PyelonephritisN12
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Die chronische Verlaufsform einer Pyelonephritis wurde von Schlagenhaufer erstmals im Jahre 1916 beschrieben. Osterlin bezeichnete 1944 die chronische Verlaufsform als „Xanthogranuloma“ (Suman 2020). Erik Ask Upmark beschrieb 1929 in seiner Abhandlung „Juvenile maligne Nephrosklerose und ihr Verhältnis zur Störung in der Nierenentwicklung” erstmals eine parenchymatöse Fehlbildung der Niere, welche später nach ihm als sog. „Ask- Upmark- Niere“ benannt wurde (Westenfelder 1985).
Definition
Unter einer Pyelonephritis (PN) versteht man eine i. d. R. durch einen Harnwegsinfekt hervorgerufene tubulo- interstitielle Nephritis (Herold 2020). Die PN kann aber auch ohne eine eindeutig vorangegangene Zystitis entstehen(Kasper 2015).
Einteilung
Eine PN kann auftreten als:
1. Akute Pyelonephritis = APN (i. d. R. bakteriell abszedierend)
Diese kann nur eine oder auch beide Nieren betreffen (Herold 2020)
Man differenziert bei der akuten PN zwischen folgenden Arten(Keller 2010):
- 1. a. Unkomplizierte PN, diese
- ist ambulant erworbenen
- geht ohne Erbrechen einher
- Prädispositionsfaktoren bestehen nicht
- 1. b. Komplizierte PN
- es bestehen Anzeichen einer schweren systemischen Entzündung wie z. B. Übelkeit, Erbrechen, Kreislaufinstabilität etc. (Wagenlehner 2017)
- Risikofaktoren wie z. B. Diabetes mellitus, Gravidität, männliches Geschlecht, Harnblasenkatheter, anatomische Fehlbildungen (Manski 2019), Schwächung des Immunsystems (Michel 2016) etc. liegen vor
- im Verlauf kommt es häufiger zu Komplikationen (Suman 2020)
- 1. c. Emphysematöse PN
Es handelt sich um eine nekrotisierende Entzündung, die in > 70 % durch E. coli hervorgerufen wird. Hierbei finden sich Gasansammlungen im Bereich des Nierenparenchyms, des Nierenbeckenkelchsystems und des perinephritischen Gewebes (Kuhlmann 2015; (Suman 2020; Colgan 2011)
2. Chronisch Pyelonephritis = CPN
Die chronische PN ist nicht einheitlich definiert (Vahlensieck 2014). Überwiegend findet man in der Literatur folgende Differenzierungen:
- 2. a. Chronisch verlaufende herdförmig destruierende Pyelonephritis (CPN): Man versteht darunter eine persistierend oder in Schüben verlaufende PN, die immer mit Parenchymschäden einhergeht (Keller 2010).
- 2. b. Xanthogranulomatöse Pyelonephritis (XPN): Die XPN tritt überwiegend unilateral auf. Der Verlauf ist immer progredient und führt zu einer granulomatösen Zerstörung sowohl der Niere und Nierenkapsel als auch der umliegenden Gewebe (Kuhlmann 2015).
- 2. c. Ask- Upmark- Niere: Bei der Ask- Upmark- Niere handelt es sich um narbige Parenchymschäden im Kindesalter nach stattgehabter akuter Pyelonephritis, die eine chronische Pyelonephritis hervorrufen (Manski 2019).
Näheres s. „Chronische Pyelonephritis“
Vorkommen/Epidemiologie
Die PN kommt generell häufiger bei Frauen als bei Männern vor und tritt als akute PN besonders häufig bei Schwangeren auf (Michel 2016).
Akute PN: Sie zählt zu den häufigen Erkrankungen und verursacht in den USA pro Jahr ca. 250.000 Arztbesuche und ca. 200.000 Krankenhauseinweisungen. Frauen im Alter zwischen 15 – 29 Jahren sind am häufigsten betroffen, gefolgt von Säuglingen und älteren Personen.
