Kernrezeptoren

Autor:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

Ligandenaktivierte Transkriptionsfaktoren; NR; Nuclear receptor; Nukleäre Rezeptoren; Orphan Receptors; Waisenrezeptoren

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Definition

Die Familie der Kernrezeptoren, auch nukleäre oder ligandenaktivierte Transkriptionsfaktoren genannt, stellen spezielle Rezeptorproteine dar, von denen sich viele im Zytosol befinden. Kernrezeptoren fungieren als Transkriptionsfaktoren. Als solche regulieren sie im Zellkern die Expression spezifischer Gene. Sie sind für die Bereitstellung von Proteinen verantwortlich. Gleichzeitig unterliegen sie selbst, durch posttranslationale Modifikation Modulationen. Sie können regulierende Funktion auf andere Signaltransduktionswege ausüben (cross talk). Die Gesamtheit der Kernrezeptoren subsummiert die Vielzahl wahrgenommener Signale und bewirken die für den Organismus adäquaten Reaktionen durch Expression definierter Gene.

Kernrezeptoren binden direkt an die DNA und übernehmen über regulative Einflüsse auf die entsprechenden Gene eine wichtige Rolle bei Embryogenese, Zelldifferenzierung, Homöostase, Reproduktion, Wachstum, Proliferation und Apoptose von Zellen. Weiterhin spielen Kernrezeptoren eine wichtige Rolle bei diversen Erkrankungen wie Tumoren, Stoffwechselstörungen (Diabetes oder Adipositas), Mißbildungssyndromen und weiteren internistischen Erkrankungen; auch bei Störungen der Reproduktionsfähigkeit (Lazar MA 2017; Sun G et al. 2017).

Die essentielle Bedeutung der Kernrezeptoren für die Funktion von Organismen an Versuchstieren erkennen, die auf Grund eines genetischen Eingriffs, einen oder mehrere Kernrezeptoren nicht exprimieren können (knock out-Tiere). Sie sterben bereits in utero oder perinatal bzw. weisen schwere Organmissbildungen auf, sind infertil oder haben eine verkürzte Lebensspanne.

Einteilung

Bisher sind 48 Kernrezeptoren (nukleäre Rezeptoren) bekannt, deren Liganden aber nur teilweise identifiziert sind. Rezeptoren, deren Liganden noch unentdeckt sind, werden als Waisen-Rezeptoren bzw. Orphan Receptors bezeichnet. Nach der Phylogenese werden die nukleären Rezeptoren in 6 Untergruppen unterteilt:

Die Subfamilie 1 (Thyroidhormonrezeptor-ähnliche) beinhaltet die Rezeptoren, die mit RXR Heterodimere bilden können. Hierzu gehören:

  • Gruppe A: Thyroidhormonrezeptor (Schilddrüsenhormone)
  • Gruppe B: Retinsäurenrezeptor (Vitamin A und verwandte Verbindungen)
  • Gruppe C: Peroxisom-Proliferator-aktivierte-Rezeptoren (Fettsäuren, Prostaglandine)
  • Gruppe D: Rev-ErbA (heme)
  • Gruppe F: RAR-related Waise Rezeptoren (Cholesterol, ATRA)
  • Gruppe H: Leber X Rezeptoren-ähnliche (Oxysterol)
  • Gruppe I: Vitamin D Rezeptoren-ähnliche

Subfamilie 2: Retinoid X Rezeptoren-ähnliche. Hierzu gehören:

  • Gruppe A: Hepatocyte Kernfaktor-4 (HNF4) (Fettsäuren)
  • Gruppe B: Retinoid-X-Rezeptoren (RXRα) (Retinoide)
  • Gruppe C: Testicular Rezeptoren

Subfamilie 3: Estrogenrezeptor-ähnliche. Die klassischen Steroidrezeptoren wie der Androgenrezeptor (nicht jedoch der Estrogenrezeptor) befinden sich im inaktiven Zustand an Hitzeschockproteine gebunden im Zytoplasma. Nach Bindung ihres Liganden wird das Hitzeschockprotein abgetrennt, der Rezeptor transloziert in den Zellkern und bindet als Dimer an die DNA. Zu der Subfamilie 3 gehören:

  • Gruppe A: Estrogenrezeptoren (Sexualhormone: Estrogene)
  • Gruppe B: Estrogen verbundene Rezeptoren
  • Gruppe C: 3-Ketosteroid Rezeptoren
    • C1 Glukokortikoidrezeptoren (GR; NR3C1) (Kortisol),
    • C2 Mineralokortikoidrezeptoren (MR; NR3C2) (Aldosteron)
    • C3 Progesteronerezeptoren (PGR; NR3C3) (Sexualhormone: Progesteron),
    • C4 Androgenrezeptor (AR; NR3C4) (Sexualhormone: Testosteron)

Subfamilie 4: Nervenwachstumsfaktor IB-ähnliche. Hierzu gehören:

  • der Neuronen-abgeleitete Orphan Rezeptor 1 (Nor-I)
  • der Nuclear Receptor Related 1 (Nurr1)
  • der Nerve Growth Factor IB (NGFI-B).

