Prinzmetal-AnginaI20.1

Autor:Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 22.08.2024

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Synonym(e)

Koronararterienspasmus; Koronarspasmus; Prinzmetal Angina; Variant- Angina; Vasospastische Angina (VSA)

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Erstbeschreiber

Das Syndrom einer Prinzmetal- Angina wurde 1959 erstmals von Myron Prinzmetal et al. beschrieben (Kasper 2015).

Eine Beschreibung der klinischen Merkmale einschließlich der EKG- Veränderungen und angiographischen Befunde findet sich im Jahre 1978 bei A. Maserati et al.. Dabei zeigte sich, dass die Vasopastische Angina (VSA) wesentlich polymorpher ist, als von Prinzmetal seinerzeit angenommen worden war (Wang 2018). 

Definition

Unter einer VSA versteht man ein überwiegend in Ruhe auftretendes Syndrom von

  • sehr heftigen kardialen Schmerzen
  • einer Ischämie des Myokards
  • vorübergehenden Veränderungen der ST- Strecke (Pinger 2019)

Einteilung

Die Prinzmetal- Angina zählt zur Gruppe der instabilen Angina pectoris (Barmeyer 2010).

Vorkommen/Epidemiologie

In der Literatur finden sich unterschiedliche Angaben hinsichtlich des Vorkommens einer vasospastischen Angina (VSA). Laut (Keller 2004) sind überwiegend junge Frauen ohne klassisches Risikoprofil für eine koronare Herzkrankheit – mit Ausnahme des Rauchens - betroffen. Stierle (2017) spricht von einem ausgeglichenen Geschlechterverhältnis.

Die Inzidenz der VSA ist bei Japanern 3 x höher als bei kaukasischen Patienten (Wang 2018). Grundsätzlich ist zu sagen, dass die Erkrankung überwiegend bei starken Rauchern auftritt und bei Patienten, die jünger sind als die üblichen KHK- Patienten (Stierle 2017). Die Prävalenz der VSA hat in den letzten Jahrzehnten deutlich abgenommen. Die Ursache dafür konnte bislang nicht belegt werden (Kasper 2015).

Assoziierende nicht- kardiale Erkrankungen:

  • Migräne bei bis zu 25 %
  • Raynaud- Syndrom bei ca. 33 % (Stierle 2017)

 

Ätiopathogenese

Bei der VSA kommt es zu einem fokalen Spasmus einer Koronararterie, die eine schwere transiente Ischämie des Myokards auslöst. Der genaue pathophysiologische Mechanismus ist nicht geklärt. Man vermutet eine durch adrenerge Vasokonstriktion, Leukotriene oder Serotonin ausgelöste Hyperkontraktilität der glatten Gefäßmuskulatur im Bereich der Koronarien (Kasper 2015).

Auslöser einer VSA können sein (de Luna 2014):

  • Nikotin
  • Kokain
  • Hyperventilation
  • Hypomagnesiämie
  • Amphetamine
  • Elektrolytstörungen
  • Kälteprovokation
  • Autoimmunerkrankungen

seltener bei: 

  • Alkoholentzug
  • psychischen Störungen (Stierle 2017)
  • durch unterschiedliche Medikamente ausgelöst wie z. B.:
  • Calciumkanalblocker etc. (Picard 2019)

Klinisches Bild

Die Symptomatik gleicht der einer Angina pectoris mit

  • retrosternal lokalisierten Schmerzen oft mit Ausstrahlung in
    • den Hals / Nacken
    • Unterkiefer
    • Zähne
    • Schulterbereich
    • beide (!) Arme (mit Fokus auf die ulnaren Seiten der Unterarme), die bis in die ulnaren Fingerspitzen ausstrahlen können
  • Schmerzen im Epigastrium (selten auch unterhalb des Bauchnabels)
  • typischerweise bleibt die Region des M. trapezius schmerzfrei (Schmerzen in diesem Bereich sind typisch für eine Perikarditis) (Kasper 2015).