Bei Männern tritt die APN zwar auch auf, allerdings nur sehr selten. In diesen Fällen liegen i. d. R. funktionelle oder anatomische Anomalien vor (Kasper 2015 / Colgan 2011),
In Studien konnte eine familiäre Disposition der APN nachgewiesen werden. Bei Frauen mit gehäuften Harnwegsinfekten / Pyelonephritiden binden vaginale und periurethrale Schleimhautzellen dreimal mehr uropathologische Bakterien als bei nicht betroffenen Frauen (Kasper 2015).
Bei Patienten mit akuter Zystitis entwickelt sich durch Aszension der Erreger in < 5 % eine akute Pyelonephritis (Manski 2019 / Schmelz 2014).
Bei Schwangeren hingegen tritt die APN durch Aszension mit bis zu 23 % deutlich häufiger auf.
Nach Manski (2019) kann sich der Verlauf komplizieren bei gleichzeitig bestehender:
- Anämie (23 %)
- Nierenfunktionsstörung (7 %)
- respiratorische Insuffizienz (7 %)
Eine PN wiederum kann bei Schwangeren führen zu:
- Frühgeburtlichkeit
- reduziertem Geburtsgewicht
- erhöhter neonataler Mortalität
- Präeklampsie
- Emphysematöse PN:
Die emphysematöse PN tritt nur sehr selten auf. Sie betrifft bevorzugt ältere Frauen mit Diabetes mellitus (Suman 2020).
Chronische PN: Sie stellt die Ursache einer terminalen Niereninsuffizienz in bis zu 20 % dar (Manski 2019).
XPN: Die XPN ist mit einer Inzidenz von 1,4 / 100.000 eine selten auftretende Erkrankung (Manski 2019). Sie betrifft überwiegend Frauen im mittleren Lebensalter (Kuhlmann 2015).
Ätiopathogenese
Akute Pyelonephritis:
Die akute PN entsteht in erster Linie durch aszendierende Infektionen eines Harnwegsinfektes (Manski 2019).
Die Keime sind in erster Linie E. coli (70 % - 95 %) gefolgt von Staphylococcus saprophyticus mit ca. 5 % und nur selten auftreten Proteus, Klebsiellen, Enterobacteriaceae und Mycoplasma hominis (Keller 2010). Grampositive Keime sind überwiegend die Folge einer hämatogenen Streuung, ebenso Pilze, Tuberkelbakterien, Viren und Parasiten, die jedochausgesprochen selten die Ursache einer PN sind (Michel 2016).
Eine weitere Rolle spielt der angeborene oder erworbene vesikoureterale Reflux (VUR) im oberen Harntrakt. Dieserbewirkt einen Pendelurin, aus dem rezidivierende Pyelonephritiden bis hin zur terminalen Niereninsuffizienz entstehen können (Manski 2019 / Kuhlmann 2015).
Näheres s. „Akute Pyelonephritis“
Eine Pyelonephritis kann aber auch ohne eine eindeutig vorangegangene Zystitis entstehen (Kasper 2015).
Chronische Pyelonephritis:
Die chronische PN kann ausgelöst werden durch:
- rezidivierende Schübe einer akuten PN
- einen angeborenen oder erworbenen vesikoureteralen Reflux
- eine neurogene Harnblasenstörung (Manski 2019)
- analgetische Nephropathie
- Sichelzellkrankheit (Kasper 2015)
Bei einer chronischen PN sind bei einem Teil der Patienten sowohl der Urin als auch das Nierengewebe bakteriologisch negativ. Man vermutet immunologische und toxische Wirkungen von abgetöteten Teilen der Erreger, die die Entzündung aufrecht erhalten (Keller 2010).
Näheres s. „Chronische Pyelonephritis“
XPN :
Bei der XPN spielen ätiologisch eine komplette Obstruktion im Harnleiter oder eine partielle Obstruktion im Bereich der Nierenkelche durch z. B. eine Nephrolithiasis oder – weitaus seltener - durch einen (Nieren- )Tumor eine Rolle. Eine atypische Virulenz der Erreger und / oder eine veränderte immunologische Abwehrlage sind wahrscheinlich zusätzlichvon Bedeutung (Kuhlmann 2015).