Subfamilie 5: Steroidogenic-faktor-ähnliche. Hierzu gehören:

  • der FTZ Transcription Factor 1 (FTZ-F1) aus der Drosophila
  • der Steroidogenic Factor-1 (SF-1), der in Säugetieren vorkommt.

Subfamilie 6: Germ Cell Kernfaktor-ähnliche. Hierzu gehören:

  • Der Germ Cell Nuclear Factor (GCNF)

Subfamilie 0: Verschiedene

Gruppe B: DAX/SHP

  • Dosage-sensitive sex reversal, adrenal hypoplasia critical region, on chromosome X, gene 1 (DAX1, NR0B1)
  • Small heterodimer partner (SHP; NR0B2)

Allgemeine Information

Kernrezeptoren werden erst durch die Bindung eines spezifischen (natürlichen) Liganden aktiviert (DeLuca HF 2004).

Das Spektrum dieser Liganden umfasst u.a. Substanzen wie:

  • Vitamin D3 (zugehöriger Rezeptor: Vitamin D-Rezeptor, VDR, NR1I1)
  • Retinsäure (zugehöriger Rezeptor: Retinsäurerezeptor, RARs, NR1B, den Retinsäure-X-Rezeptor, RXRs, NR2B).
  • Gallensäuren (zugehörige Rezeptoren: Farnesoid-X-Rezeptor, FXR, NR1H4; PregnanX-Rezeptor, PXR, NR1I2), Fettsäuren, Eicosanoide (Peroxisome Proliferation Activating Receptor, PPAR, NR1C), Oxysterole (Liver X Receptor, LXR, NR1H)
  • Steroidhormone wie Östrogene, Progesteron, Glukokortikoide, Mineralokortikoide, Androgene (zugehörige Rezeptoren: Östrogenrezeptor, ER, NR3A; Progesteronrezeptor, PR, NR3C3; Glukokortikoidrezeptor, GR, NR3C1; Mineralokortikoidrezeptor, MR, NR3C2; Androgenrezeptor, AR, NR3C4; Constitutive Androstane Rezeptor, CAR, NR1I3).

In den letzten Jahren konnte gezeigt werden, dass auch nicht-cholesterinbasierte Moleküle wie z.B. Phospholipide die Aktivität bestimmter Kernrezeptoren spezifisch binden und funktionell regulieren können, was auf eine entscheidende Rolle für diese Moleküle bei der transkriptionellen Regulation hindeutet (Crowder MK et al. 2017). Diese natürlichen Liganden müssen passiv die Zellmembranbarriere überwinden. Meist gelingt ihnen dies durch eine passive Diffusion durch die Zellmembran. Dazu besitzen diese Liganden ausreichend lipophile bzw. ambiphile Eigenschaften. Am Wirkort angekommen binden sie an die Ligandenbindungsdomäne der nukleären Rezeptoren.

Sobald die aktivierten Rezeptoren in den Zellkern invadiert sind, interagieren sie mit weiteren Proteinen, die als Koaktivatoren, Korepressoren und zusätzliche Transkriptionsfaktoren zur Regulation der Genexpression beitragen. Kernrezptoren können sowohl eine Hoch- als auch Herunterregulation bewirken. Auch sind sie in der Lage mit anderen Signaltransduktionswegen zu interagieren, die z. B. durch den nukleären Faktor NF-κB oder das Aktivatorprotein AP-1 gesteuert werden.

