Rhinosinusitis, akuteJ01
Synonym(e)
Definition
Eine akute Rhinosinusitis ARS bzw. eine Episode der rezidivierenden akuten Rhinosinusitis wird diagnostiziert, wenn typische Beschwerden bzw. Symptome (Nasenatmungsbehinderung, antero-nasale und/oder retro-nasale Sekretion (auch als postnasal drip bezeichnet: Nasensekret läuft den Rachen herunter), Gesichtsschmerz, Kopfschmerz, Riechstörung) bzw. fakultative Beschwerden bzw. Symptome (anhaltendes Fieber, starkes Krankheitsgefühl, Druckschmerz über der Stirn- bzw. Kieferhöhle, Beschwerden im Bereich der Zähne und des Zahnhalteapparates, Zunahme der Schmerzen beim Vornüberbeugen) vorliegen.
Der Schweregrad der Erkrankung kann als mild, mäßig oder schwer eingestuft werden. Dies kann unter Zuhilfenahme einer visuellen Analogskala (VAS) von 0-10 (10 = maximal störend) erfolgen. Ab einem VAS-Wert von 5 geht man von einer Einschränkung der Lebensqualität aus.
Vorkommen/Epidemiologie
In Deutschland sind 1x jährlich schätzungsweise 18% der Bevölkerung von einer akuten Rhinosinusitis betroffen.
Ätiopathogenese
Bei der akuten Rhinosinusitis handelt es sich in >95% der Fälle um eine virale Infektion des oberen Respirationstraktes. Von einer postviralen Symptomatik wird ausgegangen, wenn die Symptome eines viralen Atemwegsinfektes nach 5 Tagen zunehmen oder nach 10 Tagen noch persistieren.
Die akute bakterielle Rhinosinusitis (ABRS) tritt mit einer zeitlichen Latenz bei etwa 0,5 bis 2,0% der Patienten auf und ist geprägt durch eine starke, eitrig-inflammatorische Infiltration und Sekretion der rhino-sinusoidalen Mukosa. Überweigend werden S. pneumoniae und H. influenzae nachgewiesen.
Klinisches Bild
In den ersten 3-4 Tagen kann man klinisch nur selten zwischen einer akuten viralen und der Frühphase einer akuten bakteriellen Rhinosinusitis unterscheiden.
Nur bei Patienten mit ungewöhnlich schwerer Erkrankung oder bei Komplikationen außerhalb der Nasennebenhöhlen, z.B. Schmerzen im Bereich der Augen oder Beteiligung der umgebenden Gewebe und Knochen, sollte man unmittelbar von einer bakteriellen Erkrankung ausgehen.
Kommt es nach initialer Erholung erneut zu einer Verschlechterung, dann spricht dieser biphasische Verlauf für eine akute bakterielle Rhinosinusitis.
Ohne Therapie erfolgt bei 60-80% der Erkrankten innerhalb von 2 Wochen bzw. bei 90% innerhalb von 6 Wochen eine vollständige Heilung der ARS. Eine CRS geht u.U. mit jahre- bzw. lebenslangen Verläufen einher.
Bildgebung
Bildgebenden Verfahren sind im Rahmen der Diagnostik der ARS nicht notwendig.
Labor
Bestimmung von Entzündungsparameter wie CRP, BSG. Weitere Laborparameter sind nicht notwendig.
Mikrobiologie: Bei der therapieresistenten RS und bei Patienten mit Abwehrschwäche können Abstrich mit Antibiogramm und ggf. weitere mikrobiologische Testverfahren Grundlage einer gezielten Therapie sein. Probenentnahme aus dem mittleren Nasengang!
Diagnose
Die ARS wird in der Regel durch die klinischen Symptome und die klinischen Befunde diagnostiziert.
Folgende klinischen Untersuchungsverfahren sind diagnosesichernd:
- allgemeiner klinischer Eindruck, Inspektion, Druck- / Klopfschmerz über Kiefer- bzw. Stirnhöhlen, Temperaturmessung
- Rhinoskopie und/oder nasale Endoskopie.