Eine weitere Ursache können bakterielle Infektionen darstellen, bei denen es sich am häufigsten Keime wie E. coli, Proteus mirabilis, Klebsiellen und Staphylokokken handelt (Manski 2019).
Risikofaktoren für eine XPN sind (Suman 2020):
- Diabetes mellitus
- arterielle Hypertonie
- Fettstoffwechselstörungen
- Immunsuppression
- Z. n. Nierentransplantation
- Brachydaktylie- Syndrom
Pathophysiologie
Akute PN: Bei einer akuten PN kommt es durch die Entzündung zu einer ödematösen Schwellung der Niere(n). Subkapsulär finden sich stecknadelkopfgroße, erhabene Abszesse mit hämorrhagischem Randsaum, die bisweilen konfluieren. Mit Eiter gefüllte Tubuli ziehen sich als gelbe Straßen vom Kortex bis zu den Papillen. Die mit Exsudat bedeckte Schleimhaut im Nierenbecken zeigt eine Verdickung. Insbesondere bei Kindern ist eine narbige Abheilung wahrscheinlich (Manski 2019).
Emphysematöse PN: Bei der emphysematösen PN kommt es zu einer intraparenchymalen Gasbildung in der Niere (Colgan 2011). Näheres s. „Akute Pyelonephritis“
Chronische PN: Hierbei wird die Niere durch höckrige Einziehungen verkleinert, das Nierenbecken und das Kelchsystem sind meistens narbig verzogen. Bei bilateralem Befall mit ausgeprägter Narbenbildung kann die CPN zur chronischen Niereninsuffizienz führen. (Manski 2019).
XPN (Xanthogranulomatöse Pyelonephritis): Bei der XPN ist das Nierenbecken mit Pus gefüllt (sog. Pyonephrose). Neben Gewebsnekrosen bestehen auch entzündliche gelb- orange Herde mit kleinen Abszessen. Der Entzündungsprozess ist zunächst segmental begrenzt und kann sich im weiteren Verlauf diffus auf die ganze Niere und das benachbarte Retroperitoneum bzw. angrenzende Strukturen ausweiten. Im Laufe dieses Prozesses wird das Nierenparenchym nach und nach durch granulomatöses Gewebe ersetzt (Manski 2019).
Näheres s. „Chronische Pyelonephritis“
Klinisches Bild
Akute PN: Die akute PN zeigt typischerweise einen plötzlichen Beginn (Kasper 2015). Es findet sich ein Trias von:
- Fieber (Hierbei zeigt sich ein typisches Sägezahnmuster. Das Fieber kann leicht bis sehr hoch sein, mit oder ohne Schüttelfrost Kasper 2015)
- Dysurie
- klopfschmerzhaftem Nierenbecken (sog. Flankenschmerz) (Herold 2020)
Diese charakteristischen Symptome können allerdings bei immunsupprimierten Patienten oder hyposensiblen Patienten (z. B. Rückenmarkverletzte, Diabetiker) fehlen (Michel 2016).
nach Manski (2019) treten aber auch – insbesondere bei Kindern und Älteren - atypische Symptome auf wie z. B.:
- Übelkeit
- Erbrechen
- abdominelle Schmerzen
- Subileus
- Kopfschmerzen
- Diarrhoe
- starkes Krankheitsgefühl
- Tachykardie
- Hypotonie
Chronische PN: Die chronische PN verläuft – mit Ausnahme der akuten Schübe – asymptomatisch. Erst im weiteren Verlauf entstehen sekundäre Symptome durch z. B. eine arterielle Hypertonie, Anämie und Urämie (Manski 2019).
XPN: Bei der XPN bestehen zusätzlich zu dem o. g. Trias oftmals ein Gewichtsverlust, ein allgemeines Krankheitsgefühl und ein tastbarer Tumor im Bereich einer Flanke (Manski 2019).
