Eisenmenger-Reaktion

Autor:Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 21.08.2024

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Synonym(e)

Eisenmenger- Komplex; Eisenmenger- Syndrom

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Erstbeschreiber

Die Eisenmenger- Reaktion beschrieb pathologisch- anatomisch erstmals Victor Eisenmenger 1897 bei einem 32- jährigen Patienten mit einem großen Ventrikelseptumdefekt und einer reitenden Aorta, der unter einer schweren Zyanose und Herzinsuffizienz litt und letztlich an Hämoptysen verstarb.  Die erste pathophysiologische und klinische Beschreibung stammt von Paul Wood et al., der diese in den 50er Jahren veröffentlichte (Pinger 2019 / Siegenthaler 2005).

Definition

Unter einer Eisenmenger- Reaktion versteht man eine pulmoarterielle Hypertonie mit Shunt- Umkehr oder bidirektionalem Shunt (Siegenthaler 2005). Es handelt es sich um die Folgeerkrankung eines nicht- operierten Shunt- Vitiums, bei der der pulmoarterielle Perfusionswiderstand auf Werte über den des systemischen Widerstandes ansteigt. Der Widerstand der Lungengefäße erreicht dabei Werte > 800 dyn.s.cm-5. Die initiale Shuntrichtung von systemarteriell nach pulmonalarteriell (sog. Links- Rechts- Shunt) kehrt sich durch die pulmonale Hypertonie um in einen Rechts- Links- Shunt auf atrialer, ventrikulärer und arterieller Ebene (Erdmann 2009 / Rath 2005).

Die Bezeichnung eines Eisenmenger- Syndroms bleibt ausschließlich Patienten vorbehalten, die eine große Verbindung auf einem atrialen, ventrikulären oder aortopulmonalen Niveau zwischen beiden Kreisläufen aufweisen und einen bidirektionalen Shunt oder einen durch den großen Widerstand der Gefäße und die obstruktive pulmonale Hypertonie vorhandenen Rechts- Links- Shunt aufweisen (Kasper 2015).

Es findet sich bei diesen Patienten immer eine durch die Zyanose bedingte (Mebus 2015) komplexe Multi- Organ- Beteiligung (Herold 2019). Primär sind zwar ausschließlich das Herz und die Lunge betroffen, sekundär aber auch die Leber, der Darm und die Nieren (Biro 2011).

Einteilung

Das Eisenmenger- Syndrom zählt in der Klassifikation der pulmonalen Hypertonie bei angeborenen Herzfehlern zum Typ 1 der insgesamt 4 Typen (Mebus 2015).

Je nach Lokalisation des Shunts differenziert man zwischen:

  • prä- trikuspidal (proximal der Trikuspidalklappe wie z. B. beim Vorhofseptumdefekt)
  • post- trikuspidal (distal der Trikuspidalklappe wie z. B. beim Ventrikelseptumdefekt) (Herold 2019)

Die Klassifizierung nach morphologischen Veränderungen umfasst 6 Grade.

  • Grad 1 (Hierbei findet sich histologisch eine Media- Hypertrophie).
  • Grad 2 (Zusätzlich zur Media- Hypertrophie besteht eine Intima- Proliferation).
  • Grad 3 (Bei Grad 3 finden sich außerdem erste Gefäßverschlüsse).
  • Grad 4 (Hier treten zusätzlich noch angiomatöse Veränderungen und eine Dilatation auf).
  • Grad 5 (Es besteht außer den o. g. Veränderungen noch eine Atrophie der Gefäßwand).
  • Grad 6 (Zusätzlich tritt hierbei noch eine nekrotisierende Arteriitis auf).

Herold (2019) differenziert zwischen Eisenmenger- Reaktion und dem Eisenmenger- Syndrom: Die Eisenmenger- Reaktion bezeichnet den pathologischen Vorgang, der zu einem Eisenmenger- Syndrom führt.