Allergologische Untersuchungen: Routinemäßige allergologische Testungen sind in der Diagnostik der ARS nicht indiziert. Bei ätiologisch ungeklärter, rezivierender, akuten Rhinosinusitis kann und bei anamnestischen oder entsprechenden anamnestischen klinischen Hinweisen auf eine allergische Genese ist eine allergologische Diagnostik (Pricktestung, Bestimmung des spezifischen IgE aus dem Serum).
Komplikation(en)
Schwere Komplikationen sind selten; orbitale und intrakranielle Entzündungen können auftreten. Weiterhin sind Beteiligung der umgebenden Weichteilgewebe und des Knochens möglich.
Therapie
Nasenspülung mit Kochsalzlösung: Für die symptomatische Therapie der CRS ist eine konsequente Anwendung von Nasenspülungen mit Salzlösungen z. B. als volumenreiche (≥150 ml), iso- bis leicht hypertone Lösungen in Form einer Nasendusche sinnvoll. Sie sollten aber wegen ihres verhältnismäßig geringen Effekts nicht als alleinige Maßnahme angewendet werden. Empfehlenswert ist die Anwendung von Meerwasser-Lösungen.
Phytotherapeutisch praxisbewährt ist die Sekretolyse mit einem Eisenkraut (Verbenae Herba)-haltigen Kombinationspräparat: zusammen mit Gentianae radix (Enzianwurzel)+ Herba Rumicis acetosae (Gartensauerampferkraut)+ Sambuci flos (Holunderblüten)+ Primulae flos (Schlüsselblumen mit Kelch) als Sinupret forte® (Dosierung: 1-1-1Drg) oder als Sinupret Saft® (7,0ml-7,0ml-7,0ml p.o. – für Kinder vom 2.-5-LJ: 2,1ml-2,1ml-2,1ml p.o.; für Kinder vom 6.-11-LJ: 3,5ml-3,5ml-3,5ml p.o.). In der deutschen Leitlinie wird außerdem Bromelain genannt. Bromelain ergänzend zur Standardtherapie (z.B. Antibiotika bei bakterieller Rhinosinusitis) scheint symptomlindernd zu wirken.
Sekretolytisch wirken (insbesondere bei Kindern geeignet) v.a. Dampfinhalate z.B. mit Thymiankraut oder Kamillenblüten. Anwendung: Kamillenblüten sind mit kochendem Wasser in einer größeren Schüssel zu übergießen. Kopf mit einem großen Badehandtuch gut überdecken; bei Kindern 5-10 Minuten, bei Erwachsenen 10-15 Minuten inhalieren. Cave: Kinder sind permanent zu überwachen! Bei älteren Kindern oder Erwachsenen kann das Inhalat mit 2 Tropfen Tymianöl/Eukalyptusöl ergänzt werden. Alternativ 1 Esslöffel Kochsalz.
Bei erhöhter Temperatur mit allgemeinem Krankheitsgefühl kann Kapuzinerkressenkraut in Kombination mit Meerrettichwurzeln (Angocin Anti-Infekt® (Dosierung: 4-4-4 Filmtbl. p.o. nach den Mahlzeiten).
Als pflanzliche Dekongestiva wirken praxisbewährt Extrakte von Kamillenblüten (z.B. Soledum med.® Nasentropfen, mehrfach täglich 1-2 Sprühstöße). Weiterhin ätherische Öle wie Eukalyptusöl, Kiefernadelöl, Levomenthol (als Kombinationspräparat in Pinimethol® Erkältungssalbe verfügbar (Dosierung: zum Einreiben oder Inhalieren 2-3xtgl. Für Inhalate wird ein 10cm langer Salbenstrang auf heißen Wassers in einer kleinen Schüssel aufgebracht). Auch als Badezusatz möglich. Ergänzend ist Campfer anzuführen.
Externe Therapie
Dekongestiva können zur symptomatischen Linderung bei ARS verwendet werden. Topische Dekongestiva sollten frei von Benzalkoniumchlorid sein und nicht länger als 10 Tage verwendet werden. Bei einer ARS können Schmerzmittel zur symptomatischen Therapie empfohlen werden.
In der europäischen wie auch deutschen Leitlinie wird die Kombinationstherapie mit topischen Glukokortikoiden (Fluticason, Mometason, Betamethason) alleine oder in Kombination mit systemischen Antibiotika – sowohl bei akuten bakteriellen Rhinosinusitis wie auch bei der chronischen Form empfohlen. Auch bei einer akuten allergischen Rhinosinusitis sind lokale Glukokortikoid-Anwendungen empfehlenswert.