Diagnostik
Anamnestisch sollten insbesondere erfragt werden:
- frühere Harnwegsinfekte
- bestehende Schwangerschaft
- Analgetikaabusus
- Risiken für einen komplizierten Verlauf sind z. B.:
- Diabetes mellitus
- Gravidität
- Männern
- Harnblasenkatheter
- anatomischen Fehlbildungen (Manski 2019)
- Schwächung des Immunsystems (Michel 2016)
Näheres s. „Akute Pyelonephritis“ und „Chronische Pyelonephritis“
Körperliche Untersuchung: Typisch für eine akute PN ist ein klopfschmerzhaftes Nierenlager. Bei Männern sollte zusätzlich bei klopfschmerzhaftem Nierenlager eine rektale Untersuchung zum Ausschluss einer Begleitprostatitis erfolgen (Michel 2016).
Bildgebung
Sonographie
Akute PN: Die Sonographie ist wichtig zum Ausschluss einer Harnabflussstörung. Die Nieren können sich vergrößert darstellen, das Parenchym ist meistens verbreitert und erscheint echoärmer. Die Wandstärke des Nierenbeckens ist mit einem Cut- off- Wert von 2,0 mm erhöht (Michel 2016). Sollte eine echoarme Raumforderung im Bereich der Nieren nachweisbar sein, handelt es sich am ehesten um einen Nierenabszess. Im diesem Fall sollte immer eine CT erfolgen (Manski 2019).
Näheres s. „Akute Pyelonephritis“
Chronische PN: Die Nieren erscheinen insgesamt klein, mit fokal dünnem, echogenen Kortex (Manski 2019).
XPN: Hierbei ist eine Niere vergrößert darstellbar und zeigt eine echogene Raumstruktur, die nicht von einem (Nieren-) Tumor zu unterscheiden ist. Mitunter kann eine Nephrolithiasis vorhanden sein (Manski 2019). Zur weiteren Abklärung wirdeine CT empfohlen (Kuhlmann 2015).
i. v. Pyelogramm
Akute PN: Sollte sonographisch der V. a. eine Harnabflussstörung oder eine Nephrolithiasis bestehen, könnte ein i. v. Pyelogramm zur weiteren Diagnostik erfolgen. Heutzutage erfolgt aber i. d. R. die weitere Diagnostik durch eine CT (Manski 2019).
Näheres s. „Akute Pyelonephritis“
Chronische PN: Bei der chronischen PN zeigen sich oftmals Kelchdeformierungen. Diese können unterschiedliche Schweregrade aufweisen. Es finden sich plumpe Kelche, deren Hälse einander nähern. Oftmals besteht bereits ein Parenchymverlust (Keller 2010). Vor allem an den Nierenpolen erscheint der Kortex dünn und die Nieren sind insgesamt klein (Manski 2019)
XPN: Hierbei findet sich bei 40 % - 70 % eine Nephrolithiasis.
Bei 30 % - 80 % der Patienten fehlt eine Kontrastierung der betroffenen Seite. Der Nierenschatten erscheint überwiegend vergrößert (Manski 2019).
Kontrastverstärktes CT
Akute PN: Bei einer akuten PN ist die CT indiziert, wenn
- es nach 72 h nicht zu einer Entfieberung gekommen ist
- bei sonographischem V. a.
- einen Abszess
- eine emphysematöse PN
- Obstruktion (Manski 2019)
Näheres s. Akute Pyelonephritis“
Chronische PN: Hierbei finden sich in der CT Veränderungen wie z. B.:
- Verplumpungen der Nierenkelche
- Deformierungen der Nierenkelche
- Verschmälerung des Parenchyms (Herold 2020)
XPN: Bei einer XPN ist die CT das Mittel der Wahl. Hierbei zeigt sich eine Raumforderung mit inhomogener Kontrastmittel- Anreicherung. Mitunter kann der V. a. ein Nierenzellkarzinom nicht ausgeschlossen werden.
Weitaus häufiger wird eine Lithiasis nachgewiesen. Die Nierenfunktion selbst ist vermindert (Manski 2019).
Magnetresonanztomographie
Die MRT ist gegenüber der CT bei der Fragestellung einer extrarenalen Ausbreitung der PN und der Evaluation der Veränderungen im Bereich des Nierenbeckenkelchsystems von Vorteil. Sie kann außerdem alternativ zur CT- Untersuchung eingesetzt werden, besonders bei bereits bestehender Niereninsuffizienz (Manski 2019).