Pathophysiologie: Der pathophysiologische Mechanismus ist nicht gänzlich geklärt (Herold 2019). Durch die vermehrten Blutvolumina kommt es zu einer Druckbelastung der Lungengefäße, die wiederum eine irreversible pulmonalarterielle Vaskulopathie auslöst. Durch diese entsteht eine Obstruktion, aus der sich eine Dilatation der Pulmonalarterien, eine konzentrische rechtsventrikuläre bzw. rechtsatriale Hypertrophie und eine fibrosierende rechtsseitige Dilatation der Klappen entwickelt, die bis hin zu einer Kalzifizierung der Pulmonalarterien gehen kann (Erdmann 2009). Auch die Plättchenaktivierung und die endotheliale Dysfunktion spielen pathophysiologisch eine große Rolle. Insgesamt sind aber zur vollständigen Klärung des Pathomechanismus weitere Untersuchungen erforderlich (Herold 2019).

 

Vorkommen

Von einer pulmonalen Hypertonie sind ca. 5 % bis 10 % der Patienten mit angeborenen Vitien betroffen (Pingler 2019).

Die Inzidenz der pulmonalen Hypertonie liegt bei Neugeborenen mit angeborenem Links- Rechts- Shunt bei ca. 1,6 bis 12.,5 Fälle pro 1 Million Erwachsener. Davon entwickeln ca. 25 % bis 50 % ein Eisenmenger- Syndrom (Biro 2011), wobei die Tendenz weiter abnehmend ist, da in den westlichen Ländern sowohl die Diagnostik durch Kindervorsorgeuntersuchungen effizient Herzfehler identifiziert und sich zusätzlich die operativen Möglichkeiten für Neugeborene und Kinder stetig verbessern (Erdmann 2009).

 

 

Ätiologie

Kongenitale Defekte mit primärem Links- Rechts- Shunt können zu einer Eisenmenger- Reaktion führen. Insbesondere tritt diese bei folgenden Anomalien auf:

  • große Defekte des Vorhofseptums
  • große Defekte des Ventrikelseptums
  • offener Ductus Botalli
  • chirurgisch angelegte aortopulmonale Anastomosen (Rath 2005)
  • Ductus arteriosus persistens
  • Truncus arteriosus
  • komplexe Formen der kompletten Transposition der großen Gefäße (Herold 2019)

Zunächst liegt der Eisenmenger- Reaktion eine durch ventrikuläre Volumenbelastung entstandene Herzinsuffizienz zugrunde. Bei Neugeborenen nimmt in den ersten Lebensmonaten der Lungengefäßwiderstand ab und es besteht unter Belastung ein Links- Rechts- Shunt. 

In den ersten beiden Lebensjahren kommt es dann durch die vermehrte Lungendurchblutung zu einer Zunahme des Lungengefäßwiderstandes. Durch die Zunahme nehmen die Zeichen der vormals bestandenen Herzinsuffizienz ab und es treten klinische Zeichen der Shuntumkehr auf (Siegenthaler 2005).

Bei post- trikuspidalen Defekten beginnt bereits im Säuglingsalter die pulmonale Gefäßerkrankung, während Patienten mit prä- trikuspidalen Defekten seltener ein Eisenmenger- Syndrom entwickeln (Michel- Behnke 1997).

 

 

Lokalisation

Klinisches Bild

  • allgemeine Leistungsschwäche
  • Müdigkeit
  • Kopfschmerzen
  • Sehstörungen
  • Schwindel
  • Arrhythmien
  • Dyspnoe
  • Zyanose (s.a. „Inspektion und Palpation“)
  • Hämoptysen (diese entstehen durch Lungeninfarkte bzw. Rupturen von Lungengewebe)
  • Synkopen (diese treten durch das niedrige Herzzeitvolumen auf)
  • zerebrovaskuläre Ereignisse wie z. B. Hyperviskosität, Hirnabszess, paradoxe Embolien (Herold 2019)
  • Nykturie  (Lasserre 2002)

 

 

Bildgebung

Röntgen Thorax

Ein Röntgenbild des Thorax gehört zur Basisdiagnostik. Es können sich dabei zeigen:

