PFAS ein berufliches Problem? Beispiele für PFAS-besonders exponierte Berufsgruppen sind das Militär und Feuerwehrleute, die flammhemmende Schäume verwenden. Diese Löschschäume enthalten in hohem Maße PFAS (Tarapore P et al. 2021). Auch bei Fabrikarbeitern kann die berufliche Exposition zu hohen PFOA-Konzentrationen im Blut führen., die bis zu 100 μg/ml Serum bei 3M-Fabrikarbeitern erreichten. Olsen et al. untersuchten 2007 das Serum von PFAS-Produktionsarbeitern im Ruhestand und fanden mittlere Serumspiegel von PFOS von 800 ng/ml (Bereich 145-3490 ng/ml) und von PFOA von 691 ng/ml (Bereich 72-5100 ng/ml) (Tarapore P et al. 2021).
PFAS das medizinische Problem: Akute PFAS-Schäden können bei Teflon-Dämpfen, die aus erhitzten Teflon-Geschirren aufsteigen eintreten. Polymer fume fever oder Teflonfieber werden sie bezeichnet. Sie sind schon längere Zeit bekannt (Greenberg MI et al. 2015) und werden wahrscheinlich durch Freisetzung proinflammatorischer Zytokine mit konsekutiver Aktivierung von Neutrophilen und Bildung von Sauerstoffradikalen hervorgerufen.
Bemerkenswerterweise ist bisher noch wenig bekannt über das dermale Absorptionspotenzial verschiedener PFAS. Es ist jedoch anzunehmen, dass sie in nicht unerheblichem Umfang über die Haut resorbiert werden können (Ragnarsdóttir O et al. 2022). Letztlich jedoch weiss man, dass PFAS-Organbelastungen mit einem signifikant höheren Risiko für die Gesamtmortalität einhergehen. Diese Aussage bezieht sich auf die Sterblichkeit an Herzkrankheiten und auf die Krebssterblichkeit (Wen X et al. 2022). Verschiedene Studien belegen recht eindeutige Zusammenhänge zwischen PFAS-Kontaminationen und einem Anstieg der Inzidenzen von Mammakarzinomen und Prostatkarzinomen (Steenland K et al. 2021). Auch sind Assoziationen zu Nieren- und Hodenkrebs, Pankreaskarzinom, hepatozellulärem Karzinom und Schilddrüsentumoren nachweisbar (Del Fiore P et al. 2022) . Beim Melanom ist eine dauerhafte Exposition gegenüber PFAS mit höheren Mitosewerten im Tumorparenchym verbunden. Ein Überlebensunterschied ließ sich in diesem Melanomklientel bisher nicht eruieren (Del Fiore P et al. 2022).
PFAS und Stillen: Ungemein biologisch wichtig ist die Beobachtung, dass Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) über das Stillen von der Mutter auf den Säugling übergehen (LaKind JS et al. 2023; LaKind JS et al. 2023). Dabei gibt es eine klare Abhängigkeit zwischen Ausmaß der mütterlichen Exposition und der Konzentration von PASF im Kolostrum und in der Muttermilch (Blomberg AJ et al. 2023). Dies impliziert dass Säuglinge bereits durch das Stillen PFAS-Expositionen ausgesetzt sind. (Blomberg AJ et al.2023).
Für die Schwangerschaft wurde ein Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber Perfluoralkylsubstanzen (PFAS) und dem Risiko für hypertensive Schwangerschaftsstörungen heruasgestellt (Liu B et al. 2022). Es gibt darüberhinaus deutliche Hinweise dafür, dass die Konzentrationen von Perfluorundecansäure und Perfluorononansäure im Serum von Schwangeren positiv mit dem Ausmaß der postpartalen Blutung korrelieren. In Modellenrechnungen steigt das Risiko einer postpartalen Blutung mit zunehmender Exposition gegenüber einem PFAS-Gemisch (Lin M et al. 2022).