Die Schmerzen treten in Ruhe auf, sind sehr heftig und häufig von einer (vermutlich rhythmogenen) Synkope begleitet. Ein Auftreten unter Belastung ist möglich, dann aber Zeichen einer begleitenden Arteriosklerose der Koronarien (Stierle 2017).

Es besteht eine zirkadiane Variabilität zwischen Mitternacht und ca. 8.00 Uhr morgens. Die Anfälle können Cluster- ähnlich oder sporadisch auftreten (Pinger 2019).

Bildgebung

Herzkatheter: Die Provokation einer VSA ist mit verschiedenen Stimuli möglich. Es besteht laut ESC 2013 eine IIa- Indikation zum koronarangiographischen Nachweis induzierter fokaler Spasmen.

Folgende Stimuli finden Anwendung:

  • Acetylcholin i. c. bis 200 µg für den Ramus interventricularis anterior, danach 80 µg für die A. coronaria dexter. Die größte, 283 Patienten betreffende Studie zeigte bei 33,4 % epikardiale Spasmen, bei 24,2 % mikrovaskuläre Spasmen, bei 28,6 % kein eindeutiges Testergebnis und bei 13,8 % ein unauffälliges Testergebnis (Ong 2014).
  • alternativ auch durch Ergonovin i. c. bis 60 µg (hierbei findet sich nicht so häufig ein positiver Befund)(Pinger 2019)
  • Histamin (de Luna 2014)
  • Hyperventilation mit 30 Atemzügen/ min. für 5 Minuten (bei ausreichender Spezifität ist die Sensitivität hierbei allerdings deutlich niedriger) (Pinger 2019)

Auch bei eindeutiger Symptomatik sollte immer eine Koronarangiographie mit o. g. Provokationstest erfolgen. Typischerweise findet sich bei 2/3 der Patienten eine geringe bis ausgeprägte Arteriosklerose der Koronarien, bei 1/3 sind die Koronarien vor dem Provokationstest unauffällig (Stierle 2017). Unter der Provokation findet sich ein vorübergehender Koronarspasmus. Dieser tritt bei bereits bestehenden Plaques innerhalb von 1 cm um einen Plaque herum auf. Am häufigsten kommt es in der A. coronary dextra zum Spasmus. Oftmals sind mehrere Stellen einer Arterie betroffen bzw. mehrere Arterien gleichzeitig (Kasper 2015).

Labor

Typischerweise findet sich KEIN Anstieg des Troponins, weder bei Troponin I noch bei Troponin T. Eine geringe CK- MB- Erhöhung ist möglich (Kasper 2015).

Diagnose

Bei jüngeren Patienten mit einer Angina pectoris in Ruhe, die nicht auf eine Behandlung mit Betablockern anspricht, sollte immer die Möglichkeit einer Prinzmetal- Angina in Betracht gezogen werden. (Stierle 2017).

Inspektion und Auskultation: Der kardiale Befund ist i. d. R. unauffällig (Kasper 2015).

EKG: Es sind bei der VSA nicht zwangsläufig EKG- Veränderungen vorhanden. Bei ca. 50 % der Patienten finden sich typische spitze, symmetrische T- Wellen, die von einer ST- Hebung begleitet sein können. Negative T- Wellen treten in ca. 20 % auf. Sehr häufig finden sich ventrikuläre Arrhythmien. Diese können lebensbedrohlich sein (de Luna 2014).

Langzeit- EKG: Da die EKG- Veränderungen variabel sind, dient das Langzeit- EKG zum Nachweis von Senkungen der ST- Strecke (Stierle 2017). Es besteht dafür eine IIa- Indikation (Pinger 2019).