  • erweiterte zentrale Lungenarterien
  • teilweise Verkalkungen in den Lungenarterien
  • Gefäßabbrüche in der Peripherie
  • Kaliberschwankungen (ebenfalls in der Peripherie)
  • Plethora (verstärkte Gefäßzeichnung der Lunge) so lange ein Links- Rechts- Shunt dominant ist (Siegenthaler 2005)

Echokardiographie

Die Farbdoppler- Echokardiographie ist die Methode der Wahl zur Diagnostik eines Eisenmenger- Syndroms (Siegenthaler 2005).  Hierbei können charakteristische morphologische und auch funktionelle Zeichen eines Eisenmenger- Syndroms erfasst werden. Semiquantitativ lassen sich Aussagen zu den intrakardialen und pulmonalen Druckverhältnissen machen.  Auch in der Verlaufskontrolle spielt diese nicht- invasive Untersuchungsmethode eine große Rolle (Mebus 2015).

Kardio- MRT

Die MRT kann ergänzende Befunde zur Echokardiographie geben. Es können dadurch näher beurteilt werden:

  • Größe der Ventrikel
  • Funktion der Ventrikel
  • Myokardmasse
  • Vitalität des Myokards
  • Schlagvolumina
  • Flussvolumina
  • Lungenperfusion

Die MRT wird auch bei der Verlaufsbeurteilung eingesetzt (Mebus 2015).

Herzkatheterdiagnostik

Durch die Herzkatheteruntersuchung lassen sich sowohl die exakte Quantifizierung als auch die Überprüfung der Reagibilität des Lungengefäßbettes feststellen (Dittrich 2010). Zur Quantifizierung des Widerstandes der Lungengefäße ist die Herzkatheteruntersuchung obligat.  Die angiographische Darstellung der Lungengefäße birgt jedoch ein hohes Risiko mit möglicher Todesfolge während der Untersuchung (Erdmann 2009).

Labor

Laborchemisch besteht eine reaktive Erythrozytose. Sie stellt ein typisches Bild bei einem Eisenmenger- Syndrom dar. Der gesamte Eisenstatus sollte bestimmt werden, da es häufig zu einem Eisenmangel kommt. (Herold 2019). Neben dem Blutbild sollten der Gerinnungsstatus, die Nierenwerte, Eisen, Bilirubin und Harnsäure überprüft werden (Erdmann 2009).

 

 

Diagnose

Inspektion und Palpation:

  • zentrale Zyanose (in Folge des Rechts- Links- Shunts via Ductus arteriosus sind die unteren Extremitäten stärker mit venösem Blut perfundiert, wodurch die Zehen und Beine mehr von der Zyanose betroffen sind als die Finger und Arme [Pinger 2019])
  • Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz (Biro 2011) mit
  • Halsvenenstau
  • Ödemen an den abhängigen Partien des Körpers
  • Lebervergrößerung
  • Pleuraergüsse
  • Vergrößerung der V. cava 

(Lasserre 2002)

  • Uhrglasnägel (Pinger 2019)
  • Trommelschlegelfinger (Mebus 2015)
  • palpabler 2. Herzton kann eventuell vorhanden sein (Siegenthaler 2005)

 

Auskultation

  • lauter 2. Herzton 
  • im 2. ICR links parasternal kann ein Diastolikum auskultierbar sein (bei einer bestehenden Pulmonalinsuffizienz) 
  • am linken distalen Rand des Sternums ist eventuell ein Pansystolikum auskultierbar (bei einer Trikuspidalinsuffizienz; das Geräusch verstärkt sich bei der Inspiration und schwächt sich bei der Expiration ab: sog. Carvallo- Zeichen)

(Pinger 2019)

 

EKG

Im EKG sind vorhanden:

  • Zeichen der Rechtshypertrophie wie z. B.: 
    • P- dextrokardiale (Cook- Sup So 2013)
    • Sokolow- Lyon- Index: RV1 + SV 5 / 6 > 1,05 mV
    • (in-) kompletter Rechtsschenkelblock

(Herold 2018)

  • Vorhofflimmern und Vorhofflattern (treten bei ca. 35 % auf)
  • Kammerflimmern (findet sich bei bis zu 10 % der Patienten)

(Pinger 2019)

 

Langzeit- EKG

Ein Langzeit- EKG ist indiziert, wenn der V. a. Rhythmusstörungen besteht. Das Auftreten der Rhythmusstörungen ist immer mit einer schlechten Prognose assoziiert (Mebus 2015).

