AnalkarzinomC44.5

Autor:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

Co-Autor:Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

anal carcinoma; Kloakogenes Karzinom

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Definition

Karzinome im Bereich von Analrand, Analkanal oder der Transformationszone (Linea dentata).

Einteilung

Unterschieden werden:
  • Analrandkarzinom: Hautkarzinom mit vorwiegend flächiger und ulzeröser Ausbreitung.
  • Analkanalkarzinom: Vorwiegend Plattenepithelkarzinome.
  • Transitionalzellkarzinom: Vom Übergangsepithel ausgehendes Karzinom.
  • Adenokarzinom des Analkanals.
TNM-Stadien des Analkarzinoms:
Primärtumor
TX Primärtumor kann nicht beurteilt werden
T0 kein Anhalt für Primärtumor
Tis Carcinoma in situ
T1 Tumor 2 cm oder weniger in der größten Ausdehnung
T2 Tumor mehr als 2 cm aber nicht mehr als 5 cm in größter Ausdehnung
T3 Tumor mehr als 5 cm in größter Ausdehnung
T4 Tumor jeder Größe mit Infiltration benachbarter Organe wie Vagina, Urethra oder Harnblase (der Befall der Sphinktermuskulatur allein wird nicht als T4 klassifiziert)
Regionale Lymphknoten
NX NX regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden
N0 kein regionärer Lymphknoten
N1 Metastasen in perirektalen Lymphknoten
N2 Metastasen in inguinalen Lymphknoten einer Seite und/oder in Lymphknoten an der Arteria iliaca interna einer Seite
N3 Metastasen in perirektalen und inguinalen Lymphknoten und/oder in Lymphknoten an der Arteria iliaca interna beidseits und/oder in bilateralen Leistenlymphknoten
Fernmetastasen
MX Minimalerfordernisse zur Feststellung von Fernmetastasen sind nicht erfüllt
M0 kein Nachweis von Fernmetastasen
M1 Nachweis von Fernmetastasen
Stadien-Gruppierung
Stadium 0 Tis N0 M0
Stadium I T1 N0 M0
Stadium II T2/3 N0 M0
Stadium IIIa T4 N0 M0
T1-3 N1 M0
Stadium IIIb T4 N0 M0
jedes T N2, 3m M0
Stadium IV jedes T jedes N M1
Stadieneinteilung des Analkarzinoms (nach Dukes)
Stadium I T1 N0 M0
Stadium II T2-3 N0 M0
Analkanal
Stadium IIIA T4 N0 M0
T1-3 N1 M0
Stadium IIIB T4 N1 M0
jedes T N2-3 M0
Analrand
Stadium III T4 N0 M0
Stadium jedes T N1 M0
Stadium IV jedes T jedes N M1

Vorkommen/Epidemiologie

  • Selten. Analkarzinome machen ca. 1-2% aller kolorektalen Karzinome und etwa 4% aller Rektumkarzinome aus. 60-70% der Karzinome sind Plattenepithelkarzinome. Ständige Zunahme der Neuerkrankungen in den letzten Jahrzehnten bei weiter steigender Inzidenz.
  • Häufigkeitsgipfel zwischen 60. und 70. Lebensjahr.
  • Gehäuft bei Infektion mit HIV, HSV, Gonorrhoe, risikoreichen Sexualpraktiken, Organtransplantation.

Ätiopathogenese

  • Das Tumorwachstum beginnt in der Regel nicht de novo; es entsteht meist auf vorgeschädigter Haut, wie beispielsweise bei Lichen planus, Acne inversa, entzündlichen Darmerkrankungen wie z.B. Morbus Crohn oder Lichen sclerosus et atrophicus.
  • Eine langdauernde Immunsuppression (insbesondere HIV-Infektion) begünstigt die Tumorentstehung.
  • Der Zusammenhang zwischen "high-risk" Papillomaviren (meist HPV 16 oder 18), langjährig bestehenden Condylomata acuminata und maligner Transformation in ein Analkarzinom ist gesichert.

Manifestation

Frauen sind häufiger als Männer betroffen.

Lokalisation

  • Analrandkarzinom: Perineale Kutis
  • Analkanalkarzinom: Zwischen Linia dentata und Anocutangrenze
  • Transitionalzellkarzinome: Übergangszone.

