Persistierender Ductus Botalli
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Bereits Galen beschrieb im 2. Jahrhundert einen persistierenden Ductus Botalli. Weitere diesbezügliche Aufzeichnungen finden sich im 17. Jahrhundert von Botallo. Die erste operative Behandlung des Ductus gelang Frey 1937 in Düsseldorf (Häring 1986).
Definition
Beim persistierenden Ductus Botalli (PDA) handelt es sich um eine persistierende Gefäßverbindung zwischen deszendierender thorakaler Aorta und der Pulmonalarterie, die postpartal länger als 3 Monate unverschlossen bleibt (Herold 2023). Der normalerweise physiologische Verschluss des fetalen Ductus bleibt hierbei aus (Cesnjevar 2016).
Der persistierende Ductus Botalli stellt bei Frühgeborenen physiologisches Phänomen dar (Kindler 2017).
Einteilung
Man differenziert zwischen einem:
- Kleinen PDA:
Es findet sich hierbei keine wesentliche Vergrößerung des linken Herzens. Es besteht während des gesamten Herzzyklus ein Links- Rechts- Shunt. Das Lungenzeitvolumen (Qp) / zu Körperzeitvolumen (Qs) liegt bei < 1,5 : 1. Das Verhältnis zwischen Pulmonalarteriendruck zu Systemdruck ist normal (Herold 2023).
- Mittelgroßen PDA:
Hierbei besteht eine Volumenbelastung des linken Vorhofs, des linken Ventrikels und den Pulmonalgefäßen. Das Lungenzeitvolumen (Qp) / zu Körperzeitvolumen (Qs) beträgt 1,5 – 2 : 1. Die Drucktrennung zwischen beiden Kreisläufen beträgt PAP / SP ≤ 0,5. Der Lungengefäßwiderstand ist noch nicht wesentlich erhöht (Herold 2023).
- Großen PDA
Bei einem großen PDA liegt das Lungenzeitvolumen (Qp) / zu Körperzeitvolumen (Qs) > 2 : 1. Es besteht nahezu keine Drucktrennung der beiden Kreisläufe mehr, d. h. es ist zu einer pulmo- vaskulären Erkrankung (der sog. Eisenmenger- Reaktion) mit weitgehend irreversiblem Anstieg des Lungengefäßwiderstandes auf den Systemwiderstand gekommen und es besteht nunmehr eine Shuntumkehr mit Rechts- Links- Shunt (Herold 2023).
Vorkommen/Epidemiologie
Ein PDA besteht bei ca. 10 % aller angeborenen Herzfehler (Herold 2023). Damit ist der PDA die häufigste angeborene Angiopathie (Christ 2022). Das Geschlechterverhältnis männlich : weiblich liegt bei 1 : 2 bis sogar 1 : 3 (Herold 2023).
Bei Frühgeborenen tritt ein PDA deutlich häufiger auf (Christ 2022).
Ätiopathogenese
Nach einer Rötelinfektion während der Schwangerschaft erhöht sich beim Ungeborenen das Risiko, einen PDA zu entwickeln (Christ 2022). Außerdem spielen Unreife des Neugeborenen und postpartale Hypoxie eine Rolle (Vogel 2022).
Die genauen Ursachen, warum sich der Ductus bei manchen Kindern nicht verschließt, sind bislang jedoch nicht bekannt (Christ 2022).
Pathophysiologie
Während der Schwangerschaft wird der Ductus durch hohe Spiegel zirkulierender Prostaglandine und durch die nicht belüftete Lunge offengehalten. Postprandial, mit dem Abtrennen der Nabelschnur von der Plazenta sinken die hohen Prostaglandinspiegel. Die Lungen expandieren rasch mit den ersten Atemzügen und damit fällt auch der Lungenwiderstand. All diese Faktoren führen dazu, dass es zu einer Kontraktion der glatten Muskulatur im Bereich der Ductuswand kommt und der Ductus spätestens 3 Tage nach der Geburt dauerhaft verschlossen wird (Cesnjevar 2016).
Bleibt der Verschluss des Ductus aus, kommt es durch das postnatale Absinken des Lungengefäßwiderstandes zu einem aortopulmonalen systolisch- diastolischen Links- Rechts- Shunt (Cesnjevar 2016).
