Maßhoff, Maßhoff-Lymphadenitis, Pseudoappendizitis).
Enterokolitische Verlaufsform: Beginn akut oft mit kolikartigen Unterbauchschmerzen, wässrigen Durchfällen (insbesondere bei Kleinkindern), Fieber, Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen.
Diagnose
Erregernachweis: Kulturell aus Stuhl, mesenterialen Lymphknoten (nach Op.), Darmbiopsien, Blut (bei Sepsis), evtl. auch Nachweis von Yersinia-DNA. Yersinien können sich noch bei + 4°C im Kühlschrank auf Fleisch und Wurst vermehren. In selten Fällen können Y. enterocolitica durch Bluttransfusion übertragen werden).
Serologie: Zweifache Titerbestimmung auf Antikörper gegen Y. enterocolitica O:3 und O:9 sowie Y. pseudotuberculosis.
Finden sich Antikörper gegen Y. enterocolitica O:9 bei negativem Stuhlbefund, muss differenzialdiagnostisch eine Brucellose ausgeschlossen werden, da zwischen Brucella und dem Y. enterocolitica Serotyp O:9 eine Kreuzantigenität besteht.
Beim Auftreten reaktiver Arthritiden wird der serologische Nachweis von Yop- (yersinia outer proteins-) Antikörpern zur Diagnostik herangezogen. Hierbei sind Yop-positive Diagnosen nur dann aussagekräftig, sofern ein Titeranstieg zwischen zwei im Abstand mehrerer Tage genommenen Proben nachweisbar ist.
Komplikation(en)
In bis zu 20 % der Fälle kommt es zu immunpathologische Komplikationen. Diese treten v.a. bei HLA-B27-positiven Patienten (w>m) gehäuft auf und sind meist Symptome des rheumatischen Formenkreises, z. B. reaktive Arthritis, (Peri-)Karditis, Erythema nodosum, akute Glomerulonephritis.
Selten sind Exantheme die an eine Pityriasis lichenoides acuta erinnern (Yotsu R et al. 2010); Zińczuk J et al. 2015; Touraud JP et al. 2000).
In seltenen Fälle und v.a. bei resistenzmindernden Grundkrankheiten wurden Leberabszesse mit septischen Verläufen sowie Entzündungen verschiedener Organe (Perikard, Pleura , Haut etc.) beschrieben.
Eine weitere seltene Komplikation ist die Pyomyositis (PM), eine primär bakterielle Infektion des Skelettmuskels die über hämatogener Streuung oder einer Verletzung des Muskels zustande kommt. Der betroffene Muskel schmerzt und ist druckempfindlich. Abszessbildungen sind möglich.
Therapie
Während der Dauer der Erkrankung sollten Patienten zu Hause bleiben und die aufgeführten Hygienemaßnahmen beachten. Für Infektionen in Krankenhäusern anderen medizinischen Einrichtungen, in Heimen, Betreuungseinrichtungen und sonstigen Gemeinschaftseinrichtungen gelten bes. Hygienemaßnahmen.
Bei leichtem Verlauf: Bei einer akuten Yersinien-Infektion ohne schweren Krankheitsverlauf sollte gemäß der S2k-Leitlinie "Gastrointestinale Infektionen und Morbus Whipple" (Hagel et al., 2015) in der Regel keine antimikrobielle Therapie durchgeführt werden, da der Verlauf nicht wesentlich beeinflusst werden kann. Es genügen eine orale Flüssigkeits- und eine Elektrolytsubstitution.
Bei schwerem Verlauf: Antibiotische Therapie mit Fluorchinolonen (z.B. Ciprofloxacin) oder Cephalosporine der 3. Generation (z.B. Ceftriaxon)
Verlauf/Prognose
Meist folgenlose Abheilung
Hinweis(e)
Arztmeldepflicht nach IfSGMeldeVO (nur in Sachsen): Namentliche Meldepflicht bei Krankheits- und Todesfällen sowie bei persistierender Ausscheidung von Yersinia enterocolitica mit dem Stuhl.
Labormeldepflicht nach § 7 IfSG: Namentliche Meldepflicht bei Erregernachweis von darmpathogenen Yersinia spp.
Im schweizerischen Tierseuchengesetz zählt die Yersiniose zur Liste der zu überwachenden Seuchenerkrankungen.
Literatur
- Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Yersinien in Lebensmitteln: Empfehlungen zum Schutz vor Infektionen. Stellungnahme Nr. 002/2013 des BfR vom 18. Januar 2013 (www.bfr.bund.de)
- Drummond N et al. (2012) Yersinia enterocolitica: a brief review of the issues relating to the zoonotic pathogen, public health challenges, and the pork production chain. Foodborne Pathog Dis 9:179-189.
- Hagel S et al. (2015) S2k-Leitlinie Gastrointestinale Infektionen und Morbus Whipple. Z. Gastroenterol 53:418-459
- Kato H et al. (2016) Primary cellulitis and cutaneous abscess caused by Yersinia enterocolitica in an
immunocompetent host: A case report and literature review.Medicine (Baltimore) 95:e3988. - Long C et al. (2010): Yersinia pseudotuberculosis and Y. enterocolitica Infections, FoodNet, 1996–2007. Emerg Infect Dis 16:566-567
- Tauxe RV (2004) Salad and pseudoappendicitis: Yersinia pseudotuberculosis as a foodborne pathogen. J Infect Dis 189:761-3
- Touraud JP et al. (2000) Cutaneous manifestations of Yersinia enterocolitica infection. Ann Dermatol Venereol 127(8-9):741-744.
- Yotsu R et al. (2010) Erythema nodosum associated with Yersinia enterocolitica infection. J Dermatol 37:819-822.
- Zińczuk J et al. (2015) Mesenteric lymphadenitis caused by Yersinia enterocolitica. Prz Gastroenterol 10:118-121.