SilikoseJ62.8

Autor:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 23.08.2024

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Synonym(e)

coal worker`s pneumoconiosis; CWP; Kohlenbergarbeiterlunge; Quarzstaublunge, Bergarbeiterpneumokoniose; Quarzstaublungenerkrankung; Sidero-Siliko-Anthrakose

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Definition

Die Silikose (von lat. silex = Kiesel), auch Quarzstaublunge ist die häufigste Pneumokoniose (Staublungekrankheit). Sie wird durch das Einatmen von Quarzstaub (Feinstaub mit α-Quarz oder einer anderen kristallinen Modifikation des Siliciumdioxids) hervorgerufen. In versch. Leitlinien der zuständigen Fachgesellschaften wird unter dem Begriff Silikose auch Quarzstaublungenerkrankungen verstanden, die durch andere silikogene Stäube wie Cristobalit und Tridymit ausgelöst wurden (Bauer X 2016). Die Silikose wird als anerkannte und meldepflichtige Berufserkrankung unter der BK.Nr.4101 geführt, die mit ihr häufig assoziierte Siliko-Tuberkulose unter der BK.Nr.4102, die COB bzw. das Lungenemphysem von entsprechend Disponierten.

Unter der BK-Nr. 4101 sind nur solche Krankheitserscheinungen als Berufskrankheit anzuerkennen, die durch die inhalative Einwirkung von Staubgemischen mit unterschiedlich hohen Anteilen von alveolengängigen Quarz-, Cristobalit- oder Tridymitstaubpartikeln ausgelöst wurden. Dabei ist das Risiko der Erkrankung abhängig von der Staubkonzentration in der Atemluft, dem Anteil der alveolengängigen Staubfraktion, dem Gehalt an freier kristalliner Kieselsäure (SiO2), der Art der Begleitstäube, der Expositionsdauer, der individuellen „Empfindlichkeit“ auf die freie kristalline Kieselsäure und der Reinigungsfähigkeit der Lunge. Weiterhin spielen Art, Umfang und Dauer der Staubexposition und die Arbeitsplatzverhältnisse eine erhebliche Rolle (Bauer X 2016).

Einteilung

Man unterscheidet zwischen:

  • der Quarzstaubsilikose (durch Einatmen von nahezu reinem Quarzstaub entstanden)

und den

  • Mischstaubsilikosen (auch Silkatosen: durch Inhalation von Staubgemischen entstanden; diese enthalten neben Quarz noch weitere Bestandteile): 

Die häufigste Mischstaubsilikose ist die Anthrakosilikose des Kohle-abbauenden Bergmanns (Bergmann vor Kohle). Der auslösende sog. Kohlengrubenstaub stellt ein hochkomplexes Gemisch verschiedener Mineralien und Zuschlagstoffe (z.B. Baustoffe) dar. Er besteht im Wesentlichen aus Tonmineralien, Sulfiden, Karbonaten und Quarz. Bemerkung: International wird der Begriff „Silikose“ nur für Pneumokoniosen, die durch kristalline, stark Kieselsäure-haltige Staubarten hervorgerufen werden, verwendet.

Die Pneumokoniose der Kohlenbergarbeiter werden als Mischstaub-Pneumokoniose bzw. „coal workersʼ pneumoconiosis“ oder auch Anthrakosilikose bezeichnet. Im deutschen Berufskrankheitenrecht hingegen wird sowohl die „reine“ Silikose als auch die Pneumokoniose des Kohlenbergarbeiters unter dem Begriff Silikose subsummiert.

Eine weitere (meist nur histologisch zu klärende) Sonderform stellt die interstitielle disseminierte feinherdige Silikose (pinhead/Körnertyp) dar. Dieser Typ imponiert klinisch zumeist als unspezifische interstitielle Lungenfibrose. Feingeweblich lassen sich in den fibrotisch verbreiterten Septen, hier teils frei im Interstitium, teils in Makrophagen gebunden, Staubablagerungen nachweisen.

Vorkommen/Epidemiologie

Für das Jahr 2013 wurden 1497 Anzeigen einer BK.Nr. 4101 dokumentiert, ebenso 768 Anerkennungen, darunter 490 neue BK-Renten und 324 BK-bedingte Todesfälle. Der Großteil (563Anzeigen) entfiel auf erkrankte Personen aus Mineralgewinnungs-/ Bauberufen, gefolgt von Metallarbeitern/Mechanikern und verwandten Berufen (84 Anzeigen).