Belastungs- EKG: Eine Ergometrie ist bei einer VSA unspezifisch und von daher nicht aussagekräftig (Stierle 2017). Es findet sich bei jeweils ca. 1/3 ein:

  • unauffälliger Befund
  • ST- Senkungen
  • ST- Hebungen (Pinger 2019)

Differentialdiagnose

Da die VSA typischerweise in Ruhe auftritt, sind differentialdiagnostisch abzugrenzen:

Die sog. „big five“ des Thoraxschmerzes sind:

  1. Akutes Koronarsyndrom
  2. Lungenembolie
  3. Aortendissektion
  4. Boerhaave- Syndrom (spontane Ruptur des Ösophagus nach starkem Erbrechen)
  5. Spannungspneumothorax (Herold 2020)

Therapie

Die Patienten sollten über die obligatorische Notwendigkeit, das Rauchen aufzugeben, aufgeklärt werden (Stierle 2017).

Interne Therapie

Die Behandlung besteht in einer medikamentösen Therapie mit:

Calciumkanalblocker: Die Eckpfeiler der Behandlung stellen Calciumkanal-Blocker dar. Durch sie lässt sich eine bessere Anfallsprophylaxe erreichen als durch Nitrate (Stierle 2017).

In einer Observationsstudie fand sich ein möglicher Überlebensvorteil durch die Behandlung mit Calciumkanalblockern (Pinger 2019).

Die Calciumkanal-Blocker sind allesamt mit unterschiedlicher Effektivität wirksam. Manche Autoren sprechen von 90 % iger Wirksamkeit, andere von ca. 1/3 der Patienten, die langfristig komplett beschwerdefrei werden (Pinger 2019).

Die Behandlung sollte wenigstens für 6 – 12 Monate erfolgen. Bei Beschwerdefreiheit kann ein langsames Ausschleichen versucht werden. Sollten die Beschwerden im weiteren Verlauf erneut auftreten, empfiehlt sich eine mehrjährige Therapie, bevor ein erneutes Ausschleichen möglich ist (Stierle 2017).

Auch nach Auftreten eines Myokardinfarktes oder Kammerflimmern ist eine mehrjährige Behandlung erforderlich, bevor ein Auslassversuch unternommen werden kann (Stierle 2017).

Dosierungsempfehlung für Calciumkanalblocker:

Es sollte die maximal tolerierte Dosis verabreicht werden, z. B.

  • Diltiazem 120 mg – 360 mg
  • Verapamil 240 mg – 480 mg
  • Nifedipin 60 mg – 120 mg

Sollte sich eine Substanz als unwirksam erweisen, empfiehlt sich der Wechsel auf ein anderes Präparat oder eine Kombination von 2 oder 3 Calciumkanalblockern plus Gabe eines Nitrates (Pinger 2019).

Dosierungsempfehlung für eine parenterale Notfalltherapie:

  • Diltiazem 0,3 mg/kg KG initial langsam i. v. verabreichen
  • anschließend über einen Perfusor mit 50 ml / 100 mg, ca. 5 ml – 10 ml/h = 10 mg – 20 mg/h je nach RR (Dosierung: 0,0028 – 0,014 mg/kg KG/Min.) (Stierle 2017)

Nitrate: Nitrate können Angina-pectoris- Anfälle innerhalb von Minuten terminieren. Sie sind als langwirksame Präparate – in Kombination mit Ca- Blockern - auch prophylaktisch wirksam (Pinger 2019). Nitrate haben sich aber im Vergleich mit CA- Blockern als weniger wirksam erwiesen.

Dosierungsempfehlung für Nitrate:

  • ISMN 3 x 20 mg/d

oder als Akuttherapie:

  • Nitroperfusor 3 mg – 5 mg/h (Stierle 2017)

Acetylsalicylsäure: Von einer Behandlung mit Acetylsalicylsäure wird abgeraten, da diese die Spasmusneigung verstärken kann (Pinger 2019).

Magnesium: Eine positive Wirkung ist von Magnesium p. o. beschrieben. Im Anfall sollte es i. v. verabreicht werden (Stierle 2017).