Näheres s. „Chronische Pyelonephritis“
Miktionszystourethrogramm (MCU)
Ein MCU wird eingesetzt zum Ausschluss bzw. zur Bestätigung bei
- vesikoureteralem Reflux
- neurogener Harnblasenstörung (Manski 2019).
Nierenszintigraphie (auch als Isotopennephrogramm = ING bezeichnet)
Mit dieser Untersuchungsmethode kann eine seitengetrennte Funktion des Nierengewebes erfolgen.
chronische PN: Das ING ist die sensitivste Methode, um eine narbige Parenchymdestruktion nachzuweisen (Manski 2019)
Labor
Blutuntersuchung
Bei einer akuten PN finden sich i. d. R. folgende Veränderungen:
- Leukozytose
- BSG erhöht
- CRP erhöht (Manski 2019)
Procalcitonin erhöht (Michel 2016)
Es sollten bei schweren Verläufen auch auf Zeichen eines Nierenversagens untersucht werden wie z. B.:
- Kreatinin
- Cystatin C zur Bestimmung der GFR (Manski 2019)
- Elektrolyte wie z. B.:
- Natrium
- Kalium
- Chlor
- Blutgasanalyse (Michel 2016)
Bei sehr schweren Verläufen und vor allem bei V. a. eine Sepsis sind Zeichen einer Verbrauchskoagulopathie zu kontrollieren (BSG-Erhöhung, Anämie, Erniedrigung von Thrombozyten, Quick, Fibrinogen und Gerinnungsfaktoren [Faktor V, VIII, XI]).
Der Verdacht auf eine Sepsis besteht bei:
- Anstieg der INR (International Normalized Ratio)
- Abfall des Quickwertes
- Erhöhung des C- reaktiven Proteins bzw. des (schneller ansprechenden) Procalcitonin
- Thrombozytenabfall
- Leukozytose (Michel 2016)
Bei schweren Verläufen oder / und dem V. a. eine Sepsis sollten umgehend Blutkulturen angelegt werden (Herold 2020). Bei der akuten PN sind diese in 10 % - 20 % positiv (Keller 2010), bei der XPN hingegen in bis zu 25 % der Fälle steril (Kuhlmann 2015).
Falls der V. a. eine durch Mykosen hervorgerufene PN besteht, sollten Pilzkulturen angelegt werden aus:
- Urin
- Blut
- Sputum
- eventuellen intraoperativen Eingriffen (Schmelz 2006)
Bei der chronischen PN findet sich zusätzlich zu den o. g. Veränderungen:
- Anämie (bei XPN 57 % - 63 % erhöht [Sumann 2020])
- Nierenclearance verringert
- Leberwerte erhöht (in 25 % - 50 % bei der XPN) (Schmelz 2006)
Urinsediment
Die Leukozyturie ist immer ein Hinweis auf eine Pyelonephritis (Herold 2020)
- akute PN:
- Pyurie (falls diese fehlt, bestehen Zweifel an der Diagnose PN)
- Bakteriurie (bei 80 % - 90 % > 10 5 CFU / ml [koloniebildende Einheiten])
- Mikro- Makrohämaturie
- Leukozytenzylinder
- milde Proteinurie (Keller 2010 / Manski 2019)
Näheres s. „Akute Pyelonephritis
chronische PN:
- Hämaturie
- Proteinurie
- Zylindrurie (Keller 2010)
- XPN:
- Bakteriurie,
- typische Schaum- bzw. Xanthomzellen (s. „Histologie“) (Manski 2019)
Näheres s. „Chronische Pyelonephritis“
Urinkultur
Die Urinkultur ist bei der XPN zwar häufig positiv, aber diagnostisch nicht richtungsweisend (Manski 2019).
Histologie
Akute PN: Bei der akuten Form finden sich im Nierenparenchym zwischen Papille und Rinde keilförmige Abszessstraßen mit streifenförmigen Ansammlungen von Granulozyten (Herold 2020).
Chronische PN: Bei der chronisch verlaufenden herdförmig destruierenden Pyelonephritis finden sich keilförmige Narbenbildungen, die zu einer Einziehung der Nierenoberfläche führen. Zusätzlich bestehen oftmals Deformierungen der Nierenkelche und eventuell auch Nekrosen der Papillen (Herold 2020).
