Lymphoproliferatives Syndrom Typ 3D81.4
Synonym(e)
Definition
Seltenes autosomal rezessives Immundefizienzsyndrom (Kombinierte Immundefizienz/CID) das durch Mutation im CD70-Gen (602840) auf Chromosom 19p13 ausgelöst wird. Die Immundefizienz kennzeichnet sich durch eine erhöhte Anfälligkeit der B-Zellen für Infektionen mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV). Ghosh S et al. (2020) konnten an Hand der klinischen Daten von 49 Patienten aus 29 Familien (CD27, n = 33; CD70, n = 16) insgesamt 16 verschiedene Mutationen in CD27 bzw. 8 in CD70 identifizieren. Die Mehrheit der Patienten (90 %) war bei der Diagnose EBV positiv, jedoch hatten nur etwa 30 % der Patienten eine manifeste infektiöse Mononukleose. Lymphoproliferation und Lymphome waren die wichtigsten klinischen Manifestationen (70 % bzw. 43 %), und 9 der CD27-defizienten Patienten entwickelten eine hämophagozytische Lymphohistiozytose. 21 Patienten (43 %) entwickelten autoinflammatorische Merkmale wie Uveitis, Arthritis und periodisches Fieber (Ghosh S et al. 2020).
Ätiopathogenese
Die Störung resultiert aus einer gestörten Signalübertragung von proliferierenden B-Zellen auf Effektor-T-Zellen, die die Immunüberwachung übernehmen. Bei heterozygoten Trägern besteht möglicherweise ein erhöhtes Risiko für solide Tumore (Abolhassani et al. 2017).
Izawa et al. (2017) identifizierten bei diesem Krankheitsbild eine homozygote Nonsense-Mutation im CD70-Gen (R179X; 602840.0001). Die Mutation, die durch Ganz-Exom-Sequenzierung gefunden und durch Sanger-Sequenzierung bestätigt wurde. Die von diesem Patienten stammenden Zellen wiesen normale Mengen an CD70-mRNA, aber kein nachweisbares CD70-Protein auf. Die CD8+ T-Zellen des Patienten expandierten fehlerhaft und zeigten im Vergleich zu den Kontrollen eine deutlich verringerte zytotoxische Aktivität gegen die EBV-infizierten B-Zellen des Patienten, die jedoch durch Transduktion der Patientenzellen mit CD70 wiederhergestellt werden konnte.
Abolhassani et al. (2017) identifizierten bei 4 Patienten aus zwei nicht verwandten konsanguinen Familien mit LPFS3 homozygote Mutationen im CD70-Gen (c.250delT, 602840.0002 und F186del, 602840.0003). Die Analyse von Patientenzellen zeigte, dass die Mutationen entweder die Expression des CD70-Proteins aufhoben oder die Bindung an CD27 beeinträchtigten, was auf einen Funktionsverlust hindeutet. Funktionsstudien belegten dass die Anzahl der CD8+ T-Zellen der Patienten im Vergleich zu den Kontrollen abnahm und die Zytotoxizität gegen EBV-infizierte B-Zellen der Patienten abnahm. Dieses Verhalten weist auf eine gestörte Aktivierung durch EBV-infizierte B-Zellen hin. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass CD70-CD27-Interaktionen eine nicht redundante Rolle in der T- und B-Zellen-vermittelten Immunität spielen, und insbesondere für den Schutz gegen EBV-Infektion wichtig sind.
Manifestation
Frühes Kindesalter
Differentialdiagnose
Der von Izawa et al. beschriebene Phänotyp zeigte große Übereinstimmungen mit dem Phänotyp der durch einen CD27-Mangel (LPFS2; 615122) verursacht wurde (Izawa et al. 2017).
Therapie
Die ausgezeichneten Ergebnisse nach einer hämatopoetischen Stammzelltransplantation (HSZT) sprachen in dem Kollektiv von Ghosh S et al.(2020) (n=43) für den rechtzeitigen Einsatz dieser Behandlungsmethode, insbesondere bei Patienten, die eine maligne Transformation zum Lymphom aufweisen.
