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Lepra (Übersicht)A30.9
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Definition
Wichtige, chronische granulomatöse Infektionskrankheit durch Mycobacterium leprae und Mycobacterium lepromatosis (s.u.Mycobacterium leprae), mit bevorzugtem Befall von Haut und peripheren Nerven und von geringer Kontagiosität. Während die Lepra in den Industrieländern keine Rolle mehr spielt, ist sie nach wie vor in den Entwicklungsländern von großer medizinischen Bedeutung. Die Ansteckung und Manifestation der Infektion erfolgt v.a. in einer Bevölkerung mit Unter- bzw. Mangelernährung, mit schlechtem Allgemeinzustand und bei Immundefizienzien. Nach wie vor ist die Lepraerkrankung stigmatisierend; Erkrankte müssen noch immer den Ausschluss aus Gemeinschaft und Familie fürchten.
Merke! Meldepflicht!
Erreger
Mycobacterium leprae (unbewegliche, grampositive, säurefeste Stäbchen). Häufig sind die Erreger intrazellulär in Bündeln angeordnet. Sehr langsames Wachstum.
Einteilung
Einteilung aufgrund immunologischer, klinischer, bakteriologischer und histologischer Befunde (s.a. Tabelle 1). Man unterscheidet:
Lepra lepromatosa - LL- (erregerreich, anerg, Flecken, Papeln, Plaques und Knoten)
Borderline Lepra
- Borderline Lepra lepromatosa -BL- (erregerreich, Plaques und Flecken, Tendenz zur Symmetrie der Läsionen)
- Mid Borderline Lepra lepromatosa -BB- ( erregerreich, Asymmetrie der Herde)
- Boderline Lepra tuberkuloides - BT- (erregerarm, asymmetrisch, wenige Plaques, Satelliten)
Lepra tuberculoides -TT- (keine Erreger nachweisbar, 1-5 scharf begrenzte Plaques, hypopigmentiert, asymmetrisch).
Intermediäre Lepra -I- (Intermediate Leprosy; 1 oder wenige, hypopigmentiert, Flecken keine Plaques).
Therapeutische Relevanz hat die Bestimmung der mikroskopischen Bakterienmenge bzw. -dichte z.B. durch Nasenabstrich. Der Bakterienindex (Bakteriendichte pro Gesichtsfeld) wird in folgender Weise eingeteilt:
- Index 6: mehr als 1000 Bakterien pro Gesichtsfeld (Gf.),
- Index 5: zwischen 100 und 1000 Bakterien pro Gf.,
- Index 4: zwischen 10 und 100 Bakterien pro Gf.,
- Index 3: zwischen 1 und 10 Bakterien pro Gf.,
- Index 2: zwischen 1 und 10 Bakterien pro 10 Gf.,
- Index 1: zwischen 1 und 10 Bakterien pro 100 Gf.,
- Index 0: 0 Bakterien in 100 Gf.
Vorkommen/Epidemiologie
2015 wurden weltweit 211.973 neue Leprafälle diagnostiziert. Derzeit wurden die meisten neuen Fälle (>96%) in den 22 risikoreichen Ländern (lepra priority countries) registriert (WHO Fact Sheets 2017). Lepra ist nach wie vor eher eine Krankheit der Armut als eine Krankheit der tropischer oder subtropischer Länder (Endemiegebiete: Indien, Brasilien, Bolivien, Indonesien, Südsudan, Sierra Leone). Unterernährung, mangelhafte Ernährung, schlechter AZ, Immundefizienz, begünstigen ihren Ausbruch.
Verteilung: In einem größeren indischen Kollektiv (n=220) fand sich folgende Verteilung:
- Multibazilläre Lepra: w>m. Sie war häufiger vertreten bei Dorfbewohnern (80.9%) als bei Stadtbewohnern (64.8%).
- Borderline lepromatöse Lepra (38.2%)
- Lepromatöse Lepra (28.2%)
- Borderline tuberkuloide Lepra (21.4%) (Arif T et al. 2019)
Ätiopathogenese
Manifestation
Das durchschnittliche Alter lag in einer größeren indischen Studie (Arif T et al. 2019) zwischen 20 und 40 Jahren. Das Kindes- oder Jugendalter kann ebenfalls betroffen sein.
Klinisches Bild
Inkubationszeit: 3 bis ca. 20 Jahre; uncharakteristische Frühsymptome.
Hauterscheinungen: Lepra lepromatosa, Lepra tuberculoides, Lepra indeterminata, dimorphe Lepra. Depigmentierung oder Hypopigmentierung der Haut.
Sensibilitätsstörungen: Hyperästhesie, Parästhesie, Hypästhesie, Anästhesie. Strangartige Nervenverdickung, häufig des Nervus ulnaris.
Diagnose
Sensibilitätsstörungen: Störung des Temperatur-, Schmerz- und Berührungsempfindens.
Erregernachweis:
- Direkt: Abstrich der Haut (Stirn, Ohrmuschel, Stamm, Extremitätenstreckseiten) und der Nasenschleimhaut, Haut- oder Nervenbiopsien, Faraco-Fite-Färbung; Ziehl-Neelsen Färbung.