Wirkmechanismus: Beim Wirkmechanismus muss unterschieden werden, ob sich der Kernrezptor zum Zeitpunkt der Ligandenbindung im Zytosol oder bereits im Zellkern DNA befindet. Weiterhin ist von Bedeutung ob die DNA-Bindung als Monomer oder Dimer erfolgt. Alle Kernrezeptoren besitzen einen gemeinsamen modularen Aufbau aus 5-6 konservierten Domänen, die für spezifische Funktionen verantwortlich sind. Die hypervariable N-terminale A/B-Domäne kann unabhängig von Liganden agieren und beinhaltet die variable Amino terminale transkriptionale Aktivierungsregion (AF-1). Die DNA-Bindungsregion (DNA binding domain, DBD) besteht aus 2 Zink Fingern. Sie liegt in der C-Region des –Rezeptorproteins. Die DNA binding domain ist für die Erkennung der DNA Sequenzen verantwortlich. Die D-Domäne des Rezptors interagiert mit Co-Repressoren (SaferJD et al. 1998) und verbindet die DNA-Bindungsregion mit der Liganden-Bindungsregion. Durch diese Bindung ist die Drehbarkeit der DNA-Bindungsregion möglich.

Kernrezeptoren binden ihre zugehörigen response elements als Monomere, Homodimere oder als Heterodimere mit anderen Rezeptoren. Durch die Dimerisierung und die damit einhergehende Kooperativität kann sich die Affinität und Spezifität der DNA-Bindung verändern. Während Steroidhormonrezeptoren im allgemeinen als Homodimere binden, können RAR, RXR, TR und VDR sowohl homodimerisieren als auch heterodimerisieren. Die 9-cis-Retinsäure-Rezeptoren (RXRs) spielen dabei eine besondere Rolle bei der Signaltransduktion durch Kernrezeptoren, da sie neben der Homodimerisierung auch als promisker Heterodimerisierungspartner für eine Reihe von Rezeptoren fungieren können (Gronemeyer H et al 2003). Beispielsweise liegen Steroidhormonrezeptoren in der nicht stimulierten Zelle als relativ instabile Monomere im Zytosol vor. Durch ihre Bindung an Hitzeschockproteine (Hsp90) erfolgt eine gewisse Stabilisierung des Moleküls. Erst nach Bindung an seinen Liganden bildet sich ein stabiler Hormon-Rezeptor-Komplex. Das Hitzeschockprotein dissoziiert ab.

Hinweis(e)

Aus Sicht der Arzneimittelforschung sind Kernrezeptoren vor allem deshalb von Interesse, weil die natürlichen Liganden die typischen Größe diverser Arzneistoffe besitzen. So gehörten im Jahr 2003 aus der Liste der 200 am häufigsten verordneten Arzneistoffe 34 Präparate zu der Gruppe, die ihre Funktionen über einen nukleären Rezeptor entfalten.

Nomenklatur: Zur Vereinfachung wurde (Komitee für Nomenklatur der Kernrezeptoren) eine Nomenklatur für die einzelnen Subfamilien und Gruppen von Rezeptoren entworfen, die auf dem phylogenetischen Stammbaum aller bekannten Rezeptoren basiert, insbesondere auf der evolutionären Entwicklung der DNA Bindungsdomäne (DBD, C-Domäne) und der Ligandenbindungsdomäne (LBD, E-Domäne). Somit ergibt sich ein systematischer Name für jeden Rezeptor, z.B. NR2B1 für RXRalpha. Bei NR2B1 steht NR für "nuclear receptor" (Kernrezeptor), 2 für die Subfamilie 2, B für Gruppe B und 1 für Gen 1.

Literatur

  1. Aranda A et al. (2001) Nuclear hormone receptors and gene expression Physiol. Reviews 81:1269-1304
  2. Crowder MK et al. (2017) Phospholipid regulation of the nuclear receptor superfamily. Adv Biol Regul 63:6-14.
  3. DeLuca HF (2004) Overview of general physiologic features and functions of vitamin D. Am J Clin Nutr 80(6 Suppl): 1689-16896.
  4. Gronemeyer H et al (2003) Principles for Modulation of the Nuclear Receptor Superfamily, Nat. Rev Drug Discov 3: 950–964
  5. Laudet V (1997) Evolution of the nuclear receptor superfamily: early diversification from an ancestral orphan receptor J Mol Endocrinol19:207-26
  6. Lazar MA (2017) Maturing of the nuclear receptor family. J Clin Invest 127:1123-1125.
  7. Moore JT et al. (2006) The Nuclear Receptor Superfamily and Drug Discovery, Chem Med Chem 1: 504–523
  8. Nuclear Receptors Nomenclature Committee (1999: A unified nomenclature system for the nuclear receptor superfamily. Cell 97: 161–163.
  9. SaferJD et al. (1998) Defective release of corepressor by hinge mutants of the thyroid hormone receptor found in patients with resistance to thyroid hormone. J Biol Chem 273: 30175-3082.
  10. Sun G et al. (2017) Nuclear Receptor TLX in Development and Diseases. Curr Top Dev Biol 125:257-273.

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