Fallbericht(e)
Izawa et al. (2017) berichteten über einen 8-jährigen Jungen, der von konsanguinen ägyptischen Eltern geboren wurde und an rezidivierenden EBV-induzierten B-Zell-Proliferationsstörungen, einschließlich Hodgkin-Lymphom, litt. Er wurde im Alter von 3 Jahren und 8 Monaten mit einem nodulären sklerosierenden Hodgkin-Lymphom vorgestellt und erreichte ein vollständiges Ansprechen mit Chemotherapie und Bestrahlung. Seit seinem 5. Lebensjahr litt er unter rezidivierenden Fieberschüben, Lymphadenopathien, Hepatosplenomegalie in Verbindung mit einer hohen EBV-Viruslast. Andere virale oder bakteriellen Infektionen lagen nicht vor. Ebenso keine Anzeichen von Hämophagozytose. Die Laboruntersuchungen der Immunparameter waren im Wesentlichen normal. CD8+ T-Zellen, NK-Zellen und Gedächtnis-B-Zellen waren vermindert. Die Proliferation der T-Zellen war normal. Im Alter von 10 Jahren erneuter lymphoproliferativer Schub. Der Patienten wurde erfolgreich mit einer hämatopoetischen Stammzelltransplantation behandelt.
Abolhassani et al. (2017) berichteten über 4 Patienten aus zwei nicht verwandten konsanguinen Familien mit LPFS3. Bei der Probandin in der ersten Familie handelte es sich um eine 29-jährige Perserin, die in der Kindheit Anzeichen einer Immundefizienz aufwies. Sie hatte im Alter von 5 Jahren eine schwere Varizelleninfektion und entwickelte ein Entzündungssyndrom mit Arthritis, aphthösen Geschwüren und posteriorer Uveitis sowie wiederkehrenden Infektionen der oberen Atemwege. Später entwickelte sie eine Reihe von Symptomen, darunter restriktive und obstruktive Lungenfunktion, Alopecia areata, Ulcera ventriculi und Gastritis, Splenomegalie und Lymphadenopathie. Im Alter von 17 Jahren wurde bei ihr ein Hodgkin-Lymphom des Magens festgestellt. Sie unterzog sich einer Chemotherapie, die zur Remission führte. Ein älterer Bruder hatte im Säuglingsalter eine virale Enzephalitis und war in seiner intellektuellen Entwicklung beeinträchtigt, wies aber keine anderen klinischen Symptome auf. Laboruntersuchungen bei dem Bruder ergaben Hinweise auf eine Infektion mit EBV, Cytomegalovirus (CMV), Herpes-simplex-Virus (HSV) und Varizellen. In der zweiten Familie türkischer Herkunft stellten sich zwei Brüder in den ersten Lebensjahren mit rezidivierenden Infektionen vor und entwickelten im Alter von etwa drei Jahren eine zervikale Lymphadenopathie und ein EBV-assoziiertes Hodgkin-Lymphom. Beide erreichten schließlich nach einer Chemotherapie eine Remission; der Bruder des Probanden hatte eine erfolgreiche Stammzelltransplantation. Beide Patienten befanden sich im Alter von 16 bzw. 8 Jahren in Remission. Laboruntersuchungen zeigten bei allen Patienten eine variable Hypogammaglobulinämie und schlechte Antikörperreaktionen. Der Anteil der T- und B-Gedächtniszellen war verringert; bei einigen Patienten waren die NK-Zellen vermindert. Alle Patienten benötigten intravenöse Ig-Behandlungen. Aus der Familienanamnese ging hervor, dass keiner der Elternteile eine Immunschwäche hatte, aber drei der vier Elternteile entwickelten im mittleren Alter solide Tumorerkrankungen. Die Großeltern in der persischen Familie erkrankten ebenfalls im späteren Leben an Krebs.
Literatur
- Abolhassani H et al. (2017) Combined immunodeficiency and Epstein-Barr virus-induced B cell malignancy in humans with inherited CD70 deficiency. J. Exp Med 214: 91-106.
- Ghosh S et al. (2020) Extended clinical and immunological phenotype and transplant outcome in CD27 and CD70 deficiency. Blood 136:2638-2655.
- Izawa K et al. (2017) Inherited CD70 deficiency in humans reveals a critical role for the CD70-CD27 pathway in immunity to Epstein-Barr virus infection. J Exp Med 214: 73-89.