Lokalisation
Ein PDA ist i. d. R. linksseitig lokalisiert. Lediglich bei Patienten mit rechtsseitigem Aortenbogen kann der Ductus rechtsseitig oder sogar beidseitig bestehen (Cesnjevar 2016).
Klinisches Bild
Bei einem großen PDA können bereits im Säuglingsalter bestehen: (Herold 2023)
- Zeichen einer schweren Herzinsuffizienz
- Dyspnoe
- Tachypnoe
- Gedeihstörung
- Hepatomegalie (Cesnjevar 2016)
- Differentielle Zyanose (die Sauerstoffsättigung in der unteren Körperhälfte ist niedriger als in der oberen [Kasper 2015])
- Eisenmenger- Reaktion: Die Eisenmenger- Reaktion tritt meistens erst nach dem 3. Lebensjahr auf (Herold 2023)
Bei einem mittelgroßen PDA zeigen sich die ersten Beschwerden meistens erst in der 3. Dekade. Zu einer Eisenmenger- Reaktion kann es dabei zwischen dem 2. – 4. Lebensjahrzehnt kommen (Herold 2023).
Diagnostik
Neben der körperlichen Untersuchung, der Auskultation, Blutdruckmessung und Messung der Sauerstoffsättigung an beiden Armen und Beinen sollten ein Echo / Farbdoppler und ein MRT erfolgen. Falls der V. a. eine pulmonale Hypertonie besteht, ist zusätzlich eine Herzkatheteruntersuchung angezeigt (Herold 2023). Bei einem sehr kleinen Ductus empfiehlt sich eine Angiographie (Christ 2022).
Palpation:
- Verbreiterter Herzspitzenstoß nach lateral- kaudal verschoben
- Schwirren über dem 2. ICR links parasternal tastbar (Christ 2022).
Auskultation:
Im Neugeborenenalter besteht ein systolisches Geräusch in der linken Infraclavikularregion. Dieses entwickelt sich im weiteren Verlauf zu einem kontinuierlichen systolisch- diastolischen Geräusch - auch als „Maschinengeräusch bezeichnet - in der linken Infraclavikularregion (Cesnjevar 2016). Das Geräusch ist um so schwächer auskultierbar, je größer der PDA ist (Christ 2022).
Bei einem sehr kleinen offenen Ductus Botalli, der hämodynamisch irrelevant ist, ist die Auskultation unauffällig. Man spricht in diesem Fall von einem sog. „silent duct“ (Cesnjevar 2016).
Blutdruck:
Typisch für den PDA ist eine große Blutdruckamplitude (Cesnjevar 2016).
Bildgebung
Echokardiographie:
Hierdurch kann der Ductus hinsichtlich seiner Größe und dynamischen Relevanz sehr gut beurteilt werden (Cesnjevar 2016).
EKG:
Im EKG finden sich Zeichen einer Linksherzbelastung. Sollten außerdem Hinweise auf eine Rechtsherzhypertrophie auftreten, so sind diese als Zeichen einer erheblichen pulmonalen Drucksteigerung zu werten (Cesnjevar 2016).
MRT:
Eine MRT ist angezeigt bei einem:
- Auskultatorisch stummem Ductus
- Kleinen, hämodynamisch unbedeutenden Ductus
- Hämodynamisch relevanten Ductus mit systolisch- diastolischem Auskultationsgeräusch
- Sehr großen Ductus mit pulmonaler Hypertonie (Cesnjevar 2016)
Angiographie:
Die Angiographie stellt den sensitivsten Nachweis bei einem kleinen PDA dar (Christ 2022).
Röntgen Thorax
Hierbei zeigen sich meistens eine Kardiomegalie sowie mehr oder weniger ausgeprägte Zeichen einer pulmonalen Hyperämie (Cesnjevar 2016).
Komplikation(en)
- Eisenmenger- Reaktion: Diese tritt bei einem schwere PDA im 3. Lebensjahr, bei mittelschwerem PDA zwischen dem 2. und 4. Lebensjahrzehnt auf (Herold 2023)
- Dissoziierte Zyanose, d. h. Zyanose der unteren Körperpartie. Zu dieser kommt es mit Eintritt der Shunt- Umkehr (Christ 2022)
Bei einem ausgeprägten Links- Rechts- Shunt über dem PDA kann es bei Frühgeborenen auch im Systemkreislauf zu einem relevanten Steal- Phänomen kommen mit:
- Nekrotisierender Enterokolitis (NEC)
- Zerebralen Ischämien mit sekundären Einblutungen (Cesnjevar 2016)
Bei einem kleinen PDA besteht mit zunehmendem Alter die Gefahr von:
- Endarteriitis
- Septischen Embolien
- Lungenabszessen (Herold 2023)
- Endokarditis (Vogel 2022).
