Vor mehr als 90 Jahren postulierte der russische Bakteriologe Ilja Metschnikoff bereits die Abwehrkräfte fördernde Wirkung von Milchsäurebakterien in Milchprodukten. 1908 wurde ihm daraufhin der Nobelpreis verliehen.
Probiotika
Erstbeschreiber
Definition
Probiotika sind Zubereitungen aus lebenden Mikroorganismen, die z.B. in der natürlichen Darmflora, dem Mikrobiom, vorkommen. Das Mikrobiom des Darmes spielt bei der Entstehung vieler chronischer Krankheiten eine Schlüsselrolle. Zwischenzeitlich ist es wissenschaftlich gesichert, dass die Darmschleimhaut und ihr Mikrobiom Einfluss auf die wichtigsten Organsysteme des Körpers, wie z.B. Nerven-, Stoffwechsel- und Immunsystem nimmt.
Zu unterscheiden sind „hochwirksamen State-of-the-art-Probiotika“ und Lifestyle-Produkten, Lebensmittel, die lebende Mikroorganismen enthalten (z.B. Lactobacillus casei; Saccharomyces boulardi) und bei ausreichendem Konsum einen gesundheitsfördernden Einfluss ausüben sollen.
Indikation z.B. zur Prävention einer Infektion mit Clostridioides difficile (CDI) unter Antibiotikatherapie. Hierbei soll das Probiotikum innerhalb von 48 Stunden zum Antibiotikum dazugegeben werden. Aktuell wird die Wirkung von Probiotika ausschließlich in der symptomatischen Therapie der Antibiotika-assoziierten Diarrhö (AAD) als erwiesen eingeschätzt.
E.coli (Mutaflor® Kapseln) sind beispielsweise bei der Colitis ulcerosa zugelassen.
Auch extern werden Probiotika zur Regulierung des Hautmikrobioms, z.B. bei der atopischen Dermatitis, eingesetzt, z.B. das Präparat AktivaDerm®ND mit 9 lebenden Bakterienstämmen.
Allgemeine Information
- Der regelmäßige Verzehr soll eine Anlagerung der Bakterien in der Darmflora fördern und den Verlauf bei Darmerkrankungen günstig beeinflussen.
- Verdauungsfördernde Eigenschaften werden Probiotika zugesprochen, insbesondere sollen Nahrungsbestandteile besser resorbiert werden.
- Abwehrkräfte des Immunsystems in der Darmwand sollen durch Probiotika gestärkt werden.
- Probiotika stehen heute in unterschiedlichen Darreichungen (Kapseln, diätetische Produkte) zur Verfügung. Häufig werden ihnen noch Prebiotika zugesetzt, d.h. bestimmte unverdauliche Oligosaccharide wie Inulin und Oligofruktose, die im Dickdarm das Wachstum der probiotischen Bakterien fördern sollen.
- Um als Probiotikum eingesetzt werden zu dürfen, müssen Mikroorganismen folgenden Kriterien erfüllen:
- gesundheitliche Unbedenklichkeit
- Nachweis eines gesundheitlichen Nutzens
- unversehrte Passage des Magen-Darm-Traktes
- technologische Eignung.
- Zusätzliche Kriterien beinhalten die Verhinderung oder Reduktion pathologischer Adhärenz, Persistenz und Vermehrung der Probiotika, Produktion von Säuren, Wasserstoffperoxid, Bakteriziden und die Fähigkeit zur Zelladhärenz.
- Nach vorliegenden Studienergebnissen ist der präventive oder direkte therapeutische Eeffekt von Probiotika beim atopischen Ekzem fraglich. Ein signifikanter Unterschied in der klinischen Symptomatik war nicht festzustellen.
Komplikation(en)
Für Saccharomyces-boulardi-haltige Probiotika (z.B. Perenterol®), die v.a. zur Therapie von Durchfallerkrankungen eingesetzt werden, besteht für immunupprimierte schwerkranke Patienten die Gefahr potenziell tödlicher Fungämien. Sie sind bei diesen Patienten kontraindiziert (a-t 2018; 49: 23)
Bei schweren abdominellen Entzündungen ist Vorsicht geboten: In einer doppelblinden, placebokontrollierten Studie wurde eine Übersterblichkeit in der Probiotikagruppe im Vergleich zur Placebogruppe nachgewiesen. zeigte bei knapp 300 Patienten mit akuter Pankreatitis eine Übersterblichkeit von 16 % im Vergleich zu der Placebogruppe mit 9 %.
Hinweis(e)
Literatur
- Folster-Holst R et al. (2006) Prospective, randomized controlled trial on Lactobacillus rhamnosus in infants with moderate to severe atopic dermatitis. Br J Dermatol 155: 1256-1261
- Khan SH et al. (2007) Review : probiotics - the friendly bacteria with market potential in global market. Pak J Pharm Sci 20: 76-82
- Kopp MV (2008) Probiotika in der Prävention und Therapie von Atopien. Monatsschr Kinderheilk 156: 1084-1092
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Gießelmann K (2019) Probiotika: Nicht immer von Vorteil. Dtsch Arztebl 116: 33-34