 

Lungenfunktionstest und Belastungsuntersuchungen (6- Minuten- Gehtest)

Um die körperliche Belastbarkeit zu objektivieren, sollten Belastungsuntersuchungen bei Kindern ab ca. dem Schulalter erfolgen. 

(Mebus 2015)

 

Pulsoxymetrie

Mit Hilfe der Pulsoxymetrie lassen sich Rückschlüsse auf das Ausmaß des Rechts- Links- Shunts gewinnen (Dittrich 2010).

Differentialdiagnose

Differentialdiagnostisch sind andere Formen der pulmonalarteriellen Hypertonie auszuschließen (Biro 2011)

Therapie allgemein

Die Behandlungsmöglichkeiten umfassen sowohl konservative, als auch operative Therapien. Die konservative Behandlung sollte stets in Anbindung an ein entsprechend erfahrenes Zentrum erfolgen, ebenso die Überwachung des Krankheitsbildes (Herold 2019).

Interne Therapie

Zu den konservativen Therapiemöglichkeiten zählen:

1. Allgemeine Empfehlungen

  • Einschränkung der Belastung (symptomorientiert)
  • Vermeiden von:
    • Alkohol
    • heißen Bädern
    • Saunabesuche
    • Discobesuchen
  • besondere Vorsicht ist geboten bei:
    • Fieber
    • Dehydratation
    • Vasodilatation (s. a. u. „Medikamentöse Behandlung“)
    • Blutverlusten

 2. Medikamentöse Behandlung

Der Beginn einer medikamentösen Behandlung hat sich in den letzten Jahren in frühere NYHA- Stadien verschoben. Spätestens ab NYHA- Klasse III sollte die Therapie einsetzen, ggf. aber auch schon früher (Mebus 2015).

Zu den Medikamenten, die bei einem Eisenmenger- Syndrom eingesetzt werden können, gehören folgende:

  • die pulmonale Hypertonie sollte entsprechend den Leitlinien behandelt werden

Dosierungsempfehlungen:

  • Endothelin- Rezeptor- Antagonisten: z. B. Bosentan
    • Zulassung erst ab 2 Jahren
    • Kinder: 4 mg/kg/d in 2 Einzeldosen p. o. (Zieldosis)
    • Erwachsene: 2 x / d 62,5 mg p. o. (4- wöchige Startdosis)
    • 2 x / d 125 mg p. o. (Zieldosis)
  • Phosphodiesterase-5-Inhibitoren: z. B. Sildenafil 
    • Zulassung ab 1 Jahr 
    • Dosierung laut Fachinformation für Kinder:
    • Kinder mit 8 – 20 kg und Alter > 1Jahr: 3 x /d 10 mg p. o.
    • Kinder mit >20 kg : 3 x /d 20 mg p. o.
    • Experten- Empfehlung: 1 – 4 mg/kg/d in 3 -4 Einzeldosen p. o.
    • Dosierung laut Fachinformation für Erwachsene:
    • Erwachsene: 3 x /d 20 mg p. o.
    • Empfehlung der Kölner Konsensus Konferenz: Dosiserhöhung auf max. 3 x /d 80 mg p. o., dann off- label- Einsatz
  • Vorsicht ist bei folgenden Medikamenten geboten:
    • Medikamente, die eine Senkung des Widerstandes im großen Kreislauf bewirken wie z. B. ACE- Hemmer, Angiotensin- Blocker etc.
    • Medikamente, die das Blutungsrisiko erhöhen wie z. B. Antikoagulantien (erhöhen das Risiko einer Lungenembolie bis zu 30 % [Pinger 2019]), Aggregationshemmer etc.
    • Medikamente, die das Thromboserisiko erhöhen wie z. B. Diuretika, Östrogene etc. (Mebus 2011)
  •  Antikoagulantien 
    • Die Gabe von Antikoagulantien wird kontrovers diskutiert. Diesbezügliche Studien gibt es nicht (Pinger 2019). Die Antikoagulantien können bei einem Eisenmenger- Syndrom eventuell erforderlich sein bei:
      • atrialen Arrhythmien
      • Z. n. mechanischem Klappenersatz
      • Thromboembolie
  • Vasodilatantien
    • Für das zu den Vasodilatantien zählende Bosentan wurde 2015 eine Klasse- I- Empfehlung von der ESC für Patienten der WHO- FC- III ausgesprochen. Es hat sich in Studien gezeigt, dass sich bei Patienten unter der Gabe von Bosentan sowohl die Gehstrecke (plus 53 m) als auch die funktionelle Klasse verbessern. Ebenso wurde in Observationsstudien das Sterblichkeitsrisiko verringert.(Pinger 2019)
  • bei Eisenmangel sollte unbedingt die Substitution von Eisen erfolgen, da Eisenmangel das Risiko eines Apoplexes erhöht und die Leistungsfähigkeit mindert (Pinger 2019). (Cave: Unter Eisentherapie findet sich ein überproportionaler Anstieg von Hb und HKT [Herold 2019])

