Synonyme
Biliäres Karzinom; malignes biliäres Karzinom; biliary tract cancer;
Erstbeschreiber
Der österreichische Pathologe Maximilian Stoll beschrieb im Jahre 1777 erstmals Gallenblasentumoren als eigenständige Tumoren (Emde 2020).
Synonyme
Biliäres Karzinom; malignes biliäres Karzinom; biliary tract cancer;
Erstbeschreiber
Der österreichische Pathologe Maximilian Stoll beschrieb im Jahre 1777 erstmals Gallenblasentumoren als eigenständige Tumoren (Emde 2020).
Das Gallenblasenkarzinom (GB- CA, GBCA oder GBC) stellt eine maligne Erkrankung der Gallenwege dar (Sharma 2017).
Beim sog. „inzidentellen Gallenblasenkarzinom“ handelt es sich um ein histologisch nachgewiesenes GB- CA nach Standard- Cholezystektomie (Blitzer 2021).
Das GB- CA zählt zur inhomogenen Tumorentität der malignen Tumoren der Gallenblase, der Gallengänge (Sinn 2021) und Tumoren der Ampulla vateri (Emde 2020).
Eingeteilt werden Gallenblasenkarzinome in die TNM- Klassifikation Gallenblasenkarzinom (8. Auflage 2020):
- TX: Primärtumor nicht beurteilbar (Emde 2020)
- T1 a: Infiltration der Lamina propria (Tumor auf die Schleimhaut beschränkt [Blitzer 2021])
- T1 b: Infiltration der Wandmuskulatur (Tumor auf die Lamina muscularis mucosa beschränkt [Blitzer 2021])
- T 2: Infiltration des perimuskulären Bindegewebes, aber keine Ausbreitung jenseits der Serosa bzw. in die Leber hinein
- T2 a: Auf der peritonealen Seite findet sich eine Infiltration des perimuskulären Bindegewebes, keine Ausbreitung jenseits der Serosa
- T2 b: Auf der Seite der Leber findet sich eine Infiltration des perimuskulären Bindegewebes, keine Ausbreitung innerhalb der Leber
- T3: Perforation der Serosa und / oder Infiltration der Leber und / oder eines Nachbarorgans wie z. B. extrahepatische Gallengänge, Magen, Duodenum, Pankreas, Kolon, Netz)
- T4: Infiltration des Stamms der V. portae oder der A. hepatica oder Infiltration in 2 oder mehr Nachbarorgane bzw. - Strukturen (Pommer 2022)
- NX: Regionäre Lymphknoten sind nicht beurteilbar (Emde 2020)
- N0: Kein regionärer Lymphknotenbefall
- N1: Nachweis von Metastasen in 1 – 3 regionären Lymphknoten
- N2: Nachweis von Metastasen in ≥ 4 regionären Lymphknoten (Pommer 2022)
- pN0: Regionäre Lymphknotenadenektomie und histologische Untersuchung von mehr als 10 Lymphknoten (Pommer 2022)
- MX: Vorhandensein von Fernmetastasen nicht zu beurteilen (Emde 2020)
- M0: Kein Nachweis von Fernmetastasen
- M1: Fernmetastasen vorhanden (Pommer 2022)
UICC- Klassifikation:
- G1: Gut differenziert
- G2: Mäßig differenziert
- G3: Wenig differenziert
- G4: Undifferenziert (Emde 2020)
- Stadium 0: Tis, N0, M0
- Stadium I A: T1 a, N0, M0
- Stadium I B: T1 b, N0, M0
- Stadium II A: T2 a, N0, M0
- Stadium II B: T2 b, N0, M0
- Stadium III A: T3, N0, M0
- Stadium III B: T1 – T3, N1, M0
- Stadium IV A: T4, jedes No, N1, M0
- Stadium IV B: Jedes T, N2, M0 und jedes T, jedes N, M1 (Pommer 2022)
Zusätzlich kommt neben dem Stadium und dem Differenzierungsgrad auch noch die R- Klassifikation (Status des Resektatrandes) hinzu (Blitzer 2021):
- R0: Kein Residualtumor
- R 1: Mikroskopisch kleiner Residualtumor
- R 2: Makroskopisch sichtbarer Residualtumor
- R 2 a: Makroskopisch sichtbarer Residualtumor, mikroskopisch jedoch nicht bestätigt
- R 2 b: Makroskopisch sichtbarer Residualtumor, der mikroskopisch bestätigt wurde
- R X: Unbestimmt (Wagner 2013)
Das GB- CA tritt in den Industrieländern nur selten auf und kommt am häufigsten in Nordindien, dem Mittleren Osten, Nordafrika und bestimmten Regionen in Chile mit einer Inzidenz von 27 / 100.000 Einwohner vor (Emde 2020).
