Angeborene Herzfehler

Autor:Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 21.08.2024

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Erstbeschreiber

Sir William Osler schrieb im Jahre 1892 im „The Principles and Practise of Medicine”, dass angeborene Herzerkrankungen “lediglich ein begrenztes klinisches Interesse haben, da diese zum großen Teil nicht mit dem Leben vereinbar sind“ (Kasper 2015).

Zum Glück haben die Errungenschaften des letzten Jahrhunderts, insbesondere der letzten 60 Jahre, dieses Bild völlig verändert, so dass über 90 % der betroffenen Kinder inzwischen das Erwachsenenalter erleben (Kasper 2015).

Kardiopulmonale Bypass- Operationen sind seit den 1950er Jahren möglich (Bouma 2017).

Definition

Unter einem angeborenen Herzfehler (AHF) versteht man eine hereditäre Missbildung des Herzens bzw. der großen Gefäße.

Einteilung

Die AHF werden unterteilt in:

 

 

  • II. Zyanotische Vitien
    • Rechts- Links- Shunt
      • Truncus arteriosus
      • Tetralogie von Fallot
      • Trikuspidalatresie
      • Transposition der großen Gefäße
      • Pulmonalatresie
      • Totale Lungenvenenfehlmündung u.a. (Herold 2023)

 

Eine weitere Einteilung umfasst einfache, mittelschwere und komplexe AHF:

  • Einfache AHF

Hierbei liegen einzelne Läsionen vor z. B. ein Shunt oder eine Klappenfehlbildung (Kasper 2015)

  • Mittelschwere AHF

Bei mittelschweren AHF finden sich zwei bzw. mehrere einfache Defekte (Kasper 2023).

  • Komplexe Defekte

Diese bestehen aus Komponenten eines intermediären Defekts sowie einer komplexeren Herz- und Gefäßanatomie (Kasper 2023).

 

Zu den Rechtsvitien zählen:

- Pulmonalklappenstenose

- Fallot- Tetralogie

- Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt

- Pulmonalatresie mit intaktem Ventrikelseptum und kritischer Pulmonalstenose

- Pulmonalstenose

- Trikuspidalatresie

- Ebstein- Anomalie

- Double Outlet Right- Ventricle (Blum 2016)

 

Zu den Linksvitien zählen:

- Aortenklappenstenose

- Aortenklappeninsuffizienz

- Unterbrochener Aortenbogen und kritische Aortenisthmusstenose

- Nicht kritische Aortenisthmusstenose

- Mitralklappenstenose

- Mitralklappeninsuffizienz (Blum 2016)

Vorkommen

Die häufigsten aller Geburtsfehler sind kardiovaskulärer Natur (Kasper 2015). Heutzutage findet man bei ca. 1 % aller Lebendgeborenen eine Fehlbildung des Herzens bzw. der großen Gefäße (Herold 2023).

Bei bis zu 60 % der kardialen Fehlbildungen handelt es sich um einfache Fehlbildungen (Blum 2016), bei ca. 25 % der Betroffenen liegen kritische AHF vor (Singh 2021). Von Fehlbildungen der Herzklappen sind < 15 % betroffen (Blum 2016).

Man schätzt die Zahl der in Deutschland lebenden Erwachsenen mit AHF auf 203.000 – 304.000 (Schmaltz 2013).

Ätiologie

AHF entstehen meistens in einer sehr frühen Phase der Schwangerschaft, d. h. in der 5. – 8. Schwangerschaftswoche. Man vermutet multifaktorielle Ursachen wie z. B. Umwelteinflüsse, Genetik, Infektionen (z. B. Röteln), Alkohol, Drogen, verschiedene Medikamente etc.

Auch Chromosomenanomalien wie z. B. Trisomie 21, Marfan- Syndrom, Turner- Noonan- Syndrom (Herold 2023) und das Williams- Beuren- Syndrom (Yuan 2017) sind häufig mit AHF assoziiert.

Ebenso besteht bei Müttern mit prägestationalem Diabetes mellitus für das Kind ein deutlich erhöhtes Risiko gegenüber allen Phänotypen angeborener Herzfehler (Maduro 2022).

Pathophysiologie

Es sind bei den angeborenen Herzfehlern bis zu 400 verschiedene Gene mit der Pathogenese assoziiert (Williams 2019).

Klinisches Bild

Die Symptome sind abhängig vom jeweiligen Herzfehler und können bestehen in:

- Trinkschwäche beim Säugling

- Gewichtsstagnation

- Schwitzen am Kopf beim Trinken

- Tachypnoe

- Hepatomehalie

- Ödeme (Blum 2016)

- Synkopen

- sehr selten plötzlichem Herztod (Hoffmann 2014)

Diagnostik

Pränatal können bis zu 50 – 60 % der kritischen AHF sonographisch diagnostiziert werden (Singh 2021).