Alpha-Rezeptorenblocker: Über positive Erfolge ist im Einzelfall auch von Alphablockern wie z. B. Prazosin und Clonidin berichtet worden (Stierle 2017).

Betablocker: Durch die Gabe eines Betablockers wird häufig eine verstärkte Spasmusneigung ausgelöst. Deshalb sollte die Behandlung mit Betablockern bei PC- Patienten vermieden werden. Sie können eventuell hilfreich sein bei Patienten mit Vasospasmus, die eine koronare Herzkrankheit mit fixierter Stenose aufweisen (Pinger 2019).

Statine: Der klinische Effekt durch Statine ist unklar, eine Reduktion der Vasokonstriktion ist aber beschrieben (Pinger 2019).

Arrhythmieprävention: Sollten ischämieinduzierte Rhythmusstörungen oder ein überlebter plötzlicher Herztod bestehen, ist ein implantierbarer Cardioverter- Defibrillator indiziert (Stierle 2017).

Verlauf/Prognose

Im Verlauf einer VSA kann es in seltenen Fällen zu einem Myokardinfarkt kommen. Häufig sind (ventrikuläre) Arrhythmien, die jedoch nur selten ein Kammerflimmern bzw. einen plötzlichen Herztod übergehen (de Luna 2014). Die Prognose hängt in erster Linie von einer zusätzlich bestehenden koronaren Herzkrankheit ab. Ohne eine KHK sind die Überlebensraten gut:

  • 5- Jahresüberlebensrate liegt bei > 90 % (Stierle 2017)

Bei bestehender insignifikanter KHK liegt die:

  • jährliche Todesrate durch kardiovaskuläre Ereignisse bei 0,5 % (Stierle 2017)

Eine schlechtere Prognose findet sich bei Patienten mit:

  • ST- Hebungen in mehreren Ableitungen
  • Z. n. Kammerflimmern / -flattern
  • Z. n. Myokardinfarkt

Hier kann es bei bis zu 10 % der Patienten zu einem plötzlichen Herztod kommen (Stierle 2017).

Die Abschätzung des prognostischen Risikos ist mit Hilfe des JCSA (Japanese Coronary Spasm Association)- Scores möglich (Takagi 2014).

Literatur

  1. Barmeyer J et al. (2020) Die myokardialen Ischämiesyndrome - Klinik und postmortale Pathomorphologie: Was wir aus dem natürlichen Krankheitsverlauf lernen können. Elsevier Verlag Kapitel 2.1. - 2.2.
  2. Herold G et al. (2020) Innere Medizin. Herold Verlag S 240
  3. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 1598
  4. Kasper D L et al. (2015) Harrisons Innere Medizin. Georg Thieme Verlag S 1952 - 1953
  5. Keller K B et al. (2004) Prinzmetal's angina. Am J Crit Care 13: 350 – 354
  6. de Luna A B et al. (2014) Prinzmetal Angina: ECG Changes and Clinical Considerations: A Consensus Paper A. N. E. Vol. 19: 442 – 453
  7. Ong P et al. (2014) Clinical usefulness, angiographic characteristics, and safety evaluation of intracoronary acetylcholine provocation testing among 921 consecutive White patients with unobstructed coronary arteries. Circulation 129: 1723 – 1730
  8. Picard F et al. (2019) Vasospastic angina: A literature review of current evidence. Arch Cardiovasc Dis. 112: 44 – 55
  9. Pinger S (2019) Repetitorium Kardiologie: Für Klinik, Praxis, Facharztprüfung. Deutscher Ärzteverlag S 79 - 80
  10. Stierle U et al. (2014) Klinikleitfaden Kardiologie. Elsevier Urban und Fischer S 100 – 102
  11. Takagi Y et al. (2014) Prognostic Stratification of Patients With Vasospastic Angina: A Comprehensive Clinical Risk Score Developed by the Japanese Coronary Spasm Association. JACC 63: 1584 - 1586
  12. Wang S S et al. (2018) Coronary Artery Vasospasm. The heart org. Medscape

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