3. Aderlass

  • Ein Aderlass sollte bei Erwachsen ausschließlich bei einer symptomatischen Hyperviskosität (mit folgenden Symptomen: Eintrübung, Kopfschmerz, Schwindel, Sehstörungen) erfolgen.
  • Ein erhöhter Hämatokrit (auch bei sehr hohen Werten) stellt bei asymptomatischen Patienten keine Indikation zum Aderlass dar (Herold 2019)

Technik des Aderlasses: Bei einem Aderlass sollten maximal 500 ml Blut (Pinger: 250 – 500 ml) entnommen werden unter i. v. Substitution einer isovolämischen Flüssigkeit.  Der Aderlass sollte bei Patienten mit Eisenmenger- Syndrom möglichst nicht häufiger als 4 x pro Jahr erfolgen. Die Gefahren sind:

  • Schock bei zu raschem oder zu schnellem Volumenverlust
  • Gefahr des Eisenmangels
  • durch alterierende Erythrozyten besteht die Gefahr einer erhöhten Viskosität 
  • das Risiko eines Apoplexes ist erhöht
  • die Belastungstoleranz kann abnehmen (Pinger 2019)

4. Sauerstofftherapie

  • Die Sauerstoffgabe zählt zu der IIa- Indikation nach ESC 2015 (Pinger 2019).
  • Sie kann bei manchen erwachsenen Patienten zu einer subjektiven Verbesserung führen. Die Datenlage hierzu ist aber noch unzureichend (Herold 2019). Eine Lebensverlängerung unter Sauerstoffgabe konnte bislang nicht nachgewiesen werden (Pinger 2019). 

 

 

Operative Therapie

Wegen der Gefahr der kardialen Dekompensation darf ein eventuell bestehender Shunt nicht operativ verschlossen werden (Pinger 2019). Die einzige Möglichkeit einer chirurgischen Behandlung stellt die Transplantation dar.  Optional stehen die Einzel- Lungen TX, die bilaterale Lungen- TX plus intrakardialer Korrektur oder die Herz- Lungen- TX zur Verfügung.

Indikation: Da Patienten mit einem Eisenmenger- Syndrom eine deutlich bessere Prognose haben als z. B. Patienten mit einer idiopathischen pulmonal- arteriellen Hypertonie, ist die Patientenauswahl schwierig (Pinger 2019). Zu den Indikationen, die eine Transplantation erforderlich machen können, zählen:

  • ungünstige prognostische Faktoren (rezidivierende Synkopen ?)
  • schlechte Belastungstoleranz
  • refraktäre Rechtsherzinsuffizienz
  • hochgradige Hypoxämie

