Laurence-Moon-Bardet-Biedl-SyndromQ87.81
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Die britischen Ophthalmologen Laurence und Moon beschrieben 1866 ein Krankheitsbild, bei dem in einer Familie bei vier Personen Retinitis pigmentosa diagnostiziert wurde, die zusätzlich Paraplegien, Hypogenitalismus und geistige Behinderung aufwiesen.
1920 beschrieb der französische Arzt Bardet ein Krankheitsbild, das sich aus RP, Polydaktylie, Fettsucht und Hypogenitalismus zusammensetzt. Der Prager Pathologe Biedl fügte diesem Krankheitsbild noch die Debilität hinzu.
1925 haben Solis-Cohen und Weiss die bis dahin veröffentlichten Fälle zusammengefasst und als Laurence- Moon-Bardet-Biedl-Syndrom bezeichnet.
Inzwischen wird das Bardet-Biedl-Syndrom der Gruppe der Zilienerkrankungen (Ziliopathien) zugeordnet. Die Ziliopathien sind durch ein breites klinisches Spektrum mit Überlappungen und fließenden Übergängen zwischen unterschiedlichen Zilienerkrankungen charakterisiert.
Definition
Das Laurence-Moon-Bardet-Biedl-Syndrom, ist ein komplexes, hereditäres Mißbildungssyndrom aus der Gruppe der Ziliopathien. Das Syndrom äußert sich durch mit multiple Fehlbildungen, die durch Mutationen auf unterschielidchen Chromosomen bzw. Genorten ausgelöst werden.
Vorkommen/Epidemiologie
Die Prävalenz der Krankheit variiert zwischen isolierten, konsunguinen (Beduinen und Neufundland – 1:13.500 und 1:16.000) und anderen Populationen (Nordamerika und Europa – 1:140.000 und 1:160.000).
Ätiopathogenese
Der Krankheit sind Mutationen in mindestens einundzwanzig verschiedenen Genen (BBS1-BBS21) zugeordnet .
BS1 wird durch Mutation in einem Gen auf Chromosom 11q13 (209901) verursacht;
BBS2 (615981), durch Mutation in einem Gen auf 16q13 (606151);
BBS3 (600151), durch Mutation im ARL6-Gen auf 3q11 (608845);
BBS4 (615982), durch Mutation in einem Gen auf 15q22 (600374);
BBS5 (615983), durch Mutation in einem Gen auf 2q31 (603650);
BBS6 (605231), durch das MKKS-Gen auf 20p12 (604896), Mutationen, bei denen auch das McKusick-Kaufman-Syndrom verursacht wird (236700);
BBS7 (615984), durch Mutation in einem Gen auf 4q27 (607590);
BBS8 (615985), durch Mutation im TTC8-Gen auf 14q32 (608132);
BBS9 (615986), durch Mutation in einem Gen auf 7p14 (607968);
BBS10 (615987), durch Mutation in einem Gen auf 12q (610148);
BBS11 (615988), durch Mutation im TRIM32-Gen auf 9q33 (602290);
BBS12 (615989), durch Mutation in einem Gen auf 4q27 (610683);
BBS13 (615990), durch Mutation im MKS1-Gen (609883) auf 17q23, Mutationen, bei denen auch das Meckel-Syndrom-1 (249000) verursacht wird;
BBS14 (615991), durch Mutation im CEP290-Gen (610142) auf 12q21, Mutationen, bei denen auch das Meckel-Syndrom-4 (611134) und mehrere andere Störungen verursacht werden;
BBS15 (615992), durch Mutation im C2ORF86-Gen (613580), das einen Homolog des Drosophila planaren Zellpolaritätsgens 'fritz' auf 2p15 kodiert;
BBS16 (615993), durch Mutation im SDCCAG8-Gen (613524) auf 1q43, Mutationen, bei denen auch das Senior-Loken-Syndrom-7 (613615) verursacht wird;
BBS17 (615994), durch Mutation im LZTFL1-Gen (606568) auf 3p21;
BBS18 (615995), durch Mutation im BBIP1-Gen (613605) auf 10q25;
BBS19 (615996), durch Mutation im IFT27-Gen (615870) am 22q12;
BBS20 (617119), durch Mutation im IFT74-Gen (608040) auf 9p21;
BBS21 (617406), durch Mutation im C8ORF37-Gen (614477).
Klinisches Bild
Komplexes Mißbildungssyndrom das sich durch folgende JHauptsymptome kennzeichnet:
- mentale Retardierung
- Retinopathie (Beetz 2013)
- Adipositas
- Polydaktylie
- Fehlbildungen der Nieren
- Hypogenitalismus bei männlichen Patienten (Risler 2008)
Weitere Symptome mit geringer Häufigkeit (Nebensymptome):
- Analatresie
- Anosmie
- Ataxie
- Asthma
- Bluthochdruck
- Diabetes mellitus
- fortschreitende (progrediente) Innenohrschwerhörigkeit
- Herzmissbildungen
- Hoch-, Riesen-, Minderwuchs
- Hyperlipidämie (erhöht sind: Cholesterin, Triglyceride und Lipoproteine)
- Hypodontie
- Kyphoskoliose
- Lebervergrößerung, -funktionsstörung, Leberfibrose
- Morbus Crohn (entzündliche Dünn- und /oder Dickdarmerkrankung)
- Morbus Hirschsprung oder Megacolon congenitum
- Pigmentnaevi
- Psychische Probleme: Angst, Depressionen, zwanghaftes Verhalten, affektive und autistische Störungen, psychosomatische Erkrankungen
- Rippen- und Wirbeldysplasien (-fehlbildungen)
- Schlafapnoe
- Spina bifida
- Sprachverzögerung, Sprachdefizite
- Urogenitaldysplasien (Fehlbildungen der ableitenden Harnwege sowie der Geschlechtsorgane)
- Zahnstellungsanomalien
Differentialdiagnose
Literatur
- Die Behandlung besteht aus regelmäßiger multidisziplinärer Überwachung (Forsythe 2013).
