Topotecan
Synonym(e)
Definition
Topotecan ist wie Irinotecan ein halbsynthetisches Derivat des Campothecins, ein Alkaloid das aus den Früchten und Blättern des Chinesischen Glücksbaum gewonnen wird. Topotecan findet Verwendung als Zytostatikum in der Chemotherapie. Es hemmt das Enzym Topoisomerase I (Topoisomerase-I-Hemmer).
Pharmakodynamik (Wirkung)
Topoisomerasen vom Typ I relaxieren die DNA, überführen eine superhelikale DNA in eine entspannte DNA, indem Sie einen Strang der Duplex-DNA reversibel spalten. Dadurch wird die Voraussetzung für das Ablesen, also die Transkription der DNA geschaffen. Nach erfolgreicher DNA-Replikation wird die DNA-Lücke wieder geschlossen. Die Typ I Topisomerase spalten reversibel stets nur einen Strang der DNA. Topoisomerase-Hemmer I lassen die DNA-Spaltung zu, stabilisieren den Topoisomerase-DNA-Komplex und verhindern, dass das Enzym die Schnittstelle wiederum verschließt. Damit bleibt der DNA-Strangbruch entstehen, die Zelle wird in die Apoptose getrieben. Topotecan als Topoisomerase-Hemmer I entfaltet die stärkste antineoplastischen Aktivität in der S-Phase (Brogden RN et al. 1998).
Bemerkung: Die Typ II Topoisomerasen wirken ATP-abhängig. Sie sind in der Lage beide DNA-Stränge zu trennen.
Indikation
In der Bundesrepublik Deutschland ist Topotecan zur Behandlung von metastasierten Ovarialkarzinomen zugelassen nach Versagen einer Primär- oder Folgetherapie.
Weiterhin
- bei Patienten mit rezidiviertem kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC), die für eine Wiederbehandlung mit dem in der Primärtherapie verwendeten Behandlungsschema nicht geeignet sind.
- In Kombination mit Cisplatin ist Topotecan angezeigt zur Behandlung von Patientinnen mit Zervixkarzinom im Rezidiv nach Strahlentherapie und von Patientinnen im Stadium IVB der Erkrankung. Patientinnen, die vorher Cisplatin erhalten hatten, benötigen ein längeres behandlungsfreies Intervall, um die Behandlung mit dieser Kombination zu rechtfertigen.
Positive Berichte existieren zum monotherapeutischen (und kombinierten) Einsatz von Topotecan beim Retinoblastom (Schaiquevich P et al. 2014)
Neuere Anwendungsformen betreffen in Liposomen angereichertes Topotecan (Saraf S et al. 2016) so seinen Einsatz beim Neuroblastom (Chernov L et al. 2017). Auch sein topischer Einsatz scheint beim Karzinom der Haut erfolgreich zu sein (Venâncio JH et al. 2017).
Schwangerschaft/Stillzeit
Topotecan ist während der Stillzeit kontraindiziert . Obwohl nicht bekannt ist, ob Topotecan beim Menschen in die Muttermilch übergeht, sollte vor Therapiebeginn abgestillt werden.
Fertilität: Es wurden keine Auswirkungen auf die männliche oder weibliche Fertilität in reproduktionstoxikologischen Studien bei Ratten beobachtet. Jedoch wirkt Topotecan ebenso wie andere zytotoxische Arzneimittel genotoxisch, Auswirkungen auf die Fertilität einschließlich der männlichen Fertilität können daher nicht ausgeschlossen werden.
Dosierung und Art der Anwendung
Ovarial- und kleinzelliges Lungenkarzinom
- Anfangsdosierung: Die empfohlene Dosis an Topotecan beträgt 1,5 mg/m2 Körperoberfläche pro Tag, verabreicht als 30minütige intravenöse Infusion an fünf aufeinander folgenden Tagen. Bei guter Verträglichkeit kann die Behandlung bis zur Progression der Erkrankung fortgeführt werden
- Dosierung bei Folgebehandlungen: Eine weitere Gabe von Topotecan sollte erst dann erfolgen, wenn die Neutrophilenzahl > 1 x 109/l, die Thrombozytenzahl 100 x 109/l und der Hämoglobinwert > 9 g/dl (gegebenenfalls nach Transfusion) betragen. Die übliche onkologische Praxis zur Aufrechterhaltung der Neutrophilenzahl bei Neutropenien besteht entweder in der Gabe von Topotecan mit anderen Arzneimitteln (z. B. G-CSF) oder in einer Dosisreduktion.
Zervixkarzinom
- Anfangsdosierung: Die empfohlene Dosis an Topotecan beträgt 0,75 mg/m2/Tag, verabreicht als 30minütige intravenöse Infusion an den Tagen 1, 2 und 3. Cisplatin wird als intravenöse Infusion in einer Dosis von 50 mg/m2/Tag am Tag 1 nach der Topotecan-Dosis verabreicht. Dieses Behandlungsschema wird alle 21 Tage über sechs Behandlungszyklen oder bis zum Fortschreiten der Erkrankung wiederholt.