Klinisches Bild

  • Derber, manchmal glatter, meist verruköser hautfarbener bis rötlicher Knoten. Es wächst im Laufe von Monaten und Jahren peripher und in die Tiefe. Die Patienten haben nur bei Exulzeration zunehmend Beschwerden; in den frühen Stadien (s.u. AIN) oft asymptomatischer Verlauf bzw. Wahrnehmen einer tastbaren, festen, nicht schmerzhaften Hautveränderung.
  • Häufig Symptomenkomplex bestehend u.a. aus peranalem Blutabgang (50%), perianalen Schmerzen, Tenesmen, Juckreiz, Fremdkörpergefühl, Stuhlunregelmäßigkeiten, Inkontinenz, vergrößerten Leistenlymphknoten. Häufig benigne Begleiterkrankungen (Hämorrhoiden, Fissur, Fistel, Condylomata acuminata etc.).
  • Hoch sitzende Analkarzinome metastasieren in die inferioren mesenterialen Lymphknoten. Karzinome des mittleren Analkanals metastasieren in die pelvinen Lymphknoten. Tief sitzende Analkarzinome und Analrandkarzinome metastasieren in die inguinalen Lymphknoten. Selten Fernmetastasen, wenn auftretend, vor allem in Leber und Lungen.

Labor

  • BKS, großes Blutbild, Elektrolyte, Kreatinin, Gesamteiweiß, Quick, PTT, Serumeisen, LDH, Gamma-GT, AP, GPT.
  • Tumormarker: CEA, CA 19-9. Tumormarker nicht als Screening-Methode! Bei erhöhten Werten sind Tumormarker hervorragend geeignet, um die Effektivität der Therapie zu erfassen.

Diagnose

Wesentliche Grundsätze der Frühdiagnose: Biopsie bei chronischem perianalem Ekzem, therapierefraktärer Analfissur, knotigen Veränderungen und jedem nicht völlig typischen Analbefund. Histologische Untersuchung des gesamten aus der Anorektalregion entfernten Biopsats, auch wenn es sich um Hämorrhoiden, Fissuren oder Fisteln ohne klinischen Verdacht auf Malignität zu handeln scheint. Notwendige Untersuchungen: Anamnese und klinische Untersuchung (einschließlich Leistenlymphknoten), Untersuchung des Analkanals (mit analem Spreizspekulum), Digital-rektale Untersuchung, Proktoskopie, Rektoskopie. Bei Tumorverdacht bioptische Sicherung (ggf. in Narkose):
  • Kleine Läsionen (< 1 cm und isolierter Schleimhautbefall): Totalbiopsie (Tumor-Exzision).
  • Größere Läsionen und Infiltration in Muskulatur: Inzisions- oder Stanzbiopsie.
  • Computertomographie (bzw.PetCT) oder MRT des Abdomens und Beckens
  • Röntgenuntersuchung des Thorax in zwei Ebenen.
Im Einzelfall nützliche Untersuchungen: Endosonographie des Analkanals, gynäkologische Untersuchung, urologische Untersuchung bei fortgeschrittenem Tumor.

Cave! Bei schlecht differenziertem Plattenepithel- sowie den sehr seltenen kleinzelligen und undifferenzierten Karzinomen ist differenzialdiagnostisch auf die Abgrenzung gegenüber malignen Melanomen und Lymphomen zu achten!

Komplikation(en)

Lokoregionäre Rezidive nach Radiochemotherapie von Analkanalkarzinomen entstehen meist in den ersten zwei Jahren nach Therapie. Cisplatin und 5-FU gelten immer noch als zytostatische Therapie der ersten Wahl. Rezidive sollten frühzeitig diagnostiziert werden, da meist durch Rektumexstirpation eine hohe Heilungschance besteht. Bei isolierten Lungen- oder Lebermetastasen gelten die allgemeinen Grundsätze der Metastasenchirurgie. Inkurable Lokalrezidive erfordern meist eine Kolostomie zur Stuhlableitung. Die palliative Chemotherapie mit Cisplatin und 5-FU stellt hierbei ebenso wie bei Tumorgeneralisierung eine therapeutische Option dar. l