Interne Therapie
Antibiotische Therapie: Bei einer nicht-komplikativen ARS bzw. einer akuten Exazerbation einer rezidivierenden ARS kann i.A. auf die Gabe von Antibiotika verzichtet werden. Antibiotika sind bei Patienten mit besonderen Risikofaktoren angezeigt. Hierzu gehören chronisch entzündliche Lungenerkrankungen, genetische Immundefizienzien bzw. medikamentöse oder krankheitsbezogene Immunsuppression.
Eine antibiotische Therapie wird empfohlen bei der ARS (oder bei einer akuten Exazerbation einer rezidivierenden ARS) mit erheblichen Schmerzen sowie erhöhten Entzündungswerten (CRP > 10 mg/l oder deutlich erhöhter BSG und/oder Fieber > 38,5 °C. Mittel der 1. Wahl ist Amoxicillin (Dosierung: 3x500mg/Tag p.o.) bzw. ein Cephalosporinderivat (z.B. Cefuroxim 2 x 250mg/Tag p.o.). Alternativ Makrolide (z.B. Azithromycin 500mg/Tag p.o.) oder Doxycyclin oder Co-Trimoxazol oder Amoxicillin in Kombination mit Clavulansäure.
Analgetika/nicht steroidale Antirheumatika (NSAID): Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2013 (1069 Patienten), kommt zu dem Schluss, dass NSAID wie z.B. Ibuprofen effektiv Symptome wie Abgeschlagenheit, Erkältungsschmerzen (Kopf-, Hals-, Ohren-, Gliederschmerzen), Niesattacken lindern. Ähnliche Ergebnisse liegen vor für Paracetamol und Acetylsalicylsäure vor. In der deutschen Leitlinie wird weiterhin Diclofenac als Alternative zu Ibuprofen als vergleichbar wirksam erwähnt.
Neben den symptomatischen Therapieansätzen kommen Virustatika (Neuraminidase-Inhibitoren) infrage. Die Inhibitoren Oseltamivir und Zanamivir sind Möglichkeiten zur Behandlung von Risikopatienten.
Probiotika: Die prophylaktische Wirkung von Probiotika, vor allem Lactobazillen und Bifidobakterien, gegen Atemwegsinfekte (Metaanlayse aus dem Jahre 2011) ist nicht gesichert.
Hinweis(e)
Traditionelle chinesische Medizin: Für die traditionelle chinesische Medizin wird aufgrund unzureichender Daten explizit keine Empfehlung ausgesprochen. Die Datenlage für Echinacea-haltige Präparate ist widersprüchlich; deren Anwendung wird zur Therapie nicht empfohlen.
Menthol. Campfer und Cineal sind zur Behandlung von Säuglingen und Kleinkindern oder Patienten mit obstruktiven Lungenerkrakungen kontrainduziert. Sollen Säuglinge mit ätherische Ölen behandelt werden, ist das entsprechende Präparat lediglich auf das Kopfkissen oder das Lätzchen zu tropfen!
Eine adaptive Desaktivierungsbehandlung sollte bei Patienten mit gesichertem NERD-Syndrom (NSAR-Exacerbated Resipratory Disease, Analgetika-Intoleranzsyndrom) und einer CRScNP bei Auftreten einer Rezidiv-Polyposis durchgeführt werden.
Eine positive Empfehlung gibt die europäische Leitlinie (Empfehlungsgrad A) für in Deutschland nicht zugelassene, Ipratropium-haltige Nasensprays zur Therapie eines viralen Infektes der oberen Atemwege..
Folgt man dem Behandlungsschema der europäischen Leitlinie zur Behandlung des oberen Atemweginfekts, so ergibt sich ein klar definierter Zeitraum für eine Selbstmedikation von „Erkältungskrankheiten“. Bessern sich nach 5 Tagen die Symptome nicht (gleichbleibend oder stärker werdend) oder persistieren sie > 10 Tage, ist der Hausarzt aufzusuchen. Es handelt sich dann wahrscheinlich um eine (gegebenenfalls zusätzliche) bakterielle (Super-)Infektion.
Literatur
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