XPN: Bei der XPN enthält das entzündete Gewebe neben Lymphozyten, Plasmazellen und Neutrophilen außerdem noch die typischen mit schaumigem, lipidhaltigem Zytoplasma gefüllten, großen Makrophagen, auch Schaum- bzw. Xanthomzellen genannt. (Manski 2019).
Differentialdiagnose
APN:
- Nephrolithiasis
- Nierentumor
- Niereninfarkt
- Papillennekrose (Michel 2016)
- Pankreatitis
- Pleuritis
- basale Pneumonie
- Adnexitis
- akute Appendizitis
- akute Cholezystitis
- Lumbago / LWS- Syndrom
- (Sigma-) Divertikulitis
- renaler bzw. perirenaler Abszess (Herold 2020 / Manski 2019)
CPN:
- Uro- Tuberkulose (Kuhlmann 2015)
- chronisch rezidivierende Zystitiden (Hofstetter 2013)
XPN:
- Klarzelliges Nierenzellkarzinom
- Papilläres Nierenzellkarzinom
- Sarkoides Nierenzellkarzinom
- Nierentuberkulose
- Angiomyolipom der Niere
- Megalozytäre interstitielle Nephritis
- Nierenabszesse (Suman 2020)
Komplikation(en)
Urosepsis (lebensbedrohliche Komplikation; tritt nach instrumentellen Eingriffen in bis zu 65 % auf)
- Frühsymptome einer Urosepsis sind:
- Tachypnoe (> 20 Atemzüge / min)
- Tachykardie (> 90 Schläge / min)
- Hyperthermie (> 38 ° C)
- Hypothermie (< 36 ° C, in Abwechslung mit Fieberschüben) (Schmelz 2006)
- Hydronephrose oder Pyonephrose (bei Obstruktionen)
- paranephritischer bzw. intraparenchymaler Abszess
- pyelonephritische Schrumpfniere- (n)
- eitrige Nephritis
- chronische Niereninsuffizienz
- Nierenkarbunkel
- Nierenparenchymschäden
- tubuläre Partialfunktionsstörungen wie z. B.:
- Natriumverlustniere
- Kaliumverlustniere
- Störungen der Konzentrationsfähigkeit mit Polyurie und Polydipsie ( Kasper 2015 / Manski 2015)
Bei der chronischen PN können außerdem auftreten:
- Anämie
- arterielle Hypertonie - findet sich bei 30 % - 50 % der Patienten (Herold 2020/Manski 2019)
- chronische Niereninsuffizienz
Näheres s. „Chronische PN“
Bei der XPN können zusätzlich auftreten:
- Abszesse
- Fisteln
- nephrotisches Syndrom
- Sepsis (Suman 2020)
Näheres s. „Chronische PN“
Therapie allgemein
Eine leichte bis mittelschwere akute PN kann i. d. R. ambulant behandelt werden. Der Patient sollte Bettruhe einhalten. Bei systemischen Begleiterkrankungen wie z. B. Erbrechen, Kreislaufinstabilität etc. (Wagenlehner 2017) hingegen wird eine stationäre Behandlung zur parenteralen Antibiose empfohlen (Kuhlmann 2015).
Interne Therapie
Analgesie: Als Analgetikum eignet sich z. B. Metamizol (mit gleichzeitig antipyretischer Wirkung).
Dosierungsempfehlung: Metamizol 1 g – max. 4 g / d (Frölich 2003; Kuhlmann 2015)
Antibiose: Vor Beginn einer Antibiose sollte eine Urinkultur angelegt werden und nach Erhalt die Antibiose ggf. angepasst werden (Manski 2019).
1. a. Unkomplizierte akute PN bei Frauen vor der Menopause: Hierbei kann die Antibiose i. d. R. oral erfolgen. Das Erregerspektrum entspricht in etwa dem der unkomplizierten Zystitis.
- Medikamente der 1. Wahl sind bei der unkomplizierten akuten PN z. B.: Ciprofloxacin: Dosierungsempfehlung: 500 mg 2 x / d über 7 – 10 Tage. Dosisanpassung ab einer GFR von < 60 ml / min / 1,73 m² KOF erforderlich.
