Marginalzonenlymphome C 88.4

Zuletzt aktualisiert am: 21.08.2024

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Synonym(e)

MALT-Lymphom; Marginalzonenlymphom; Marginalzonen-Lymphome vom MALT-Typ; MLZ

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Definition

Die seltenen Marginalzonen-Lymphome (MZL) gehören zu den reifzelligen, indolenten (langsam verlaufenden) Non-Hodgkin -Lymphomen. Als Ursprungszelle des Marginalzonen-Lymphoms gilt die reife B-Zelle, die in naher Verwandtschaft zur Plasmazelle gesehen wird, woraus sich gewisse Ähnlichkeiten zum multiplen Myelom/MGUS ergeben können. 

Vorkommen/Epidemiologie

Zahl der jährlichen Neuerkrankungen (Inzidenz) aller Non-Hodgkin-Lymphome in Deutschland wird auf 10 bis 15 pro 100.000 Personen geschätzt.

Extranodale Marginalzonen-Lymphome vom MALT-Typ machen 7% bis 8% neu diagnostizierter Non-Hodgkin Lymphome aus. Sie können in fast jedem Organ auftreten (Raderer M et al. 2016). Bezogen auf die Gesamtpopulation aller Marginalzonenlymphome betrifft das extranodale Marginalzonen-Lymphom (extranodales MALT-Lymphom) ca. 50-70 % aller Marginalzonenlymphome, gefolgt vom splenischen (ca. 20 %) und vom nodalen Marginalzonen-Lymphom (ca. 10 %).

MALT-Lymphome betreffen folgende Regionen:

Ätiopathogenese

Das Risiko, an einem MALT-Lymphom zu erkranken, wird vor allem durch Autoimmunerkrankungen und durch chronische Infektionen erhöht (Zucca E et al. 2016). Die Koinzidenz mit Autoimmunerkrankungen liegt bei etwa 40% (Sjögren Syndrom 70%; Autoimmunthyreoiditis 13%, rheumatoide Arthritis 3% (Wohrer S et al. (2007). Bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen überwiegt das weibliche Geschlecht. Hinsichtlich Prognose und Verlauf ergeben sich keine Unterschiede. Risikofaktoren an einem MALT-Lymphom zu erkranken sind:

Familienanamnese einer malignen lymphatischen Erkrankung

Anamnese einer peptischen Ulcus-Erkrankung

Autoimmunerkrankungen

Chronische Infektionen:

  • Hepatitis C
  • Helicobacter pylori für MALT-Lymphome des Magens
  • Campylobacter jejuni für MALT-Lymphome des Dünndarms (IPSID)
  • Chlamydophila psittaci für MALT-Lymphome der Augenanhangsgebilde

Diskutiert werden zusätzlich:

  • Borrelia burgdorferi für kutane MALT Lymphoma (SALT)
  • Achromobacter xylosoxidans für MALT-Lymphome der Lunge
  • Hepatitis C für MALT-Lymphome verschiedener Lokalisationen

Manifestation

Das mediane Alter bei Diagnose liegt bei 65 Jahren. W:m= 1,5 : 1; in der Gesamtkohorte der MALT-Lymphome, sind MALT-Lymphome der Parotis und der Mamma bei Frauen signifikant häufiger.

Klinisches Bild

Viele Patienten sind gänzlich asymptomatisch. Das Lymphom wird häufig zufällig im Rahmen einer Routine-Endoskopie oder eines bildgebenden Verfahrens  entdeckt. Die Symptome sind je nach Lokalisation unterschiedlich und zumeist unspezifisch, sodass die Zeitspanne von den ersten Symptomen bis zur Diagnose entsprechend lang sein kann. Bei MALT-Lymphomen der Augenanhangsgebilde beträgt sie im Median sieben Monate (Raderer M et al. 2016). Die Laborparameter sind meist unspezifisch. Gelegentlich sind Erhöhungen von LDH und Beta-2-Mikroglobulin nachweisbar. Monoklonale Immunglobuline werden häufig gefunden (etwa 40% der Patienten). Eine multilokuläre Manifestation wird bei etwa 25% der gastrischen und bei fast 45% der extragastrischen MALT-Lymphome gefunden.