Therapie

  • Radiotherapie:
    • Einzeldosis von 1,8 Gy in einmal täglicher und fünfmal wöchentlicher Fraktionierung bis zu einer Gesamtdosis von 50,4 Gy.
    • Bestrahlung der Leisten elektiv bis zu einer Gesamtdosis von 45 Gy.
  • Simultane Chemotherapie: In der ersten und fünften Behandlungswoche:
    • 5-FU (1000 mg/Tag/m2 KO an den Tagen 1 bis 5 und 29 bis 33 als 120-Stunden-Infusion).
    • Mitomycin C (10 mg/Tag/m2 KO an den Tagen 1 und 29 als intravenöser Bolus) appliziert.
  • Alternativ:
    • 5-FU (1000 mg/Tag/m2 KO an den Tagen 1-4 oder 750 mg/Tag/m2 KO an den Tagen 1-5).
    • Mitomycin C (10-15 mg/Tag/m2 KO an den Tagen 1 und 29 als intravenöser Bolus) appliziert.
Der maximale Therapieeffekt ist frühestens sechs bis acht Wochen nach Therapieende zu erwarten.

Therapie allgemein

Therapieverfahren mit kurativem Ziel sind operative Entfernung des Tumors bei TU-Durchmesser bis 2 cm (lokale Exzision, abdomino-perineale Exstirpation). Bei größeren Karzinomen ist die kombinierte Radio-Chemotherapie Theapie der Wahl.

Verlauf/Prognose

5-Jahres-Überlebensrate bei Karzinomen des Analrandes: 50-70%, bei Karzinomen des Analkanales: 30-60%.

Nachsorge

Erforderlich bei Patienten mit Analkanalkarzinom, nach Radiochemotherapie oder lokaler Exzision.

Untersuchung Wochen * Monate *
  6 3 6 9 12 18 24 36 48 60
Anamnese, körperliche Untersuchung 4 + + + + + + + + +
Abdomen-Sonographie     +   + + + + + +
Röntgen-Thorax in zwei Ebenen       + +     +   +
Rektoskopie, evtl. Endosonographie + + +   + + +      
MRT oder Spiral-CT-Becken     +   + + +      
* nach Abschluss der Radiochemotherapie

Hinweis(e)

In den letzten Jahren zeigte sich bei den analkarzinomen eine Zunahme der Häufigkeit bei homosexuellen Männern. HPV-Infektionen und chronische Entzündungen im Analbereich sowie Immunsuppression gelten als Risikofaktoren. Das Analkarzinom ist nach dem Zervixkarzinom das zweithäufigste Karzinom, das mit Hochrisiko-HPV-Typen verknüpft ist (Zervixkarzinom 100%, Analkarzinom > 80%). Es handelt sich somit beim Analkarzinom um ein "impfpräventables Karzinom".

Fallbericht(e)

  • Ein 50-jähriger nicht-homosexueller Patient bemerkte seit etwa 10 Wochen einen neuaufgetretenen, wenig juckenden, festen Knoten im Perianalbereich. Seit dieser Zeit kontinuierliches Größenwachstum. Es wird leichtes Brennen und Ziehen sowie eine vermehrte Sekretion angegeben. Bisherige durchgeführte Lokaltherapien waren insuffizient. Der Patient lebt in einer festen Partnerschaft und hatte anamnestisch keine wechselnden Sexualkontakte.
  • STD-Diagnostik: Abstriche auf Neisseria gonorrhoeae, Trichomonaden und Mykoplasmen, Candida albicans sowie eine HIV- und Syphilis -Serologie waren o.B.
  • Proktoskopisch zeigte sich ein auf den Perianalbereich beschränkter fester, zentral ulzerierter Knoten, der auf der Unterlage verschieblich war.
  • Histologie: Anteil eines mittelgradig differenzierten, invasiven, verhornenden Plattenepithelkarzinoms.
  • HPV-Diagnostik: Nachweis von HPV-16/18/45-DNA (high-risk-HPV-DNA)
  • Sonographie und Pet-CT: Keine Lymphknoten- oder Fernmetastasen.
  • Therapie: Kombinierte Radio-Chemotherapie.

Literatur

  1. Fenger C (2002) Prognostic factors in anal carcinoma. Pathology 34: 573-378
  2. Hung A et al. (2003) Cisplatin-based combined modality therapy for anal carcinoma. Cancer 97: 1195-1202
  3. Rode S et al. (2011) Perianaler ulzerierter Knoten. Abstract-CD 46. DDG-Tagung AKS19/05
  4. Saldanha G et al. (2003) Basal cell carcinoma: a dermatopathological and molecular biological update. Br J Dermatol 148: 195-202
  5. Therapierichtlinien des Analkarzinoms (2002) (Interdisziplinäre Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie/AWMF-Richtlinien)

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