- Fluorchinolone wie z. B. Levofloxacin: Dosierungsempfehlung: 500 mg 1 x / d über 7 - 10 Tage. Dosisanpassung ab einer GFR von < 50 ml / min / 1,73 m² KOF erforderlich (Manski 2019 / Herold 2020)
- Cefpodoxin- Proxetil: Dosierungsempfehlung: 200 mg 2 x / d über 10 Tage (Wagenlehner 2017). Dosisanpassung ist ab einer Kreatinin- Clearance < 50 ml erforderlich (Frölich 2003).
1. b. Schwerer Verlauf einer akuten PN: Bei einem schweren Verlauf mit systemischen Begleitsymptomen ist eine stationäre Behandlung erforderlich, da die Antibiose initial parenteral verabreicht werden sollte (Wagenlehner 2017). Als Mittel der 1. Wahl werden empfohlen:
- Ceftriaxon (3. Generation): Dosierungsempfehlung: 50 mg / kg KG / d als Einzelgabe i. v. (Manski 2019). Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz ist NICHT erforderlich (Frölich 2003)
- Cefepim (4. Generation): Dosierungsempfehlung: 50 mg / kg KG / d alle 8 – 12 Stunden i. v. . Dosisanpassung ist ab einer Kreatinin- Clearance < 50 ml erforderlich (Frölich 2003) (Manski 2019)
- Ceftazidim (3. Generation): Dosierungsempfehlung: 50 mg / kg KG / d alle 8 Stunden i. v. Dosisanpassung ist ab einer Kreatinin- Clearance < 50 ml erforderlich (Frölich 2003) (Manski 2019)
Sobald es zur Entfieberung kommt, kann auf eine orale Medikation umgestellt werden, z. B.:
- Ceftibuten 9 mg / kg KG 1– 0– 0 oder
- Cefixim 4 mg – 8 mg / kg KG 1– 0– 1. (Manski 2019)
Die Therapiedauer sollte insgesamt bei 14 Tagen liegen, bei schweren Verläufen bei bis zu 21 Tagen (Michel 2016).
Schwangere Patientinnen s. „Akute Pyelonephritis“
Mykose- Pyelonephritis: Bei der durch eine Mykose ausgelösten PN sollten zur Behandlung systemische Antimykotika verwendet werden wie z. B.:
- Amphotericin B: Nach einer Testdosis von 1 mg / 100 ml über einen Zeitraum von 30 min. kann die Initialdosis von 0,1 mg / kg KG / d täglich gesteigert werden bis auf 1 mg – 5 mg / kg KG / d. Die Einzeldosen sollten alle 4 h appliziert werden. Die Maximaldosis liegt bei 4 g. Diese sollte in mindestens 6 Wochen nicht überschritten werden (Schmelz 2006).
- 5- Flucytosin: Dosierungsempfehlung: Alle 4 – 6 h Verabreichung der Einzeldosen von 100 mg – 150 mg / kg KG / d (Schmelz 2006).
- Fluconazol: Nach i. v. Gabe der Antimykotika sollte sich für 10 – 30 Tage eine Behandlung mit Fluconazol (z. B. Triazol) anschließen. Dosierungsempfehlung: 50 mg – 400 mg / d oral. Dadurch können 94 % - 95 % der urogenitalen Mykosen bzw. der Candidurie saniert werden (Schmelz 2006).
- Transplantatniere: Die Pyelonephritis einer Transplantatniere kann zu einer deutlichen Verschlechterung der Transplantatfunktion führen, die sich auch nach erfolgreicher Behandlung nur partiell zurückbildet (Kuhlmann 2015).
- Verlaufskontrolle: Am 4. Therapietag und ca. 7 Tage nach Ende der Antibiose sollten die Urinkulturen hinsichtlich des Verlaufs kontrolliert werden (Hegele 2015) .
- 2. a. Chronisch verlaufende herdförmig destruierende Pyelonephritis: Bei der chronischen PN sollten die Risikofaktoren (vesikoureteraler Reflux, analgetische Nephropathie, neurogene Blasenfunktionsstörung etc.) so weit wie möglich beseitigt bzw. behandelt werden (Michel 2016).