Die Inzidenz liegt weltweit (Walter 2020) bei ca. 3 / 100.000 im Jahr (Herold 2022). In Deutschland erkranken pro Jahr ca. 2.300 Männer und 3.000 Frauen an einem GB- CA (Emde 2020).
Die Inzidenz sinkt seit ca. 20 Jahren (Blitzer 2021). Das GB- CA ist die häufigste maligne Erkrankung der Gallenwege (Krell 2019).
Der Erkrankungsgipfel liegt i. d. R. jenseits des 70. Lebensjahres. Bei ca. 80 % der Erkrankten findet sich zusätzlich eine Cholezystolithiasis (Herold 2022). Frauen sind – mit 2 – 3 x (Sharma 2017) - deutlich häufiger als Männer betroffen (Kasper 2015), allerdings liegt die Sterblichkeitsrate für Männer höher (Sharma 2017).
Das inzidentelle GB- CA repräsentiert in nicht endemischen Gebieten ca. 70 % aller GB- CA und tritt bei 0,2 – 3 % der Patienten mit Choletystektomie auf (Blitzer 2021).
Ein GB- CA entsteht durch verschiedene genetische und umweltbedingte Faktoren (Sharma 2017) wie z. B.:
- Cholelithiasis (aber nur ca. 0,2 % der Patienten mit einer Cholelithiasis entwickeln ein GB- CA [Kasper 2015])
- chronische Cholezystitis
- Salmonellen- Dauerausscheider (Herold 2022)
Bei Gallenblasenpolypen > 1 cm Durchmesser besteht ebenfalls ein Entartungsrisiko (Herold 2022).
Die Kalzifizierung der Gallenblase, die sog. Porzellangallenblase, galt lange Zeit als Präkanzerose. Inzwischen wird dieses aber differenzierter betrachtet (Blitzer 2021). Das relative Risiko, ein GB- CA zu entwickeln, liegt laut Studien von Patel (2011) bei einem Odds Ratio des Krebsrisikos von 4,6.
Als Risikofaktoren gelten laut Leitlinie:
- Anatomische Anomalien der intra- und extrahepatischen Gallenwege
- Chronisch bakterielle und parasitäre Cholangitis
- Porzellangallenblase
- Primär sklerosierende Cholangitis (Blitzer 2021)
- Kontakt mit bestimmten Chemikalien
- Verzehr von frittierten Lebensmitteln
- Adipositas
- Mirizzi- Syndrom (Sharma 2017)
Die Entstehung des Gallenblasenkarzinoms folgt der Dysplasie- Karzinom- Sequenz nach Akkumulation genetischer Mutationen (Herold 2022).
Jede Exposition gegenüber Karzinogenen kann normales Gallenblasenepithel zu einer Metaplasie veranlassen. Der Metaplasie folgt die Dysplasie zum Carcinoma in situ, das sich nach ca. 15 Jahren in ein invasives Karzinom entwickelt (Sharma 2017).
Das GB- CA wird am häufigsten in der 7. Lebensdekade diagnostiziert (Emde 2020).
Im Fundus der Gallenblase befinden sich ca. 60 % aller GB- CAs, ca. 30 % im Korpus und 10 % im Collum vesicae biliaris (Sharma 2017).
Symptome verursacht das Gallenblasenkarzinom erst in einem sehr späten Stadium in Form von:
- tastbarem Tumor im Bereich des Gallenblasenlagers
- Verschlussikterus (Herold 2022)
- Schmerzen im rechten oberen Quadranten
- Gewichtsverlust (Kasper 2015)
Nicht selten wird die Erkrankung als Zufallsbefund bei einer Cholezystektomie entdeckt (Herold 2022).
Bei der Diagnostik eines Gallenblasenkarzinoms werden eingesetzt:
- Sonographie
- Endosonographie
- MRT
- MRC
- MR- Angio
- Spiral- CT
- ERC
- PTC (perkutane transhepatische Cholangiographie)
(Herold 2022)
Sonographie
Im Frühstadium des GB- CAs finden sich sonographische Veränderungen einer Cholezystits in Form einer einfachen Wandverdickung. Sollten zusätzlich noch Hinweise auf eine Läsion, Vaskularität etc. vorliegen, empfiehlt sich eine weiterführende apparative Diagnostik (Wernberg 2014).
Es besteht i. d. R. eine Erhöhung der Cholestaseparameter wie z. B. Gamma- GT, AP. Der Tumormarker CA- 19- 9 Wert kann erhöht sein (Herold 2022). Ein spezieller Tumormarker des GB- CAs wurde bislang aber nicht gefunden (Sharma 2017).