Prognose

Hinsichtlich der Prognose spielt das Ausmaß des präoperativen Widerstandes der Lungengefäße eine entscheidende Rolle. Eine gute Prognose und die Wahrscheinlichkeit, dass die Lungengefäßerkrankung postoperativ nicht fortschreitet, haben Patienten mit einem Lungengefäßwiderstand von maximal einem Drittel des systemischen Widerstandes oder darunter. Patienten, bei denen der Lungengefäßwiderstand präoperativ mehr als ein Drittel des Systemwiderstandes beträgt, ist postoperativ nicht mit einer Verbesserung der Symptomatik zu rechnen, die Erkrankung wird weiter fortschreiten (Kasper 2015). Die Überlebensraten der Patienten mit Z. n. Lungen- TX bzw. Herz- Lungen- TX liegt nach 1 Jahr bei > 80 %, nach 5 Jahren bei 70 % und nach 10 Jahren bei 50 % (Herold 2019).

Spontanverlauf: Der überwiegende Teil der Patienten mit Eisenmenger- Syndrom lebt ohne therapeutische Maßnahmen länger als 20 – 30 Jahre. Es sind auch Fälle bekannt, bei denen die Patienten die 4. oder 5. Dekade erleben.

Die Überlebensraten liegen nach: 

  • 10 Jahren bei 80 %
  • 15 Jahren bei 75 %
  • 25 Jahren bei 40 %
  • (Erdmann 2009)
  • Assoziierende nicht- kardiale Erkrankungen:

Es kann bei einem Eisenmenger- Syndrom im Bereich mehrerer Organe zu Erkrankungen kommen:

  • Funktionsstörungen der Leber
  • Darm (nekrotisierende Enterokolitis)
  • Funktionsstörungen der Nieren bis hin zum Nierenversagen (Biro 2011)
  • Neigung zur Bildung von Gallensteinen
  • Skoliose Arthralgien (bei ca. 5 %)

 

Hinweis(e)

Nachsorge

Regelmäßige Verlaufskontrollen sollten in enger Kooperation mit Ärzten erfolgen, die über Erfahrung auf dem Gebiet des Eisenmenger- Syndroms verfügen (Herold 2019).

Dabei sollten folgende Befunde erhoben werden:

  • klinischer Status (inklusive Gewichtsverlauf)
  • 6- Minuten- Gehtest
  • Spirometrie
  • Messung der transkutanen Sauerstoffsättigung
  • Echokardiographie mit besonderer Berücksichtigung
    • der rechtsventrikulären Dysfunktion
    • des eventuellen Vorhandenseins eines Perikardergusses
    • eventuell vorhandene Vergrößerung der Vorhöfe bzw. der Ventrikel 
  • Laborchemisch sollten u. a. bestimmt werden:
    • Blutgasanalyse
    • Leber- und Nierenretentionsparameter  (Mebus 2015)

Kontrazeption und Schwangerschaft

Patientinnen mit Eisenmenger- Syndrom sollten unmittelbar nach Eintritt der Geschlechtsreife über eine adäquate Kontrazeption sowohl durch erfahrene Gynäkologen als auch mit kongenitalen Vitien vertrauten Kardiologen ausführlich beraten werden (hormonelle orale Kontrazeptiva erhöhen das Thromboserisiko). Die Kontrazeption wird in diesen Fällen kontrovers diskutiert, Leitlinien bestehen nicht (Mebus 2015).

Schwangerschaft und Geburt stellen ein beträchtliches Risiko sowohl für die Mutter als auch für das Kind dar. Das mütterliche Eisenmenger- Syndrom ist eine häufige Indikation zum Schwangerschaftsabbruch.

Die mütterliche Letalität ist während der Entbindung und auch in den ersten Wochen post partum hoch. 

Es kommt zu Todesfällen durch Präeklampsie, Thromboembolien und Hypovolämie.

Die kindlichen Risiken bestehen in Spontanaborten (ca. 30 %), intrauteriner Wachstumsretardierung (ca. 30 %), Frühgeburtlichkeit (ca. 50 %) und perinataler Mortalität ( > 20 %) (Herold 2019).

