Polyätiologische, akute, einmalige oder in unregelmäßigen Abständen rezidivierende, 1-3 Tage persistierende, hereditäre oder erworbene, schmerzhafte oder brennenende, Schwellungen (Ödeme) der Kutis/Subkutis und/oder der Mukosa/Submukosa. Lebensbedrohlich können Schwellungen der oberen Atemschluckstrasse (Pharynx und/oder des Larynx) sein.
Angioödeme der Kopf-HalsregionT78.3, T78.4, D84.-, T88.7
Definition
Definition
Angioödeme der oberen Atemschluckstrasse stellen potenzielle lebensbedrohliche Notfälle dar. Für den klinischen Alltag hat sich eine grobe Einteilung nach ihrer Ätiopathogenese bewährt.
Einteilung
Einteilung der Angioödeme der Kopf-Halsregion (variiert n. Bas et al. 2013)
- Histamin-vermitteltes Angioödem (1%!)
- Nicht-Histamin-vermitteltes Angioödem
- Akute-Phase-vermitteltes Angioödem
- entzündungsinduziertes Angioödem - durch z.B. Peritonsillarabszess oder akute Tonsillitis mit entzündlichen Begleitreaktionen (etwa 79%)
- tumorinduziertes Angioödem (7%)
- Bradykinin-induziertes Angioödem (8%)
- idiopathisches Angioödem (5%)
- Akute-Phase-vermitteltes Angioödem
Klinisches Bild
Akut-Phase-Ödeme: Entzündliche Ödeme der Kopf-Halsregion stellen mit rund 80% aller akten Ödeme dieser Region die häufigsten Ereignisse einer allgemeinen Sprechstunde dar. Ursächlich sind infektiös-entzündliche Erkrankungen wie Peritonsillarabszesse oder akute Tonsillitiden mit entzündlichem Begleitödem. Herbei kommt es zu schmerzhaften, meist einseitigen Vorwölbungen des Weichgaumens mit einem Ödem der Uvula.
Bradykinin-induzierte erworbene Angioödeme: Diese stellen mit 8% die zweithäufigste Gruppe der akuten Ödeme der Kopf-Halsregion dar. Sie betreffen in Deutschland etwa 30.000 Menschen/Jahr. Bradykinin-induzierte Angioödeme werden in den allermeisten Fällen durch die Einnahme von ACE-Hemmern hervorgerufen. Seltener sind Angiotensin-Typ-I-Rezeptorenblocker (Sartane) ursächlich. Bradykinin-induzierte Angioödeme treten vorwiegend in den ersten 3 Jahren der Einnahme auf. Es gibt jedoch auch Fälle in denen sehr viel längere Latenzzeiten (bis 11 Jahre) beobachtet wurden.
Histaminvermittelte erworbene Angioödeme: ganz überwiegend bei Patienten mit akuter oder chronischer Urtikaria. Hier führt das klinische Erscheinungsbild schnell zur Diagnose. Bei klassischen Typ I-Reaktionen ist der Zusammenhang zwischen Exposition und klinischer Reaktion meist evident und auch dem Patienten erinnerlich.
Sonstige erworbenes (acquired) Angioödem (AAE)
Hereditäre Angioödeme (HAE/s.u. Angioödeme hereditäre; HAE TypI - HAE Typ VIII)
Therapie
Diagnostischer Pfad bei akuten Angioödemen der Kopf-Hals-Region
- Alarmierung eines Airway-Teams (Anästhesist, Notfallarzt)
- Sicherung der Atemwege (Mundrachenuntersuchung)
- Wo sitzt das Angioödem? (Zunge, Weichgaumen, Hypopharynx/Larynx, Gesicht-Lippe)
Therapie des Histamin-induzierten Anigoödems
- Clemastin 2 mg i.v.
- Prednisolon 500 mg i.v.
- ggf. Adrenalin bei Kreislaufbeteiligung (0,3-0,5mg Adrenalin i.m.)
Therapie des Bradykinin-induzierten Angioödem
- Icatibant 30 mg s.c. (Wirkung nach 30 bis 45 min)
- alternativ -derzeit noch experimentell- : C1-Inhibitor-Konzentrat (Berinert P, Cinryze, Ruconest) oder Gabe eines Kallikrein-Inhibitors (Kalbitor)
- ggf. Adrenalin bei Kreislaufbeteiligung (0,3-0,5mg Adrenalin i.m.)
Literatur
- Bas M et al. (2013) Angioödeme der Kopf-Hals-Region. Allergo J 22:118-123
- Firazyr. [http://ec.europa.eu/health/documents/community-register/2018/20180426140571/anx_140571_de.pdf EMA ZUSAMMENFASSUNG DER MERKMALE DES ARZNEIMITTELS]