Xipamid
Synonym(e)
Definition
Diuretikum, der Thiazid-Familie, das im früh distalen Tubulus die Natriumchlorid-Rückresorption hemmt und primär zur Chlorurese und Natriurese, sekundär zur Vermehrung des Harnflusses durch osmotisch gebundenes Wasser führt. Durch Zunahme des Flusses im spätdistalen Tubulus kommt es zur Stimulation der Kaliumsekretion. Auch Bicarbonat, Calcium und Magnesium werden akut vermehrt ausgeschieden. Xipamid erreicht seinen Angriffspunkt von der peritubulären (Blut-Seite her, der Wirkmechanismus unterscheidet sich daher trotz struktureller Verwandtschaft von dem der Thiazide. Xipamid beeinflusst weder die renale Hämodynamik noch die glomeruläre Filtrationsrate und ist bis zur terminalen Niereninsuffizienz wirksam. Die diuretische Wirkung tritt nach ca. 1 Stunde ein und erreicht ihr Maximum zwischen der 3. und der 6. Stunde. Die Natriumund Chloridausscheidung liegt für 12 bis 24 Stunden über dem Basalwert, so dass kein Rebound-Effekt stattfindet (Fachinfomration).
Pharmakodynamik (Wirkung)
Der antihypertensive Effekt von Xipamid kommt bei Therapiebeginn durch die Erniedrigung des Extrazellularvolumens zustande, mit der Folge eines herabgesetzten peripheren Widerstandes. Bei längerer Anwendung normalisiert sich das Extrazellularvolumen bei erhaltener antihypertensiver Wirkung, die durch eine Abnahme der Natriumkonzentration in der Gefäßwand und damit durch eine verringerte Ansprechbarkeit auf Noradrenalin bedingt sein könnte. Der maximale blutdrucksenkende Effekt wird nach 2 3 Wochen erreicht.
Pharmakokinetische Eigenschaften: Etwa 1 Stunde nach Applikation sind die maximalen Plasmakonzentrationen von Xipamid erreicht. Die Proteinbindung beträgt 99 %. Nach einmaliger Gabe liegt die Eliminationshalbwertzeit bei ca. 7 Stunden. Die orale Resorption von Xipamid erfolgt vollständig. Bei Niereninsuffizienz ist die Halbwertzeit klinisch nicht relevant auf 9 Stunden verlängert, bei Leberzirrhose bleibt sie trotz erhöhter Xipamid-Plasmaspiegel unverändert. Die renale Ausscheidung der unveränderten Substanz beträgt %. Die extrarenale Elimination (insgesamt ca. 2 / 3 des nativen Xipamids erfolgt zur Hälfte durch Glucuronidierung. Der so entstehende inaktive Metabolit wird über die Niere ausgeschieden, der Rest über den Darm.
Indikation
Arterielle Hypertonie
Kardiale, renale und hepatogene Ödeme
Schwangerschaft/Stillzeit
Es liegen keine Erfahrungen mit einer Anwendung von Xipamid bei Schwangeren vor.
Thiaziddiuretika passieren die Plazenta und können beim ungeborenen oder neugeborenen Kind zu Elektrolytveränderungen, Hypoglykämie sowie zu einer hämolytischen Anämie und Thrombozytopenie führen. Für Xipamid liegen keine Untersuchungen zum diaplazentaren Übertritt vor.
Generell sind Diuretika wie Xipamid in der Schwangerschaft kontraindiziert. Ferner sind Diuretika unter keinen Umständen in der Behandlung schwangerschaftsbedingter, also physiologischer Ödeme einzusetzen, zumal es unter diesen Substanzen zur fetoplazentären Ischämie mit dem Risiko einer fetalen Wachstumsstörung kommen kann.
Da nicht bekannt ist, ob Xipamid in die Muttermilch übergeht, ist die Einnahme von Xipamid in der Stillzeit kontraindiziert.