Diagnostik

Anamnese: insbesondere auch Befragung nach Autoimmunkrankheiten und deren Symptomen (z.B. Sjögren-Syndrom)

Körperliche Untersuchung inklusive Lymphknotenstatus, Augen, Kopf-Hals-Region, Leber- und Milzgröße

Labor peripheres Blut: Blutbild, Differenzialblutbild, Retikulozyten,

Immunphänotypisierung nur bei leukämischem Verlauf (sehr selten, dann Verdacht auf ein splenisches Marginalzonen-Lymphom)

LDH, β2Mikroglobulin, Gesamteiweiß, Elektrophorese, Immunglobuline quantitativ und Immunfixation, freie Leichtketten, GOT, GPT, AP, γ-GT, Bilirubin, Kreatinin, Harnsäure, Blutzucker, Quick, PTT, HIV, HCV und HBV Serologie, Helicobacter Serologie. Urinstatus, ggf. Immunglobulin-Leichtketten bei monoklonaler Gammopathie im Blut. Knochenmarkpunktion wird  nicht routinemäßig empfohlen.

Sonographie: abdomineller Organstatus sowie abdomineller und peripherer Lymphknotenstatus

Computertomographie mit Kontrastmittel: Thorax, Abdomen und Becken,

CT Kopf-Hals nur bei supradiaphragmalem Befall

MRT Gesichtsschädel bei Lokalisation im Kopfbereich

Endoskopie: Gastroduodenoskopie mit multiplen Stufenbiopsien aus Kardia, Magen, Duodenum und aus makroskopisch auffälliger Schleimhaut

Koloskopie mit Stufenbiopsien und Biopsie aus dem terminalen Ileum

Histologie

Die Diagnose erfordert ausreichend Biopsiematerial und kann – gerade bei endoskopisch gewonnenen Proben – ausgiebige Rebiopsien notwendig machen. Das Infiltrat besteht typischerweise aus kleinen, zentrozytoiden Zellen, die immunhistochemisch positiv für CD79 und CD20 und negativ für CD23, CD10 und Cyclin D1 sind . Selten wird CD5 exprimiert. Es können sogenannte lymphoepitheliale Läsionen ausgebildet werden. In Abhängigkeit von der Lokalisation (mit Prädominanz für extragastrische Lokalisationen) können Plasmazellen auftreten. Vereinzelte Blasten. Wenn Blasten rasenartig vorliegen und mehr als 20% des Infiltrates einnehmen ist die seltene Transformation (in 2% bis 3% der Fälle) in ein diffus großzelliges B-Zell-Lymphom (DLBCL) gegeben.

Genetik: MALT-Lymphome sind nicht durch ein ‚genetic hallmark‘ charakterisiert. Die Translokation t(11;18)(q21;q21) wird beim MALT-Lymphom, nicht jedoch bei splenischen und nodalen MZL gefunden (Isaacson PG et al. 2004).

Die häufigsten zytogenetischen Aberrationen bei MALT-Lymphomen sind

  • t(11;18)(q21;q21) mit Bildung eines Fusionsproteins API-2/MALT1
  • t(1;14)(p22;q32) mit Beteiligung von IgH und BCL10
  • t(14;18)(q32;q21) mit Beteiligung von IgH und MALT1
  • t(3;14)(p14.1;q32) mit Beteiligung von FOXP1 und IgH.

Die Translokation t(11;18)(q21;q21) findet sich bei MALT-Lymphomen des Magens (bis zu 26%), bei pulmonalen (31% bis 53%) und intestinalen (12% bis 56%) MALT-Lymphomen. Eine routinemäßige zytogenetische Untersuchung mangels therapeutischer Konsequenz derzeit nicht empfohlen.