PFAS und Fertilität: Perfluoralkylsubstanzen (PFAS) sind endokrin wirksame Chemikalien. Nachweislich sind Assoziationen von PFOS und PFOA und erniedrigte Testosteronspiegel bei unfruchtbaren Männern. So belegen epidemiologische Untersuchungen, dass PFOA und PFAS Auswirkungen auf männliche Reproduktionsparameter haben. Bei Arbeitnehmern des mit PFOA-belasteten Unternehmens 3M, wurde bei den Mitarbeitern mit den höchsten PFOA-Serumspiegeln ein Anstieg der mittleren Östradiolwerte um 10 % festgestellt. Eine Querschnittsstudie an 212 exponierten Männern aus der Region Veneto, Italien, ergab, dass erhöhte PFOA-Spiegel (aber nicht PFOS) in Serum und Samenflüssigkeit zu einer Verringerung der Samenqualität, des Hodenvolumens und der Penislänge führte. Eine Querschnittsstudie aus Nanjing, China, an 664 erwachsenen Männern zeigte, dass die PFOA- und PFOS-Spiegel im Sperma signifikant mit einem geringeren Prozentsatz an progressiven Spermien und einem höheren Prozentsatz an DNA-Fragmentierung verbunden waren. Eine Folgestudie mit derselben Population bestätigte den Zusammenhang zwischen den PFOA-Spiegeln in Serum und Samenflüssigkeit und zeigte eine Abnahme des Gesamttestosterons und des freien Testosterons.
PFAS und Schilddrüsenfunktion: Verschiedene experimentelle Studien ergaben, dass PFAS in der Lage sind, schilddrüsenhormonbindende Proteine zu beeinflussen. Die kombinierten Ergebnisse zeigten einen positiven Zusammenhang zwischen Veränderungen des TSH und der Exposition gegenüber Perfluoroctansulfonat (PFOS), Perfluoroctansäure (PFOA) und Perfluordecansäure (PFDA) (Zhang L et al. 2023). Bei Frauen in der Frühschwangerschaft war eine Verdoppelung der PFOS-, PFOA- und PFNA-Konzentrationen mit einem Anstieg der FT4-Konzentration verbunden. Die Exposition gegenüber PFOS, PFOA und PFNA war bei Frauen in der Frühschwangerschaft mit höheren FT4-Konzentrationen verbunden (Jensen RC et al. 2022)
PFAS und Assoziation mit Gicht: Mehre Studien konnten einen positiven Zusammenhang zwischen Perfluoralkylsäuren (PFAA), einschließlich Perfluoroctansäure (PFOA) und Perfluoroctansulfonat (PFOS) sowie Hyperurikämie feststellen. Nachweislich ist ein positiver Zusammenhang zwischen Serum-Harnsäurewerte und erhöhten Werten von PFOA, PFNA, PFOS, PFHxS und PFDA (Scinicariello F et al. 2020; Ward-Caviness CK et al. 2022). Es ist anzunehmen, dass die Exposition gegenüber PFAAs ein Risikofaktor für Hyperurikämie und Gicht darstellt.
PFAS und Serumplipide: Verschiedene Studien belegen eine Assoziation zwischen der Höhe der Serumlipide und der Exposition gegenüber Perfluoralkylsubstanzen (PFAS). Die Zusammenhänge mit Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) und Perfluoroctansäure (PFOA) sowie Perfluorohexansulfonsäure (PFHxS) sind mehrfach belegt. Bei den Untersuchungen waren die PFAS-Serumspiegel in den exponierten Gruppen 5 bis 100-mal höher als in den Kontrollen. In dieser Population mit gemischter PFAS-Exposition, vorwiegend PFOS und PFHxS, war das Ausmass der PFAS-Exposition positiv mit der Höhe der Serumlipide assoziiert (Li Y et al. 2020).
PFAS und Diabetes: PFAS sind Fettsäuren strukturell ähnlich und regulieren offenbar die Fettsäureoxidationswege hoch, was oxidative Stress erhöht und möglicherweise zu einer Insulinresistenz führt (Cardenas A et al 2019; Duan X et al. 2011). Nachweisbar ist ein Zusammenhang zwischen PFAS und Type 2-Diabetes (Zhu Y et al. 2022). So werden zirkulierende PFAS mit Gewichtszunahme bei Erwachsenen und Adipositas bei Jugendlichen in Verbindung gebracht. Eine Verdopplung der Ausgangskonzentration an verzweigter Perfluoroctansäure ist mit einem Anstieg des Diabetesrisikos um 14 % gegenüber dem Placebo verbunden, die Verdoppelung der N-Ethylperfluoroctansulfonamidoessigsäure mit einer 17 % höheren Wahrscheinlichkeit für mikrovaskulären Erkrankung. Eine ähnliche Assoziation wurde für Perfluordimethylhexansulfonsäure beobachtet (Cardenas A et al 2019).