Jeder neu auftretende Harnwegsinfekt ist umgehend gezielt antibiotisch zu behandeln. Bei ständigen Rezidiven kann eine niedrig dosierte Langzeitantibiose erforderlich werden mit z. B.
- Nitrofurantoin 50 mg – 100 mg / d oder
- Cotrimoxazol 240 mg – 480 mg / d
Die Behandlungsdauer sollte 3 – 6 Monate betragen (Manski 2019).
2. b. XPN: Patienten mit segmentalem oder fokalem Befall der Niere können zunächst mit einer antibiotischen Behandlung plus einer perkutanen Drainage behandelt werden. Falls dies nicht zur Abheilung führt, ist eine (partielle) Nephrektomie erforderlich (s. „Operative Therapie“) (Suman 2020).
Operative Therapie
1. c. Emphysematöse PN: Die emphysematöse PN kann initial mit einer perkutanen Drainage therapiert werden. Anschließend sollte die Nephrektomie erfolgen sollte (Kasper 2015).
Näheres s. „Akute Pyelonephritis“
2. a. Chronisch verlaufende herdförmig destruierende Pyelonephritis: Sollte es sich bei der PN um einen einseitigen Befall und eine fehlende Nierenfunktion handeln, kann eine Nephrektomie bei nicht kontrollierbarem Hypertonus bzw. zur Vermeidung weiterer Harnwegsinfekte sinnvoll sein (Manski 2019)
2. b. XPN: Patienten mit segmentalem oder fokalem Befall der Niere können zunächst mit einer antibiotischen Behandlung plus einer perkutanen Drainage behandelt werden. Falls dies nicht zur Abheilung führt, ist eine (partielle) Nephrektomie erforderlich. (Suman 2020)
In Fällen diffuser oder weit fortgeschrittener XPN ist initial eine partielle bzw. komplette Nephrektomie angezeigt. Zur Vermeidung einer Sepsis sollten diese Patienten prä- und postoperativ eine Antibiose erhalten (Suman 2020). Dazu sind intraoperativ Abstriche zu entnehmen und die Antibiose ggf. nach Erhalt des Antibiogramms anzupassen (Manski 2019).
Der operative Eingriff selbst kann hinsichtlich bestehender Verwachsungen schwierig sein. Von einem laparoskopischen Eingriff wird deshalb abgeraten (Kuhlmann 2015), zumal es sich gezeigt hat, dass die Umwandlungsrate von laparoskopischen Eingriffen zu offenen bei ca. 50 % liegt ((Suman 2020).
Bei Fällen von bilateraler XPN ist ebenfalls eine Nephrektomie mit anschließender Dialyse erforderlich (Suman 2020).
Verlauf/Prognose
Die Mortalität einer Pyelonephritis liegt bei 0,4 / 100.000, das entspricht in Deutschland etwa 320 Fälle pro Jahr (Michel 2016).
Die emphysematöse PN zeigt mit 43 % eine deutlich höhere Letalität (Manski 2019).
Bei der XPN besteht bei unilateralem Befall eine gute Prognose, wohingegen bilaterale Fälle oftmals letal enden (Suman 2020).
Patienten auf einer Warteliste für eine Nierentransplantation zeigen in bis zu 15 % - 25 % als (Mit-) Ursache der terminalen Niereninsuffizienz infektiöse Erkrankungen.
(Michel 2016)
Näheres s. „Akute Pyelonephritis“ und „Chronische Pyelonephritis“
Literatur
- Colgan R et al. (2011) Diagnosis and Treatment of Acute Pyelonephritis in Women. Am Fam Physician 1; 85 (5) 519 – 526
- Frölich J C et al. (2003) Praktische Arzneitherapie. Springer Verlag 961, 965, 969
- Hegele A et al. (2015) Urologie: Intensivkurs zur Weiterbildung. Thieme Verlag 161 - 162
- Herold G et al. (2020) Innere Medizin. Herold Verlag 617 – 622
- Hofstetter A G et al. (2013) Urologie für die Praxis. Springer Verlag 110 – 111
- Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 861 - 868
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