Dosierung und Art der Anwendung
Sowohl bei Hypertonie als auch bei Ödemen nehmen Erwachsene 1-mal täglich 10-20 mg Xipamid.
Zur Behandlung von Ödemen können Dosierungen von bis zu 40 mg Xipamid erforderlich sein. Bei höhergradig eingeschränkter Nierenfunktion kann die Dosierung auf bis zu 80 mg Xipamid täglich gesteigert werden. Die Erhöhung der Dosis auf über 80 mg Xipamid pro Tag wird nicht empfohlen.
Nach erfolgter Ödemausschwemmung kann zur Verhinderung eines Rückfalls auf 20 mg oder 10 mg Xipamid umgestellt werden. Nach Langzeitbehandlung sollte Xipamid ausschleichend abgesetzt werden.
Eingeschränkte Leberfunktion: Bei Leberfunktionsstörungen sollte Xipamid der Einschränkung entsprechend dosiert werden.
Eingeschränkte Herzfunktion: Bei schwerer kardialer Dekompensation kann die Resorption von Xipamid deutlich eingeschränkt sein.
Bei Kindern sollte Xipamid nicht angewendet werden, da die Sicherheit und Wirksamkeit in dieser Population nicht nachgewiesen wurde.
Unerwünschte Wirkungen
Kaliumplasmaspiegel: Wie bei anderen Diuretika kann es während einer Langzeittherapie mit Xipamid zu einer Hypokaliämie kommen. Kalium-Substitution kann erforderlich werden, insbesondere bei älteren Patienten, bei denen eine ausreichende Kalium-Einnahme nicht gewährleistet ist. Der Abfall des Kaliumplasmaspiegels bis hin zur Hypokaliämie stellt das Hauptrisiko einer Behandlung mit Thiaziddiuretika und damit eng verwandten Arzneistoffen dar. Das Auftreten einer Hypokaliämie (Kaliumplasmaspiegel < 3,4 mmol/l) ist insbesondere im Falle eines stärkeren Flüssigkeitsverlustes (z. B. durch Erbrechen, Diarrhoe oder intensives Schwitzen) und bei Risikogruppen, d. h. bei älteren und/oder unterernährten und /oder mehrfach medikamentös behandelten Patienten sowie bei Patienten mit Leberzirrhose und Ödem- bzw. Aszitesbildung, ferner bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit und solchen mit Herzinsuffizienz zu vermeiden. Bei diesem Patientenkreis wird durch eine Hypokaliämie auch die Kardiotoxizität von Herzglykosiden sowie das Risiko von Herzrhythmusstörungen erhöht. Hypovolämie oder Dehydratation sowie wesentliche Elektrolytstörungen oder Störungen im Säure-Basen-Haushalt müssen korrigiert werden. Dies kann die zeitweilige Einstellung der Behandlung mit Xipamid erfordern.
Ebenfalls zu den Risikopatienten zählen Personen mit einem langen QT-Intervall, und zwar unabhängig davon, ob dieses angeboren oder iatrogen erworben ist. Das Vorliegen einer Hypokaliämie sowie einer Bradykardie begünstigt dann das Auftreten schwerer Herzrhythmusstörungen, insbesondere der möglicherweise tödlich verlaufenden Torsade de pointes.
Calciumplasmaspiegel: Unter einer Behandlung mit Thiaziddiuretika und damit verwandten Arzneistoffen kann es zu einer verminderten Calciumausscheidung im Urin sowie zu einem geringfügigen, vorübergehenden Anstieg des Calciumplasmaspiegels kommen. Eine manifeste Hyperkalzämie kann auch auf dem Boden eines nicht erkannten Hyperparathyreoidismus entstanden sein.
Blutzuckerspiegel: Bei Diabetikern ist der Blutzuckerspiegel insbesondere bei gleichzeitigem Vorliegen einer Hypokaliämie engmaschig zu kontrollieren.
Harnsäurespiegel: Bei Patienten mit Hyperurikämie kann eine verstärkte Neigung zu Gichtanfällen bestehen.
