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Pseudoxanthoma elasticumQ82.8
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Definition
Seltene, metabolische, autosomal vererbte Systemerkrankung (OMIM 264800) mit konsekutiver Mineralisationsstörung des elastischen Bindegewebes, die sich an Haut, Augen und kardiovaskulärem System manifestiert. Sehr wenige Fälle sind auch von erworbenem Pseudoxanthoma elasticum bekannt geworden.
Einteilung
Klassifikation nach Plomp et al. (2010)
- Hauptkriterien
- Haut: Unregelmäßiges, narbenartiges Hautrelief durch flach elevierte, symptomlose gelbe Papeln/Plaques lateral am Hals und/oder in den großen Gelenkbeugen (v.a. axillär); histopathologisch Fragmentierung, Verklumpung und Kalzifizierung elastischer Fasern.
- Auge: Peau d´orange (Retina); "angioid streaks".
- Genetik: Bi-allelische ABCC6-Mutationen; ein Verwandter 1. Grades, der die diagnostischen Kriterien des PXE erfüllt.
- Nebenkriterien
- Auge: Retinale Kometen und/oder "Flügel-Zeichen"
- Genetik: Heterozygote ABCC6-Mutation
Vorkommen/Epidemiologie
Inzidenz: Ca. 0,5-1,0/100.000 Einwohner/Jahr. Prävalenz wird derzeit mit 1,0:25.000/100.000 angegeben.
Ätiopathogenese
Der Erbgang ist meist autosomal-rezessiv (90% der Fälle), selten autosomal-dominant.
Ursächlich liegen Mutationen in dem ABCC6-Gen (syn.: MRP6-Gen= Multidrug resistance protein 6) vor, das auf dem Chromosom 16p13.1 kartiert ist. Das ABCC6-Gen kodiert das transmembrane Protein MRP6, das für eine Vielzahl physiologisch wichtiger Prozesse verantwortlich ist. MRP6 gehört zur Familie der sog. „multidrug resistance-associated Proteine (MRP)“. MRPs sind u.a. auch an der Resistenz gegenüber Medikamenten, besonders in Verbindung mit einer Chemotherapie, beteiligt. Die Folge ist die Produktion von funktionsuntüchtigen MRP6, (S.u. ABC-Transporter). MRP6-Proteine werden bevorzugt in der Leber und der Niere exprimiert. Sie sind u.a. für den Transport von Bilirubimetaboliten aus Hepatozyten verantwortlich. Bisher konnten 32 PXE-Mutation nachgewiesen werden.
Beim PXE kann durch diese Funktionsstörung eine Kalzifikation, Fragmentierung und Degeneration der elastischen Fasern nicht mehr verhindert werden. Letztlich ist der genaue Mechanismus nicht aufgeklärt.
Die Ursache der wenigen, weltweit bekanntgewordenen Fälle von erworbenem PXE ist bisher ungeklärt.
Eine signifikante Anzahl von Patienten mit Beta-Thalassämie entwickelt klinische Zeichen des PXE. Vereinzelt beschrieben wurde ein Pseudoxanthoma-elasticum-artiges Krankheitsbild unter einer Therapie unter Penicillamin.
Manifestation
Lokalisation
Klinisches Bild
Haut: Regional begrenzte, runde oder ovale, symmetrisch angeordnete, streifenförmige, Flecken- oder herdförmig angeordnete, leicht erhabene, weiche, ggf. konfluierende Papeln. Farbe: Primär violett, später weiß bis gelblich, "elfenbeinfarben". Im "ausgereiften" Entwicklungsstadium zeigen sich gelbliche Papeln und Plaques mit einem körnigen Oberflächenrelief, das an eine gerupfte Hühnerhaut (auch pflastersteinartig gehöckert) erinnert.
Als Charakteristikum wird eine vermehrte Faltenbildung am Kinn angesehen (Lebewohl Zeichen).
Mundschleimhaut: selten werden analoge Läsionen auch in der Mundschleimhaut gefunden.
Augen: Sehstörungen im 3. bis 4. Lebensjahrzehnt, papillär gelegene "angioid streaks" des Augenhintergrunds. Durch Verkalkung elastischer Fasern kommt es zu Rissen der Lamina vitrea der Aderhaut und des Pigmentepithels (Angioid streaks) sowie zur Makuladegeneration. Es besteht die Gefahr für Retinablutungen und Verlust des zentralen Sehens.
Kardiovaskuläre und andere Symptome: Hypertonie (25%), arteriosklerotische Veränderungen (Verkalkungen der Elastica der Gefäße) mit Claudicatio intermittens (20%) und Angina pectoris (20%). Seltener sind:
- Myokarditis
- Aortitis
- zerebrale Insulte
- Blutungen des Gastrointestinaltraktes sowie der Nieren (hier auch Verkalkungen).
- Blutungsneigungen: spontane Gefäßrupturen sind die häufigste Todesursache.
Krankheitssymptome treten häufig erst in der zweiten Lebensdekade auf; langsame Entwicklung.
Histologie
- Stellenweise gequollene, gebrochene, mineralisierte, elastische Fasern, die reich an Kalziumsalzen und sauren Proteoglykanen sind.
- Elektronenmikroskopie: Vergrößerung, Kavernenbildung und Fragmentierung der elastischen Fasern. Vergrößerung eines variablen Anteils der Kollagenfibrillen mit blumenähnlicher Struktur im Querschnitt. Granulo-filamentäres Material und kleinkalibriges Kollagen.
Differentialdiagnose
- Klinisch:
- Elastosis actinica
- Cutis laxa
- Kolloidmilium
- Naevus elasticus
- Buschke-Ollendorf-Syndrom
- mediodermale Elastolyse
- Pseudoxanthoma-elasticum-artiges Syndrom
- Histologisch:
- Das histologische Bild ist im Zusammenhang mit der Klinik beweisend.
Therapie
Symptomatisch, ggf. Operation aus kosmetischer Indikation.
Prävention von Folgeschäden durch Nikotinkarenz, Vermeidung atherogener Lipidstoffwechselstörungen.
Therapieversuche mit Vitamin E oder Chelatbildner (EDTA) werden ebenso wie kalziumarme Diäten beschrieben, sind aber ohne durchgreifenden Erfolg.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Internisten und Ophthalmologen.
Verlauf/Prognose
Hinweis(e)
Die Diagnose ist wahrscheinlich bei:
- Vorliegen 2-er Hauptkriterien aus der Kategorie Haut oder Auge
- Vorliegen eines Hauptkriteriums und (mindestens) eines Nebenkriteriums, das nicht zur selben Kategorie gehört wie das Hauptkriterium.
Praxistipps
Eine Vorstellung in einem spezialisierten Zentrum zur Diagnostik und Therapie des ophthalmologischen Krankheitsaspektes ist dringend anzuraten. Eine molekularbiologische Bestätigung der Diagnose ist notwendig. Eine Humangenetische Beratung sollte angeboten werden. Die Anbindung der Patienten an eine Selbsthilfegruppe ist zu empfehlen.
Literatur
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