- Kulturell: Züchtung nur durch Übertragung auf Tiere, insbes. Mäuse, Gürteltiere, Streifenhörnchen, Igel. Insgesamt schwierig und wenig Erfolg versprechend.
Leprominreaktion: Zur individuellen Lepraklassifikation und Prognosestellung.
Histamintest: Intrakutane Applikation von Histamin - fehlendes Reflexerythem.
Schwitztest: Fehlende Schweißsekretion in lepromatösen Herden; s.a. Minorscher Schwitzversuch.
PGL I-Antikörper: Nachweis von spezifischen Antikörpern gegen PGL I-Antigen.
Therapie allgemein
Interne Therapie
Merke! Wichtig ist die Überwachung und Behandlung von Sekundärinfektionen, da diese häufig Ursache für das Versterben von Leprapatienten sind!
- Schwangerschaft: Leprabakterien gelangen über die Plazenta zum Ungeborenen. Eine Behandlung ist deshalb auch während der Schwangerschaft in jedem Fall durchzuführen. Teratogene Effekte der Lepramedikation sind bisher nicht bekannt. Dapson, Rifampicin sowie Clofazimin sind plazentagängig.
- Rehabilitation: Anschließend Rehabilitationsmaßnahmen entsprechend der klinischen Symptomatik des Patienten wie plastisch rekonstruktive Chirurgie und Physiotherapie.
Verlauf/Prognose
Günstiger bei tuberkuloider Lepra,Der Immunstatus des Patienten ist entscheidend für den Verlauf der Lepra! Bei schlechter Immunlage kommt es zu einer starken Erregervermehrung; Entwicklung einer Lepra lepromatosa mit ungünstiger Prognose. Günstige Prognose bei tuberkuloider Lepra. Weitere Beeinträchtigung durch Sekundärinfektionen.
Prophylaxe
Aufklärung. Da die Kontagiosität gering und die antibiotische Therapie erfolgreich ist, wird heute eine strenge Isolierung der Kranken nicht mehr gefordert. Wichtig ist eine Verbesserung der hygienischen Verhältnisse sowie eine regelmäßige Kontrolle von Kontaktpersonen (alle 6 Monate). Ggf. kann eine einmalige Gabe von Rifampicin nach Exposition die Manifestation einer Erkrankung unterdrücken.
Tabellen
Charakteristika der Lepraformen
TT |
BT |
BB |
BL |
LL |
||
Hautläsionen |
Anzahl |
einzelne |
wenige |
mäßige |
viele |
sehr viele |
Symmetrie |
- |
- |
- |
± |
+ |
|
|
||||||
Nervenläsionen |
Anästhesie |
betont |
betont |
mäßig |
schwach |
kaum |
Verdickung |
++ |
+ |
+ |
± |
± |
|
Immunstatus |
gut |
mittel |
schlecht |
|||
|
||||||
Bakterien-Index |
|
0 |
1-2 + |
2-4 + |
3-5 + |
5-6 + |
Lepromin-Test |
|
+++ |
± |
- |
- |
- |
|
||||||
Leprareaktion |
Typ I |
0 |
+ |
++ |
+ |
0 |
Typ II |
0 |
0 |
0 |
+ |
++ |
Behandlung der Lepra
Dapson |
Rifampicin |
Clofazimin |
Therapiedauer |
|
Geringe Bakteriendichte (Index 1; Lepra tuberculoides, dimorphe Lepra) |
100 mg/Tag (1-2 mg/kg KG/Tag) |
600 mg 1mal/Monat |
Über mind. 6 Monate |
|
Große Bakteriendichte (Lepra lepromatosa, Lepra indeterminata) |
100 mg/Tag (1-2 mg/kg KG/Tag) |
600 mg 1mal/Monat |
50-100 mg/Tag (1-2 mg/kg KG/Tag) |
Über 2 Jahre bzw. bis zum negativen Bakterienausstrich |
Bei Dapson-Resistenz oder Unverträglichkeit |
600 mg 1mal/ Monat über 3 Jahre |
50-100 mg/kg KG/Tag |
Über mind. 10 Jahre |
|
Alternativ zu Clofazimin kann Ethionamid 250 mg/Tag gegeben werden (über unbestimmte Zeit) |
Literatur
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- Arif T et al. (2019) Leprosy in the post-elimination era: a clinico-epidemiological study from a
northern Indian tertiary care hospital. Acta Dermatovenerol Alp Pannonica Adriat 28:7-10. - de Almeida Junior HL et al. (2000) Postinfectious Lucio phenomenon in diffuse leprosy. Report of 2 cases. Hautarzt 51: 945-949
- Fucha J et al. (1992) Diagnostische und therapeutische Probleme bei Leprapatienten aus dermatologischer Sicht. Akt Dermatol 18: 231–235
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- Preimsberger J(2014) Hansen-Krankheit auf hoher See. Hautnah Dermatologie 30:44-45
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- Stingl P (1990) Lepra. Pathogenese-Klassifizierung-Diagnostik-Behandlung. Hautarzt 41: 126–130
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- WHO (1988) A guide to leprosy control 2nd. ed. Geneva: 27-28
- WHO (2017) WHO Fact Sheets Updated February 2017. ww.who.int/fact sheets/lepra.