- Bartels H (2013) Raumforderungen der Niere im sonographischen Bild: Textbuch und Atlas. Springer Verlag 121
- Beetz R et al. (2011) Kinderurologie in Klinik und Praxis. Thieme Verlag 256
- Berwanger B et al. (2002) Alström- Syndrom: Eine Differenzialdiagnose zum Bardet- Biedl- Syndrom. Eine Differentialdiagnose zum Bardet- Biedl- Syndrom. Monatsschrift Kinderheilkunde (150) 58 – 61
- Braune K (2017) Charakterisierung von ALMS1 (Alstrom syndrome 1)-Transkripten in Hodgkin-Lymphom-Zellen. Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Medizin (Dr. med.) vorgelegt der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
- Danne T et al. (2016) Adipositas, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen im Kindesalter. Walter de Gruyter Verlag 5
- Deeg K H et al. (2014) Ultraschalldiagnostik in Pädiatrie und Kinderchirurgie. Thieme Verlag 864 – 866
- Engelskirchen R et al. (2006) Asphyxierende Thoraxdysplasie (Jeune- Syndrom): Erfolgreiche mehrzeitige Korrektur. Monatszeitschrift Kinderheilkunde (12)
- Entezami M et al. (2002) Sonographische Fehlbildungsdiagnostik: Lehratlas der fetalen Ultraschalluntersuchung. Ausgewählte Syndrome und Assoziationen. Thieme Verlag 245
- Forsythe E et al. (2013) Bardet- Biedl- syndrome. Eur J Hum Genet 21, 8 – 13. https://doi.org/10.1038/ejhg.2012.115
- Ganten D et al. (2013) Monogen bedingte Erbkrankheiten 2 : Handbuch der Molekularen Medizin. Springer Verlag 291 - 292
- Gimpel C et al. (2019) Bildgebende Diagnostik bei Kindern mit Nierenzysten und Zystennieren. Monatszeitschrift Kinderheilkunde (167) 530 - 538
- Hegele A et al. (2015) Urologie: Intensivkurs zur Weiterbildung. Thieme Verlag 117 – 121, 124 – 129
- Heinrich M et al. (2019) Kinderchirurgie: Basiswissen und Praxis. W. Zuckschwerdt Verlag 192 – 193
- Herold G et al. (2021) Innere Medizin. Herold Verlag 630 - 634
- Hofmann V et al. (2005) Ultraschalldiagnostik in Pädiatrie und Kinderchirurgie. Georg Thieme Verlag 439, 453 - 454
- Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 1850 - 1856
- Kasper D L et al. (2016) Harrisons Innere Medizin. Georg Thieme Verlag 2279 - 2285
- Keller C K et al. (2010) Praxis der Nephrologie. Springer Verlag 43 – 51, 53 - 54
- Kemper M et al. (2020) S2k- Leitlinie Nierenzysten und zystische Nierenerkrankungen: Nierenzysten und zystische Nierenerkrankungen bei Kindern. AWMF Register Nr. 166 / 003
- Knaup K X et al. (2019) Autosomal-dominante tubulointerstitielle Nierenerkrankungen (ADTKD). Der Nephrologe. DOIhttps://doi.org/10.1007/s11560-019-0318-y
- Korinthenberg R et al. (2009) Neuropädiatrie: Evidenzbasierte Therapie. Urban und Fischer Verlag 19
- Kuhlmann U et al. (2015) Nephrologie: Pathophysiologie - Klinik – Nierenersatzverfahren. Thieme Verlag 64, 653 - 665
- Lerchbaumer M H (2018) „Die Bosniak-Klassifizierung von Nierenzysten im kontrastmittelunterstützten Ultraschall (CEUS) vergleichend zur Computertomographie und Magnetresonanztomographie“ Inauguraldissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doctor medicinae (Dr. med.) vorgelegt der Medizinischen Fakultät Charité - Universitätsmedizin Berlin
- Manski D (2019) Das Urologielehrbuch. Dirk Manski Verlag 231 – 236
- Michels G et al. (2010) Klinikmanual Innere Medizin Springer Verlag 504 - 505
- Risler T et al. (2008) Facharzt Nephrologie. Elsevier Urban und Fischer Verlag 372 – 373, 752 - 754
- Schmidt F et al. (2006) Rosiglitazon- Langzeittherapie bei Patienten mit Alström- Hallgren- Syndrom. Diabetologie und Stoffwechsel 1 (3) 168 - 172
- Sohn C et al. (2013) Ultraschall in Gynäkologie und Geburtshilfe. Thieme Verlag 243 - 244