Ätiopathogenese

Nur kristalliner Staub sowie die SiO2-Hochtemperatur-Modifikationen Cristobalit und Tridymit mit einer Alveolen-gängigen Größe von < 7um,  führen zur Silikose. Größere Staubteilchen werden im Bronchialsystem retiniert. Die kleineren Quarzpartikel gelangen in die Alveolen, werden dort von den Alveolarmakrophagen phagozytiert, können aber durch diese nicht abgebaut werden. Die Alveolarmakrophagen gehen zugrunde, die Quarzpartikel werden in einer Art Recyclingprozess wieder freigesetzt. Dadurch initiieren sie eine perpetuierende chronische Alveolitis, die zur silikotischen Granulombildung und schließlich zur Fibrose des Lungenparenchyms führt.  Dieser Mechanismus erklärt das Fortschreiten der Silikose auch nach Ende der Exposition, z.B. nach Beendigung der Untertagetätigkeit. Die silikogenen Staubpartikel penetrieren zum Teil auch in das Lungeninterstitium und werden u.a. in die Lymphknoten weiter transportiert. Die einzelnen Granulome können zu größeren Schwielen konfluieren. Die Schwielen können zentral durch ischämische Nekrosen erweichen. Die charakteristischen Verkalkungen von Lymphknoten werden als „Eierschalensilikose“ bezeichnet.

Der Umbau des Lungenparenchyms führt zu einer Verminderung der Sauerstoff-Aufnahmefähigkeit der Lunge. Schließlich ist eine derart geschädigte Lunge anfällig für weitere Erkrankungen wie zum Beispiel Lungenkrebs und Tuberkulose (Siliko-Tuberkulose). Auch eingeatmeter, feinkörniger bzw. pulvriger Talk (Talkum), der unter anderem in der Gummi- und Papierindustrie und in Kosmetikprodukten verwendet wird, kann über Verunreinigungen durch Quarz oder Asbest eine Lungenfibrose auslösen (Talkstaublunge, Talkose).

Manifestation

Stollen-und Tunnelarbeiter, Bergwerksarbeiter, Sandstrahler, Steinbrucharbeiter, Gussputzer, Former, Kernmacher, Gießer, Arbeiter der keramischen Industrie, Arbeiter der Putzmittelindustrie; Ofenarbeiter, Arbeiter in der Bekleidungsindustrie, die z.B. Blue Jeans abstrahlen um ihnen ein gebrauchtes Aussehen zu geben (Bloch KE et al 2017).    

Klinisches Bild

Bei den langsam fortschreitenden Silikosen ist das erste Zeichen der Silikose eine chronische Bronchitis mit Husten, Auswurf, Giemen, Pfeifen. Subjektiv beherrscht die Dyspnoe das klinische Bild. Die Prüfung der Lungenfunktion zeigt v.a. die Zeichen der Obstruktion verschiedener Schweregrade. Die Restriktion tritt hierbei in den Hintergrund.

Diagnose

Die Silikose wird meist primär durch das Röntgenbild der Lungen diagnostiziert (Bloch KE et al 2017) im Zusammenhang mit einer subtilen Berufsanamnese.

Charakteristisch sind disseminierte, mehr oder minder rundliche Verschattungen unterschiedlicher Größe und Dichte, evtl. mit zusätzlichen größeren sog. Schwielenbildungen, vorwiegend lokalisiert in den Ober- und Mittelfeldern, evtl. konfluierend und/oder zerfallend. Die Befundung der Thoraxübersichtsaufnahme ist nach der Staublungenklassifikation der ILO (International Labour Organisation) standardisiert (Bauer X et al. 2016). Anfänglich kommt es zu einer maschenförmigen Verstärkung der Lungenzeichnung. Hieraus entstehen rundliche Fleckschatten, die nach ihrem Durchmesser in P (bis 1,5mm), Q (bis 3mm) und  R (bis 10mm) eingeteilt. Wichtig ist, dass das radiologische Bild keinen zuverlässigen Rückschluss auf die Zusammensetzung des inkorporierten Staubes zulässt. Alternativ kann eine Silikose primär durch einen computertomografischen oder semiquantitativen makroskopischen und histologischen Befund definiert werden (Baur X 2008). Größere Schwielenbildungen werden nach ihrer Größe und Ausdehnung nach A (0-5cm)-B (zwischen A und C) und C (> rechtes Lungenoberfeld) eingeordnet.

Hilusslymphknoten: Keine enge Korrelation besteht zwischen dem Befall der Mediastinallymphknoten und der Schwere des silikotischen Lungenbefalls. Ausgedehntere konglomerierende und indurierende Lymphknotenprozesse können zu Dislokationen der Hili mit Rückwirkungen auf die großen Bronchien und Gefäßstämme führen.

Differentialdiagnose

Andere nicht durch Kieselsäure sondern durch silikathaltige Stäube hervorgerufene Silikatosen wie: Asbestose, Kaolinlunge, Mikalunge (Glimmer) Aluminiumlunge, Talkumlunge ; Berylliose, Ockerstaublunge.