Die postnatale Diagnostik umfasst neben der Auskultation, dem EKG, Röntgen- Thorax und der Messung der Sauerstoffsättigung die nichtinvasive Bildgebung wie z. B. die Echokardiographie, Herz- MRT, Angio- CT. Zur invasiven Diagnostik zählt die Herzkatheteruntersuchung (Blum 2016).

Shunts lassen sich in der Echokardiographie gut beurteilen, ansonsten können Shunts und die meisten angeborenen Herzerkrankungen durch eine CMR optimalerweise beurteiltet werden (Kasper 2015).

Therapie

Bei der operativen Therapie eines AHF differenziert man zwischen korrigierenden und palliativen Eingriffen:

- Korrigierender Eingriff:

Bei einer Korrektur wird die normale Funktion wieder hergestellt und aufrechterhalten, die Lebenserwartung normalisiert sich und es sind keine weiteren medizinischen oder chirurgischen Eingriffe erforderlich.

Beispiele dafür sind Operationen bei z. B. einem ASD (Vorhofseptumdefekt) und einem PDA (Ductus arteriosus Botalli) (Herold 2023).

 

- Palliativoperation:

Chirurgische Palliativoperation können z. B. sein: Anlage eines aortopulmonalen Shunts, Eingriffe bei Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt und aortopulmonalen Kollateralen, Implantation von Conduits, Herztransplantation, Lungentransplantation oder eine Herz- Lungentransplantation (Herold 2023).

Prognose

Die früher hohe Letalität bei AHF ließ sich in den letzten Jahrzehnten deutlich senken. Inzwischen erreichen > 90 % der Betroffenen das Erwachsenenalter (Herold 2023).

Hinweis(e)

Schwangere mit angeborenen Herzfehlern sollten neben der gynäkologischen Überwachung auch stets parallel von einem Kardiologen betreut werden (Kasper 2015).

 

Nachsorge

Nahezu alle Patienten mit einem angeborenen Herzfehler bedürfen zeitlebens einer kardiologischen Betreuung, idealerweise mit Zusatzqualifikation „EMAH“ = „Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern“. Dabei wird differenziert zwischen der Behandlung des:

  •  1. Folgezustandes:
    • Als solchen bezeichnet man anatomische und hämodynamische Veränderungen

durch den operativen Eingriff, die zum OP- Zeitpunkt nicht vermeidbar waren (Herold 2023)

  • 2. Restzustandes: Dieser bezeichnet postoperativ bestehende anatomische und hämodynamische Veränderungen,
    • die zum Teil auf Grund der Fehlbildung vorbestanden haben  
    • sich als Folge des AHF entwickelt haben
    • Abnormitäten, die nicht korrigiert werden konnten oder eine Korrektur wegen eines hohen Risikos nicht erfolgte (Herold 2023)

Literatur

  1. Blum U, Meyer H, Beerbaum P (2016) Kompendium angeborene Herzfehler bei Kindern: Diagnose und Behandlung. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 18, 23 – 27,
  2. Bouma B J, Mulder B J M (2017) Changing Landscape of Congenital Heart Disease. Circ Res. 120 (6) 908 - 922
  3. Herold G et al. (2023) Innere Medizin. Herold Verlag 181
  4. Hoffmann G F, Spranger J, Lentze M, Zepp F (2014) Pädiatrie: Grundlagen und Praxis. Springer Medizin Berlin / Heidelberg 1335
  5. Kasper D L, Fauci A S, Hauser S L, Longo D L, Jameson J L, Loscalzo J et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 47, 270e- 25 – 270e- 26, 1519 – 1553
  6. Maduro C, de Castro L F, Moleiro M L, Guedes- Martins L (2022) Pregestational Diabetes and Congenital Heart Defects. Rev Bras Ginecol Obstet. 44 (10) 953 – 961
  7. Schmaltz A A, Bauer U M M (2013) Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern: Versorgungssituation und medizinische Probleme. Herz 38, 639 - 654
  8. Singh Y, Lakshminrusimha S (2021) Perinatal Cardiovascular Physiology and Recognition of Critical Congenital Heart Defects. Clin Perinatol. 48 (3) 573 – 594
  9. Williams K, Carson J, Lo C (2019) Genetics of Congenital Heart Disease. Biomolecules. 9 (12) 879 doi: 10.3390/biom9120879
  10. Yuan S M (2017) Congenital heart defects in Williams syndrome. Turk J Pediatr. 59 (3) 225 – 232

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