Diagnose

Die Diagnose wird anhand der Kriterien der aktuellen WHO-Klassifikation 2016 an ausreichendem Biopsiematerial gestellt. In jedem Fall ist bei Stanzbiopsien unbedingt ein ausreichender Durchmesser der Biopsienadel zu fordern. Die routinemäßge Durchführung molekularbiologischer Untersuchungen (vor allem von Klonalitätsanalysen) wird in den ESMO- und EGILS-Richtlinien nicht empfohlen, da auch bei HP-Gastritis sowie nach Erreichen einer kompletten Remission eines Lymphoms eine persistierende Monoklonalität beschrieben wurde (Ruskone-Fourmestraux A et al. (2011). Ggfls. das Vorliegen einer Translokation t(11;18)(q21;q21) diagnostisch hilfreich sein.

Therapie

Grundsätzlich bestehen beim MALT-Lymphom drei Therapieoptionen. Diese umfassen abwartendes Verhalten ohne Therapie („watch-and-wait“), Lokaltherapie (Operation, Bestrahlung) und systemische Therapie. Aufgrund des indolenten Verlaufs der Erkrankung stellt eine initiale „watch-and-wait“ Strategie beim asymptomatischen Patienten in jedem Stadium einen gangbaren Weg dar.

Während die Mehrzahl der Empfehlungen auf retrospektiven Analysen und klinischer Erfahrung beruht, sind inzwischen auch Ergebnisse von wenigen randomisierten Studien zur systemischen Therapie verfügbar. Beispielsweise wurde beim MALT-Lymphom des Magens nach Helicobacter Eradikation Chlorambucil mit watch-and-wait verglichen und in einer dreiarmigen randomisierten Studie Chlorambucil versus Rituximab (R) plus Chlorambucil versus R-Monotherapie.

Strahlentherapie: Die Strahlentherapie ist in den Stadien I und II potenziell kurativ und für viele Lokalisationen nach wie vor Therapie der Wahl. Die Größe des Bestrahlungsfeldes ist abhängig von der jeweiligen Lokalisation und dem Stadium. Aktuell empfohlen werden Dosierungen bis 24 Gy in involved Site Technik, wobei auch mit der Applikation von nur 2 x 2 Gy exzellente Resultate mit minimalen Nebenwirkungen zur Symptomkontrolle in fortgeschrittenen Stadien erbracht werden konnten (Pinnix CC et al. 2017). Rezidive finden sich allerdings dosisunabhängig in bis zu 45% außerhalb des Strahlenfeldes. Limitierend sind die Strahlensensitivität des betroffenen Organs sowie benachbarter Strukturen.

Operation: Die Rolle der Chirurgie ist aufgrund des häufig multifokalen Charakters der Erkrankung nach den aktuellen Richtlinien vorwiegend von diagnostischem Charakter (z.B. in Dünndarm, Lunge, Speicheldrüsen, Orbita).

Interne Therapie

Im Gegensatz zu anderen indolenten Lymphomen (z.B. follikuläres Lymphom) gibt es derzeit keine klar definierten Richtlinien zum optimalen Therapiebeginn. Die individuelle Wahl des Therapierregimes hat insbesondere das zu erwartende Toxizitätsspektrum und eventuelle Komorbiditäten zu berücksichtigen.

Während die systemische Therapie in der Vergangenheit ausschließlich in disseminierten Stadien eingesetzt wurde, wird sie inzwischen zunehmend auch bei lokalisierten Stadien angewandt (Kiesewetter B et al.(2015). Herkömmliche systemische Therapiemöglichkeiten beim MALT-Lymphom umfassen Chemotherapie, den anti-CD20 Antikörper Rituximab, bzw. eine Kombination dieser beiden Modalitäten, aber auch Radioimmuntherapie oder Antibiotika-Gabe. Weitere neuere Therapieansätze und Substanzen, einzeln und zum Teil in Kombination schließen Bortezomib, Lenalidomid +/- Rituximab, den BTK-Inhibitor Ibrutinib (Noy A et al. 2017) sowie PI3K-Inhibitoren und das Makrolid-Antibiotikum Clarithromycin ein (Ferreri AJM et al. 2018). Generell werden aggressive, Anthrazyklin-haltige Schemata aufgrund der Toxizität in der Erstlinientherapie nicht empfohlen.