Flugreisen

Patienten mit einer Rechtsherzbelastung vertragen i. d. R. Aufenthalte in Höhen von 1200 – 1400 m ohne Probleme. In Flugzeugkabinen entspricht der Luftdruck einer Höhe von 1800 – 2400 m über NN. Mebus (2015) empfiehlt, das individuelle Risiko im Einzelfall zu entscheiden.  Pinger (2019) spricht davon, dass Flugreisen i. d. R. gut vertragen werden. Man sollte aber Stress und Dehydrierung vermeiden. Für eine eventuelle O2 - Supplementation liegen derzeit keine ausreichenden Daten vor. Im Kursbuch Reisemedizin verweist Jelinek (2012) auf eine 10 Jahre umfassende umfangreiche medizinische Studie. Patienten mit Eisenmenger- Syndrom, die einen SO2 zwischen 63 % - 92 % aufwiesen, zeigten bei einer kommerziellen Flugreise keine relevanten Komplikationen.

Endokarditisrisiko

Eine Endokarditisprophylaxe ist auf jeden Fall erforderlich. Folgende Therapieempfehlung wird gegeben:

  • eine Antibiotikaprophylaxe 30 – 60 min vor dem Eingriff als Einzeldosis zu verabreichen
  • sofern eine orale Gabe möglich ist, können Amoxicillin oder Ampicillin 2 g p. o. verabreicht werden
  • falls eine orale Gabe nicht möglich ist, empfiehlt sich Ampicillin oder Cefalexin 2 g i.v.
  • bei Ampicillin- oder Penicillinallergie sollte oral Clindamycin 600 mg gegeben werden
  • bei notwendiger i.v. - Gabe Clindamycin 600 mg i.v (Herold 2018).

Impfungen

Die Patienten sollten gegen Influenza und gegen Pneumokokken geimpft werden (Pinger 2019).

Literatur

  1. Apitz J et al. (2002) Pädiatrische Kardiologie: Erkrankungen des Herzens bei Neugeborenen, Säuglingen, Kindern und Heranwachsenden. Steinkopff Verlag 
  2. Biro P et al. (2011) Anästhesie bei seltenen Erkrankungen. Springer Verlag 
  3. Cook- Sup So (2013) Praktische EKG- Deutung: Einführung in die Elektrokardiographie. Georg Thieme Verlag 60, 89 – 90
  4. Dittrich S et al. (2010) S2k Leitlinie Pädiatrische Kardiologie: Ventrikelseptumdefekt im Kindes- und Jugendalter. Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie. 
  5. Erdmann E. (2009) Klinische Kardiologie: Krankheiten des Herzens, des Kreislaufs und der herznahen Gefäße. Springer Verlag 394 – 395 
  6. Herold G et al. (2019) Innere Medizin. Herold Verlag 203 – 205
  7. Jelinek T et al. (2012) Kursbuch Reisemedizin: Beratung, Prophylaxe, Reisen mit Erkrankungen. Georg Thieme Verlag 314
  8. Lasserre A (2002) Anamneseerhebung und allgemeine Krankenuntersuchung. GK 2 Original- Prüfungsfragen mit Kommentar. Georg Thieme Verlag 174
  9. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 1522 - 1523
  10. Kasper D L et al. (2015) Harrisons Innere Medizin. Georg Thieme Verlag 1856 
  11. Mebus S et al. (2015) Leitlinie Pädiatrische Kardiologie: Pulmonalarterielle Hypertonie (PAH) im Kindes- und Jugendalter. Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie. 
  12. Lindinger A et al. (2015) Leitlinie Pädiatrische Kardiologie: Persistierender Ductus arteriosus. Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie. 
  13. Michel- Behnke I et al. (1997) Pulmonale Hypertension im Kindes- und Jugendalter: Möglichkeiten der Langzeitbehandlung. Dtsch Arztebl 94 (14) A: 917 / B: 770 / C: 718
  14. Pinger S (2019) Repetitorium Kardiologie: Für Klinik, Praxis, Facharztprüfung. Deutscher Ärzteverlag. 413 – 414
  15. Rath W et al. (2005) Erkrankungen in der Schwangerschaft Thieme Verlag 52 - 53
  16. Siegenthaler W et al. (2005) Siegenthalers Differentialdiagnose: Innere Krankheiten – vom Symptom zur Diagnose. Georg Thieme Verlag 713

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