Nephrologische UIAW: Thiaziddiuretika und damit verwandte Arzneistoffe sind nur bei normaler bzw. höchstens geringfügig eingeschränkter Nierenfunktion (Kreatinin-Serumspiegel < 25 mg/l bzw. < 220 µmol/l bei einem Erwachsenen) voll wirksam. Die Dosierung von Xipamid für ältere Patienten ist je nach deren Alter, Gewicht und Geschlecht entsprechend des Serumkreatininwertes anzupassen.
Hypovolämie, hervorgerufen durch Diuretika bedingten Wasser- und Natriumverlust zu Therapiebeginn, führt zu einer Verminderung der glomerulären Filtration. Dadurch kann es zu einem Anstieg des Harnstoff-Stickstoffs im Blut (BUN) und des Serumkreatinins kommen. Diese vorübergehende funktionelle Niereninsuffizienz bleibt bei Nierengesunden ohne Folgen, kann eine vorbestehende Niereninsuffizienz aber verschlechtern.
Kinder: Bei Kindern sollte Xipamid nicht angewendet werden, da die Sicherheit und Wirksamkeit in dieser Population nicht nachgewiesen wurde.
Dermatologische UAW: Photosensibilität (Schauder S 1990);
Cave: Die Anwendung von Xipamid kann bei Dopingkontrollen zu positiven Ergebnissen führen.
Kontraindikation
Xipamid darf nicht angewendet werden:
- bei Überempfindlichkeit gegen Xipamid, andere Sulfonamidderivate oder Thiazide oder einen der sonstigen Bestandteile des Arzneimittels
- bei schweren Leberfunktionsstörungen (Praecoma und Coma hepaticum)
- bei therapieresistenter Hypokaliämie
- bei schwerer Hyponatriämie
- bei Hyperkalzämie
- bei Hypovolämie
- bei Gicht
- während der Schwangerschaft
- während der Stillzeit
Hinweis(e)
Bei Lebererkrankungen kann es unter der Behandlung mit Thiaziddiuretika und damit verwandten Substanzen zu einer hepatischen Encephalopathie kommen. In diesem Fall ist Xipamid sofort abzusetzen. Bei chronischem Diuretika-Abusus kann ein Pseudo-Bartter-Syndrom mit der Folge von Ödemen auftreten. Diese Ödeme sind Ausdruck eines Anstiegs des Renins mit der Folge eines sekundären Hyperaldosteronismus.
Wasser- und Elektrolythaushalt: Die Serumelektrolyte (insbesondere Kalium, Natrium, Calcium), Bikarbonat, Kreatinin, Harnstoff und Harnsäure sowie Blutzucker sollen regelmäßigkontrolliert werden.
Natriumplasmaspiegel: Dieser ist vor Therapiebeginn sowie in regelmäßigen Abständen während der Behandlung zu kontrollieren. Grundsätzlich kann es unter jeder Diuretikatherapie zu einer Hyponatriämie mit bisweilen sehr ernsten Folgen kommen. Da ein Abfall des Natriumplasmaspiegels zunächst asymptomatisch verlaufen kann, ist eine regelmäßige Kontrolle unverzichtbar; bei älteren Patienten und Patienten mit Leberzirrhose sind
engmaschige Kontrollen durchzuführen
Literatur
- Fachininformation Xipamid
- Kumar S et al. (1984) A randomized double-blind clinical trial of xipamid and hydrochlorothiazide in essential hypertension. Int J Clin Pharmacol Ther Toxicol 22:549-551. PMID: 6392119.
- Schauder S (1990) Photosensitivität nach Enoxacin und Xipamid: Kombinierte phototoxische und photoallergische Reaktion auf Enoxacin, photoallergische Reaktion auf Xipamid mit nachfolgender transienter Lichtreaktion. Z Hautkr 65:253-262.
- Selvaag E et al. (1997) Phototoxicity to sulphonamide derived oral antidiabetics and diuretics. Comparative in vitro and in vivo investigations. In Vivo 11:103-107.