Verlauf/Prognose

Typischerweise entwickeln sich Marginalzonen-Lymphome über Jahre schleichend, sodass die Diagnose bei einem Teil der Patienten zufällig gestellt wird. Manchmal entwickeln sich aber auch über einen längeren Zeitraum Beschwerden, die mit der Vermehrung der Lymphomzellen zusammenhängen. Die „normalen“ Organfunktionen werden gestört. Welche Beschwerdsymptomatik vorherrscht  hängt von den betroffenen Organsystemen ab. Bei der häufigsten Lokalisation mit Befall des Magens berichten diese Patienten über Bauchschmerzen oder Verdauungsbeschwerden. Bei den nodalen Marginalzonen-Lymphomen finden sich meist, nicht schmerzhafte Schwellungen der Lymphknoten. Charakteristisch für splenische Marginalzonen-Lymphome sind eine vergrößerte Milz, die nicht selten Schmerzen verursacht. Zudem leiden Patienten mit splenischem Marginalzonen-Lymphom häufiger an B-Symptomen (Fieber (über 38,5 °C), Gewichtsabnahme von > 10% des Körpergewichts innerhalb von 6 Monaten, nächtliches Schwitzen mit der Notwendigkeit eines Kleiderwechsels).  

Prognose: Die 5-Jahres-Überlebensraten bei der Gesamtheit der Patienten mit MALT-Lymphom liegen zwischen 70% und 100%. Relevante prognostische Parameter im Rahmen eines definierten Prognose-Scores (MALT-IPI) sind Alter > 70 Jahre, Stadium III/IV sowie ein erhöhter LDH-Wert. Durch das Vorhandensein von keinem, einem sowie zwei oder mehr dieser Parameter konnten drei Risikogruppen (low, intermediate und high) abgegrenzt werden, die sich signifikant im Hinblick auf progressionsfreies und Gesamtüberleben unterscheiden. Analog zu anderen Lymphomtypen wurde auch beim MALT-Lymphom POD24 (Progression Of Disease at 24 months) als negativer prognostischer Parameter definiert, beim gastrischen MALT-Lymphom ist das Erreichen einer kompletten Remission nach initialer Therapie mit einem verlängertem PFS assoziiert.

Literatur

  1. Ferreri AJM et al. (2018) Clarithromycin as a "repurposing drug" against MALT lymphoma. Br J Haematol 182:913-915.
  2. Isaacson PG et al. (2004) MALT lymphoma: from morphology to molecules. Nat Rev Cancer. 4:644-653.
  3. Kiesewetter B et al.(2015) Chemoimmunotherapy for Mucosa-Associated Lymphoid Tissue-Type Lymphoma: A Review of the Literature. Oncologist 20:915-925.
  4. Noy A et al. (2017) Targeting Bruton tyrosine kinase with ibrutinib in relapsed/refractory marginal zone lymphoma. Blood 129:2224-2232.
  5. Pinnix CC et al. (2017) Ultra-low-dose radiotherapy for definitive management of ocular adnexal B-cell lymphoma. Head Neck 39:1095-1100.
  6. Raderer M et al. (2016) Clinicopathologic characteristics and treatment of marginal zone lymphoma of mucosa-associated lymphoid tissue (MALT lymphoma). CA Cancer J Clin66:153-171.
  7. Ruskone-Fourmestraux A et al. (2011) EGILS consensus report. Gastric extranodal marginal zone B-cell lymphoma of MALT. Gut 60:747-758.
  8. Swerdlow SH et al. (2017): WHO classification of tumours of haematopoietic and lymphoid tissues. Lyon: IARC.
  9. Wohrer S et al. (2007) MALT lymphoma in patients with autoimmune diseases: a comparative analysis of characteristics and clinical course. Leukemia 21:1812-1818.
  10. Zucca E et al. (2016) The spectrum of MALT lymphoma at different sites: biological and therapeutic relevance. Blood 127:2082-2092.

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