Bei älteren Patienten können auftreten:
- Pulmoarterielle Hypertonie
- Verkalkungen des Ductus
- Aneurysmen (Herold 2023)
Therapie allgemein
Bis zum 4. Lebensmonat kann sich ein PDA noch spontan verschließen. Bei Neugeborenen ist außerdem eine konservative Therapie mit Medikamenten möglich (Näheres s. „Interne Therapie“ (Christ 2022).
Ein asymptomatischer Ductus muss zwar nicht zwingend therapiert werden, aber er stellt ein deutlich erhöhtes Risiko für das Auftreten einer Endokarditis dar (Vogel 2022).
Interne Therapie
Mitunter kommt es bei einigen Neugeborenen nach Gabe von intravenösen Prostaglandinsynthese- Hemmern wie z. B. Indometacin oder Ibuprofen zum Verschluss des Ductus (Christ 2022) bzw. ist ein Verschluss auch durch eine Therapie mit Acetylsalicylsäure möglich (Lohr 2002).
Operative Therapie
Der operative Verschluss des Ductus sollte möglichst frühzeitig erfolgen (Christ 2022), d. h. bei Frühgeborenen mit Atemnotsyndrom und Kindern mit kardiorespiratorischer Insuffizienz unmittelbar nach Diagnosestellung, bei reifen Neugeborenen innerhalb der ersten 3 Lebensmonate (Vogel 2022).
Das Risiko des Eingriffs liegt bei < 1 % (Christ 2022).
Die operative Therapie eines PDA kann bestehen aus:
- Interventioneller Katheterverschluss
Hierzu zählen zu den Verfahren der Wahl z. B. diverse Occluder- Systeme oder Coils (Herold 2023). Heutzutage werden die meisten PDA durch die interventionelle Therapie verschlossen. Die Erfolgsrate liegt hierbei inzwischen bei über 90 % (Vogel 2022).
- Chirurgischer Therapie
Sollte wegen der Größe des Shunts oder auch aus technischen Gründen ein interkonventioneller Verschluss nicht möglich sein, so ist ein chirurgischer Verschluss angezeigt (Herold 2023). Dieser erfolgt außerdem bei symptomatischen Frühgeborenen und bei Vorliegen komplexer Herzvitien (Vogel 2022).
Verlauf/Prognose
Ein Spontanverschluss ist beim PDA möglich (Herold 2023).
Todesursachen eines nicht behandelten PDA sind:
- Pulmovaskuläre Erkrankung (sog. Eisenmenger- Reaktion)
- Komplikationen der Endarteriitis (Herold 2023)
- Infektiöse Endokarditis (Kasper 2015)
Literatur
- Cesnjevar R, Dittrich S (2016) S2k- Leitlinie: Persistierender Ductus arteriosus im Kindes- und Jugendalter. Bayrisches Ärzteblatt 640 – 645
- Christ J (2022) Kardiologie: Basics. Elsevier Urban und Fischer Verlag 115 - 116
- Häring R, Zilch H (1986) Lehrbuch Chirurgie mit Repetitorium. Walter de Gruyter Berlin / New York 347
- Herold G et al. (2023) Innere Medizin. Herold Verlag 193 - 194
- Kasper D L, Fauci A S, Hauser S L, Longo D L, Jameson J L, Loscalzo J et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 1523
- Kindler A, Seipolt B, Heilmann A, Range U, Rüdiger M, Hofmann S R (2017) Development of a Diagnostic Clinical Score for Hemodynamically Significant Patent Ductus Arteriosus. Front Pediatr. Sec. Neonatology (5) 280 https://doi.org/10.3389/fped.2017.00280
- Lohr M (2002) Original- Prüfungsfragen mit Kommentar: GK 2 Pathophysiologie, Pathobiochemie. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 194
- Vogel A (2022) Chirurgie in Frage und Antwort. Elsevier Urban und Fischer Verlag 120