- Cholezystolithiasis
- Cholezystitis (Herold 2022)
Sinn (2021) empfiehlt zur potentiell zielgerichteten Therapieoption die Vorstellung des Patienten in einem molekularen Tumorboard.
Bei mehr als 50 % der betroffenen Patienten mit malignen biliären Tumoren bestehen therapiebare genetische Alterationen (Sinn 2021).
Die übliche Behandlung kann bestehen aus:
Chemotherapie (s. „Interne Therapie“)
Radiatio:
Bei einem lokalen Lymphknotenbefall kann eine adjuvante Strahlentherapie eingesetzt werden. Diese erhöht aber nachweislich nicht die Überlebensrate (Kasper 2015).
Palliative Maßnahmen:
Sofern Inoperabilität vorliegt, können Palliativmaßnahmen wie z. B. ERC mit Metallstent- Einlage zum Gallenabfluss sinnvoll sein (Herold 2022).
Operation (s. u.)
In den letzten Jahren wurden weitere therapeutische Maßnahmen entwickelt wie z. B.:
- Next- Generation- Sequencing (NGS)
- Whole- Exome- Sequencing (WES)
- RNA- Sequenzierung (RNA- seq)
- Single- Exome- Sequenzierung (Song 2020)
Bis zum Jahre 2017 gab es 2 relevante positive Phase- III- Studien zur Behandlung einer Erstlinientherapie beim malignen biliären Tumor:
1. Gemcitabin
2. Cisplatin (Sinn 2021)
Diese Therapie bleibt weiterhin in der palliativen Erstlinientherapie etablierter Standard (Sinn 2021).
Patienten nach einer kurativ intendierten Resektion sollte für 6 Monate eine adjuvante Chemotherapie mit Capecitabin angeboten werden (Sinn 2021).
Ebenso kann die Therapie mit Capecitabin als neoadjuvante Therapie vor der Resektion oder als adjuvante Therapie bei Risikokonstellation erfolgen (Herold 2022).
Dosierungsempfehlung: 1.250 mg / m² 2 x / d an den Tagen 1 – 14 mit einer 21 tägigen Zyklusdauer über insgesamt 8 Zyklen. Nach einer Cholezystektomie sollte die Chemotherapie ca. 12 Wochen p. o. erfolgen (Blitzer 2021).
Eine palliative Chemotherapie hat bislang keine wesentliche Verlängerung der Überlebenszeit gezeigt (Herold 2022).
Gallenblasenkarzinome sind nur selten resektabel (Kasper 2015). Das Rezidivrisiko liegt zwischen 40 – 80 % (Blitzer 2021) und ist beim inzidentellen GB- CA niedriger (Qadan 2016).
Lediglich im Stadium eines Carcinoma in situ (Tis) und beim T1 N0 M0- Karzinom ist eine Cholezystektomie onkologisch ausreichend (Herold 2022). Zusätzlich sollte eine komplette Resektion (R0- Resektion) operativ möglich erscheinen (Blitzer 2021).
Ansonsten sind bei fortgeschrittenerem Stadium eine erweiterte Resektion in Spezialzentren kurativ beschrieben (Herold 2022).
Ab Stadium ≥ T1b ist für operable Patienten neben der Cholezystektomie zusätzlich noch eine Leberresektion mit systematischer Lymphadenektomie angezeigt (Blitzer 2021).
Beim inzidentellen GB- CA wird – sofern der Allgemeinzustand des Patienten es zulässt – bereits ab dem Stadium T1b eine baldige Nachresektion empfohlen (Blitzer 2021), da die der Leber zugewandte Seite der Gallenblase nicht über eine Peritoneal- Abdeckung verfügt und von daher der Tumor rasch in das Lebergewebe infiltrieren kann. Bei bis zu 33 % der Patienten mit T2- Tumoren finden sich Mikrotumoren im angrenzenden Leberparenchym (Krell 2019).
Im Jahre 1958 beschrieben Fortner und Pack noch: „Das 5-Jahres-Überleben eines Patienten mit Gallenblasenkrebs stellt eine medizinische Kuriosität dar“ (Krell 2019).
Heutzutage liegt die 5- Jahresüberlebensrate beim Gallenblasenkarzinom zwischen 5 – 15 % (Blitzer 2021). Emde (2020) beschreibt die mediane Gesamtüberlebenszeit bei seiner Klientel mit 9,1 Monaten.
Lediglich die R0- Resektion hat mit bis zu 75 % der 5- Jahresüberlebensraten (Blitzer 2021) eine relativ gute Prognose. In allen anderen Stadien ist die Prognose schlecht (Herold 2022).
Die durchschnittliche Überlebenszeit liegt bei ca. 6 Monaten (Kasper 2015).