Unerwünschte Wirkungen
Nachfolgend sind Nebenwirkungen nach Systemorganklassen und absoluter Häufigkeit (alle berichteten Ereignisse) aufgelistet (s.u.MedDRA). Die Häufigkeiten sind wie folgt definiert: sehr häufig (≥ 1/10), häufig (≥ 1/100, < 1/10), gelegentlich (≥ 1/1.000, < 1/100), selten (≥ 1/10.000, < 1/1.000), sehr selten(< 1/10.000) und nicht bekannt (Häufigkeit auf Grundlage der verfügbaren Daten nicht abschätzbar). Innerhalb jeder Häufigkeitsgruppe werden die Nebenwirkungen nach abnehmendem Schweregrad angegeben (Angaben aus Zulassungsprotokoll der Europäischen Arzneimittel-Agentur).
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Die häufigsten Nebenwirkungen sind hämatologischer Art wie:
Schwere Neutropenien (Grad 4 - Neutrophilenzahl <0,5 x 109/l) wurde bei 32 % der Patienten (in 13 % der Zyklen), schwere Thrombozytopenien (Grad 4 - Thrombozytenzahl <10 x 109/l) bei 6 % der Patienten beschrieben, eine mittelgradige bis schwere Anämie (Grad 3 und 4 - Hb 8,0 g/dl) bei 25 % der Patienten beschrieben.
Die am häufigsten berichteten nicht-hämatologischen Nebenwirkungen waren gastrointestinaler Art, wie Übelkeit (52 %), Erbrechen (32 %), Durchfall (18 %), Verstopfung (9 %) sowie Mukositis (14 %).
Die Häufigkeiten schwerer Fälle (3. oder 4. Grades) von Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Mukositis betrugen in 4, 3, 2 bzw. 1 % auf.
Infektionen und parasitäre Erkrankungen
- Sehr häufig: Infektionen
- Häufig: Sepsis (Über Todesfälle durch Sepsis wurde bei Patienten unter der Behandlung mit Topotecan berichtet)
Erkrankungen des Blutes und des Lymphsystems
- Sehr häufig: Febrile Neutropenie, Neutropenie, Thrombozytopenie, Anämie, Leukopenie
- Häufig: Panzytopenie
- Nicht bekannt: Schwere Blutung (verbunden mit Thrombozytopenie)
Erkrankungen des Immunsystems
- Häufig: Überempfindlichkeitsreaktionen einschließlich Exanthemen
- Selten: Anaphylaktische Reaktion, Angioödem, Urtikaria
Stoffwechsel- und Ernährungsstörungen
- Sehr häufig: Anorexie (diese kann schwer verlaufen)
Erkrankungen der Atemwege, des Brustraums und Mediastinums
- Selten: Interstitielle Lungenerkrankung (einige Fälle mit tödlichem Verlauf)
Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts
- Sehr häufig: Nausea, Erbrechen und Durchfall (die alle schwer sein können), Verstopfung,
- Bauchschmerzen, Mukositis,
- Nicht bekannt: Gastrointestinale Perforation, Neutropenische Kolitiden einschließlich tödlich verlaufender neutropenischer Kolitiden wurden als Komplikation Topotecan-induzierter Neutropenien beschrieben.
Leber- und Gallenerkrankungen
- Häufig: Hyperbilirubinämie
Erkrankungen der Haut und des Unterhautzellgewebes
- Sehr häufig: Haarausfall
- Häufig: Pruritus
Allgemeine Erkrankungen und Beschwerden am Verabreichungsort
- Sehr häufig: Fieber, Asthenie, Fatigue
- Häufig: Unwohlsein
- Sehr selten: Extravasationsschäden
- Nicht bekannt: Schleimhautentzündung
Hinweis(e)
Eine chemisch verwandte Verbindung ist Irinotecan, ebenfalls ein Topoisomerase-I-Hemmer.
Literatur
- Brogden RN et al. (1998) Topotecan. A review of its potential in advanced ovarian cancer. Drugs, 56: 709-23
- Chernov L et al. (2017) Optimization of liposomal topotecan for use in treating neuroblastoma. Cancer Med 6:1240-1254.
- Dennis MJ et al. (1997) an overview of the clinical pharmacology of topotecan. Semin Oncol 24(1 Suppl 5): 5-12
- Europäische Arzneimittel-Agentur: http://www.ema.europa.eu/
- Hackbarth M et al. (2008) Chemotherapy-induced dermatological toxicity: frequencies and impact on quality of life in women's cancers. Results of a prospective study. Support Care Cancer 16:267-273.
- Saraf S et al. (2016) Topotecan Liposomes: A Visit from a Molecular to a Therapeutic Platform. Crit Rev Ther Drug Carrier Syst 33:401-432.
- Schaiquevich P et al. (2014) Ocular pharmacology of topotecan and its activity in retinoblastoma. Retina 34:1719-1727.
- Venâncio JH et al. (2017) Topotecan-loaded lipid nanoparticles as a viable tool for the topical treatment of skin cancers. J Pharm Pharmacol 69:1318-1326.