Weiterhin: Sarkoidose, Hypersensitvitätspneumonitis, Viruspneumonien, Histoplasmose, Adenokarzinom mit lepidischem Wachstumsmuster, Kaposi-Sarkom der Lunge, Lymphome und Leukämien, Bronchiektasen, Zystische Fibrose, Amyloidose, Speicherkrankheiten, Langerhans-Zell-Histiozytose.

Komplikation(en)

Silikose und Komorbiditäten

Erhöhte Infektanfälligkeiten der Lunge mit gehäuftem Auftreten von broncho-pulmonalen Infekten.

COB: Vermehrtes Auftreten einer chronisch obstruktiven Bronchitis (COB)  (J42.)

COPD:  Eine Risikoverdopplung der COPD des Nierauchers ergibt sich im Steinkohlenbergbau bei einer kumulativen Belastung von etwa 100 Feinstaubjahren; (Feinstaubjahre= mg/m3 x Arbeitsjahre).

Erhöhtes Auftreten von Lungemphysem (J43.9), Cor pulmonale (I27.9), Siliko-Tuberkulose (10% der Fälle)

Lungenkarzinom: Verdopplung des Lungenkarzinomrisikos gegenüber der nicht-betroffenen Bevölkerung

Autoimmunerkrankungen (Angaben beztiehen sich auf das 1 022 Fälle umfassenden Silikose-Krankheitsregister von Michigan). Für Silikose-Patienten ergbit sich:  

  • ein zwei- bis achtfaches Risiko für rheumatoide Arthritis (Caplan-Syndrom)
  • ein zwei- bis achtfaches Risiko für den systemischen Lupus erythematodes
  • ein > als 24-faches Risiko für systemische Sklerodermie (M34.0)
  • ein > als 24-faches Risiko für eine ANCA+ Vaskulitis (Makol A et al. 2011).
  • Die häufigste Autoimmunerkrankung unter Silikosepatienten ist die rheumatoide Arthritis. Auch die ANCA-assoziierte Vaskulitis tritt bei Silikosepatienten wesentlich häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung (Makol A et al. 2011) .

Therapie

Präventive Maßnahmen, Behandlung der Infekte und einer bestehenden COPD. S.u. Asthma bronchiale. Abklärung und Therapie komplikativer Erkrankungen.

Verlauf/Prognose

Eine frühe Ausbildung einer Silikose bei erheblicher Quarzstaubbelastung ist möglich. I.A. vergehen jedoch 10-15 Jahre bis zur klinischen Manifestation der Silikose. Wichtig ist, dass auch nach Beendigung der Quarzstaubexposition, die Silikose weiterschreiten kann.  

Hinweis(e)

Lungenerkrankungen durch Einatmen von organischen Stäuben zählen nicht zu den eigentlichen Pneumokoniosen.

Literatur

  1. Attfield MD (1985). Longitudinal decline in FEV1 in United States coalminers. Thorax 40: 132–137
  2. Attfield MD et al. (1992) Pulmonary function of US coal miners related todust exposureestimates. Am Rev Respir Dis 145: 605–609
  3. Bloch KE et al (2017) Strukturelle Lungenveränderungen. In: Battegay E:  Differenzialdiagnose Innerer Erkrankungen. Georg Thieme  Verlag Suttart, New York S 123-175   
  4. Baur X et al. (2016) S2k-Leitlinie „Diagnostik und Begutachtung der Berufskrankheit Nr. 4101 Quarzstaublungenerkrankung (Silikose)“ Pneumologie 70: 782–812
  5. Baur X (2008). Durch berufliche Noxen ausgelöste Atemwegs- und Lungenkrankheiten. In: Matthys H, Seeger W (Eds). Klinische Pneumologie. 4.Aufl. Springer Verlag Heidelberg S 163–196
  6. Bauer TT et al. (2001) Functional variables associated with the clinical grade of dyspnoea in coal miners with pneumoconiosis and mild bronchial obstruction. Occup Environ Med  58: 794–799
  7. Makol A et al. (2011) Prevalence of connective tissue disease in silicosis (1985-2006)-a report from the state of Michigan surveillance system for silicosis. Am J Ind Med 54:255-262.

  8. Siegenthaler W: Siegenthalers Differenzialdiagnose: innere Krankheiten – vom Symptom zur Diagnose. 19. Auflage. Georg Thieme Verlag, 2005, ISBN 3-13-344819-6
  9. S2-Leitlinie Quarzstaublungenerkrankung (Silikose), Diagnostik und Begutachtung der Berufskrankheit Nr. 4101 der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). In: AWMF online (Stand 2008)

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