Tilidin

Zuletzt aktualisiert am: 21.08.2024

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Synonym(e)

(1RS,2SR)-2-(Dimethylamino)-1-phenylcyclo-hex-3-en-carbonsäureethylester; CAS-Nummer: 20380-58-9; (±)-(E)-2-(Dimethylamino)-1-phenyl-cyclohex-3-en-1-carbonsäureethylester; rac-(E)-2-(Dimethylamino)-1-phenyl-cyclohex-3-en-1-carbonsäureethylester

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Definition

Tilidin ist ein synthetisches schmerzstillend wirksames  Arzneimittel  aus der Gruppe der Opioidanalgetika. Das Pharmakon wird zur  Behandlung starker und sehr starker Schmerzen eingesetzt. Tilidin selbst ist ein Prodrug  mit schwacher Opioidwirkung. Tilidin wird erst in der Leber zu den aktiven Metaboliten Nortilidin und Bisnortilidin verstoffwechselt.  Nortilidin ist für die hauptsächliche Wirkung  verantwortlich.  Im WHO-Stufenplan zur Schmerztherapie wird Tilidin als schwaches Opioidanalgetikum (Stufe II) gegen mittelstarke Schmerzen eingestuft. So ist Tilidin  im Vergleich zu Morphin etwa 5-mal schwächer.

Pharmakodynamik (Wirkung)

Tilidin wird in der Leber zu der eigentlichen Wirksubstanz Nortilidin verstoffwechselt. Nortilidin dockt im zentralen und peripheren Nervensystem an Opiatrezeptoren an und unterdrückt die Schmerzwahrnehmung und -weiterleitung.

Pharmakokinetik

Nach oraler Gabe wird Tilidin rasch resorbiert. Es unterliegt einem ausgeprägten First-Pass-Effekt. Die Umwandlung von Tilidin in den wirksameren aktiven Metaboliten Nortilidin erfolgt unter Mitwirkung von CYP3A4 und CYP2C19. Die Hemmung dieser Enzyme kann somit die Wirksamkeit und das Verträglichkeitsprofil von Tilidin verändern. Die analgetische Wirkung tritt nach 10-15 Minuten ein. Nach oraler Gabe von 100 mg Tilidin (plus 8 mg Naloxon) wird in ca. 25-50 Minuten das Wirkungsmaximum erreicht. Die mittlere Halbwertszeit beträgt etwa  3,5 Stunden. Die Wirkdauer wird mit 4-6 Stunden angegeben. Tilidin wird zu 90% metabolisiert und renal eliminiert. Der Rest erscheint in den Fäzes.

Abhängig vom Ausmaß der Einschränkung ist bei Leberfunktionsstörungen die Maximalkonzentration von Nortilidin im Plasma geringer als bei Lebergesunden und die Halbwertszeit verlängert. Bei hochgradiger Leberinsuffizienz ist die Therapie in Frage gestellt.

Schwangerschaft/Stillzeit

Tilidin sollte während der Schwangerschaft nicht bzw. nur nach strengster Nutzen-Risiko-Abschätzung gegeben werden, da keine bzw. nur begrenzte Erfahrungen vorliegen. Tilidin geht in die Muttermilch über. Daher sollte abgestillt werden, wenn eine Behandlung während der Stillzeit unbedingt erforderlich ist.

Daten zu den Wirkungen von Tilidin auf die menschliche Fertilität liegen nicht vor.

 

Dosierung und Art der Anwendung

Die erforderliche Dosis wird individuell ermittelt: Bis zu 6 x täglich 50-100 mg Tilidinhydrochlorid in Tropfenform oder 2-3 x täglich eine Retardtablette mit 50-200 mg Tilidinhydrochlorid. In der Pädiatrie gilt der Richtwert von 0,5 mg/kgKG als Einzeldosis.

Unerwünschte Wirkungen

Sehr häufig: Übelkeit und Erbrechen zu Behandlungsbeginn (bei weiterer Behandlung kommen diese nur noch häufig bis gelegentlich oder selten vor).

Häufig: Schwindel, Benommenheit, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Nervosität, Diarrhoe, Abdominalschmerz, vermehrtes Schwitzen.

Gelegentlich: Somnolenz.

Nebenwirkungen unbekannter Häufigkeit: Halluzinationen, Verwirrtheitszustand, euphorische Stimmung,Tremor, Hyperreflexie, Klonus, Verdauungsstörungen, Atemdepression.

Wechselwirkungen

Gleichzeitige Gabe von serotonergen Arzneimitteln kann das Risiko eines Serotonin-Syndroms, eines potenziell lebensbedrohlichen Zustandes, erhöhen. Dazu gehören z.B.

selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)

Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI)

trizyklische Antidepressiva

Triptane

5-HT3-Rezeptor-Antagonisten

Arzneimittel, die das Serotonin-Neurotransmittersystem beeinflussen (z. B. Mirtazapin, Trazodon, Tramadol)

Monoaminoxidase (MAO)-Hemmer.

Unter Alkoholeinfluss oder in Zusammenhang mit Beruhigungsmitteln kommt es zu einer gegenseitigen Verstärkung und Verlängerung der Wirkungen auf das Zentralnervensystem.

CYP3A4 und/oder CYP2C19-Hemmer (z. B. Voriconazol) können zu einem erheblichen Anstieg der Tilidin-Exposition und Anstieg der Nortilidin-Konzentration führen. Die Verstärkung des analgetischen Effekts ist möglich bei gleichzeitiger Gefahr einer Atemdepression. Bei einer Dauerantikoagulation mit Phenprocoumon ist ein Abfall des Quick-Wertes möglich (Kontrollen der Prothrombinzeit).

Präparate

Tilidin ist in Kombination mit Naloxon in verschiedenen Arzneiformen in folgenden Dosierungen verfügbar:

Retardtabletten (Tilidinhydrochlorid/Naloxonhydrochlorid): 50 mg/4 mg, 100 mg/8 mg, 150 mg /12 mg, 200 mg/16 mg.

Tropfen/Lösung zum Einnehmen (Tilidinhydrochlorid/Naloxonhydrochlorid): 50 mg/4 mg (pro 20 Tropfen bzw. 4 Pumphübe)

Präparate

Monopräparate: Valoron® (CH)Kombinationspräparate: Valoron N ® (D), Valtran® (B), zahlreiche Generika (D)

Hinweis(e)

Tilidin wurde 1967 von Gödecke patentiert und 1970 als Valoron® im Markt eingeführt. Zur Minderung des Missbrauchsrisikos steht Tilidin meist als feste Kombination mit Naloxon  zur Verfügung.

Tilidin wird im BtMG unter Anlage III (verkehrsfähige und verschreibungsfähige Betäubungsmittel) aufgelistet. Um einem potenziellen Missbrauch entgegenzuwirken, wird Tilidin in Kombination mit dem Opioidrezeptor-Antagonisten Naloxon angewendet. Naloxon hebt die zentral dämpfenden und peripheren Wirkungen von Tilidin auf. Das Mischungsverhältnis mit Naloxon ist so gewählt, dass die analgetische Wirkung von Tilidin nicht beeinträchtigt ist. Kombinationspräparate mit Naloxon unterliegen nur dann nicht dem BtMG, wenn sie in festen Zubereitungen mit verzögerter Wirkstofffreigabe vorliegen.

Literatur

  1. Graefe KH et al. Nozizeptives System. In: Graefe KH et al (Eds) Pharmacology and Toxicology. Georg Thieme Publisher Stuttgart S. 228-239

Zuletzt aktualisiert am: 21.08.2024