Entzündungsmarker und PFAS: Die Serumspiegel von Perfluornononansäure (PFNA), Perfluoroctansäure (PFOA), Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) und Perfluordescansäure (PFDA) sind signifikant mit einem prozentualen Anstieg der Lymphozytenzahl verbunden sowie mit einem prozentualen Anstieg des Serumeisens sowie des Serumalbumins. Weiterhin ergab sich ein Zusammenhang zwischen den Serumspiegel von PFHxS, PFNA, PFOA und PFOS und einem prozentualen Anstieg des Gesamtbilirubins (Omoike OE et al. 2021). Noch nicht endgültig geklärt ist wie letztlich die Entzündungskaskade in Gang gesetzt wird. Soviel jedoch ist schon bekannt: dass der Doppelstrang-DNA-Rezeptor AIM2 in der Lage ist, Perfluoroctansulfonat (PFOS) zu erkennen und die IL-1β-Sekretion und Pyroptose auszulösen (Wang LQ et al. 2022).
Chronische spontane Urtikaria: Bei Erwachsenen wurde ein Zusammenhang zwischen dem PFAS-Serumspiegel und dem Auftreten von chronischer spontaner Urtikaria (CSU) dargestellt. Der Interleukin-4-Serumspiegel war in diesem Klientel zu Beginn der Studie signifikant höher und stand in einem positiven Zusammenhang mit dem PFHpA-Spiege (Shen M et al. 2022).
PASF und Immunfunktionen: Eine Reihe von Studien weisen auf einen Zusammenhang zwischen Immuntoxizität und Perfluoralkylsubstanzen (PFAS) hin. Sowohl beim Menschen (und auch bei Tieren/Guillette TC et al. 2022) existieren ernstzunehmende Hinweise darauf, dass PFAS Belastungen des Organismus zur Suppression des Immunsystems führen. Dies kann mit einem erhöhten Risiko für Infektionen, Allergien und Asthma einhergehen (von Holst H et al. 2021). Bisher liegen nur wenige Informationen über die Mechanismen vor, die der Toxizität von PFAS zugrunde liegen. Nachweislich sind negative Auswirkungen von PFAS auf die Antikörperprodutktion, was darauf hindeutet, dass PFAS unter anderem die B-Zellfunktion sowie immunologische Signalübertragungen beeinträchtigen könnten. So verringern PFOA die Expression von RAG1 und RAG2, Genen, die an der Rekombination von Immunglobulin und T-Zell-Rezeptor V(D)J beteiligt sind (Janssen AWF et al. 2022). Einen direkten klinischen Beweis für PFAS induzierte Störung der Immunität wurde für die stark PFAS-exponierte Bevölkerung im Veneto/Italien erbracht. Für diese Bevölkerunggruppe mussten italienische Immunologen im Vergleich mit Nicht-Kontaminierten ein höheres Sterblichkeitsrisiko für COVID-19 feststellen. Auch dies ein Beweis, dass die Bevölkerung unmittelbar einen Preis für einen PFAS-Umweltskandal zahlte, der Jahre zurücklag (Catelan D et al. 2021). Hinweise auf eine Immunsuppression mit verminderter Antikörperreaktion auf Impfungen im Kindesalter konnte bei PFOA-, PFOS- und PFHxS-Expositionen gefunden werden (von Holst H et al. 2021).
PFAS und atopische Dermatitis/ Asthma bronchiale: Eine amerikanische Forschergruppe konnte 2020 belegen, dass die frühkindliche Exposition gegenüber Perfluoroctansäure (PFOA), Perfluoroctansulfonsäure (PFOS), Perfluornonansäure (PFNA) und Perfluorhexansulfonsäure (PFHxS) das Risiko von allergischen Erkrankungen und Atemwegserkrankungen erhöht. Die Autoren vermuten, dass Serum-PFAS-Konzentrationen mit einer erhöhten Asthma-Prävalenz bei US-Kindern assoziiert sind (Jackson-Browne MS et al 2020). Auch für das Asthma bronchiale waren bei nicht gegen MMR geimpften Kindern höhere Konzentrationen der fünf PFAS im Alter von 5 Jahren mit einem erhöhten Asthmarisiko im Alter von 5 und 13 Jahren verbunden (Timmermann CA et al. 2017). In einer größeren Studie (n= 687 Kinder) mit einem 2-Jahres-Follow-up konnte belegt werden, dass eine pränatale Exposition gegenüber PFOA, PFDA, PFDoA und PFHxS signifikant das Risiko für eine atopische Dermatitis erhöht (Chen Q et al. 2018).