NFKB1-assoziierte autoinflammatorische Erkrankungen
Synonym(e)
Definition
Die NFKB1-assoziierte autoinflammatorische Erkrankungen (NFKB1-AD) umfassen eine Gruppe von drei verschiedenen autosomal dominanten Krankheiten, die auf Mutationen im NFKB1-Gen zurückzuführen sind. Das NFKB1-Gen (NFKB1 steht für „Nuclear Factor Kappa B Subunit 1“) ist ein Protein kodierendes Gen das auf Chromosom 4q24 lokalisiert ist. Durch alternatives Spleißen entstehen mehrere Transkriptvarianten, die für verschiedene Isoformen kodieren, von denen mindestens eine proteolytisch verarbeitet wird. Die Mutationen bei NFKB1-AD betreffen die NK-κB-Untereinheiten p50 und p105, was in einigen in einigen Fällen zu einer erhöhten Expression von IL-1β und TNF und entsprechender klinischer Symptomatik führt (Kaustio M et al. 2019).
Klinisches Bild
Erste Beschreibungen von Patienten mit NFKB1-Genmutationen wurden mit einem Phänotyp der Immunschwäche in Verbindung gebracht (Common variable immunodeficiency-12 with autoimmunity/CVID12) bestehend aus rezidivierenden Infektionen der Atemwege, die chronischen Lungenerkrankung mit Bronchiektasen, Durchfall, Lymphadenopathie, Splenomegalie, rezidivierende Autoimmunphänomene (hämolytische Anämie, Thrombozytopenie und Leukopenie), Hypogammaglobulinämie, mangelhafte Produktion von Produktion spezifischer Antikörper und eine verringerte Anzahl von klassenspezifischen und Gedächtnis-B-Zellen (Kaustio M et al. 2019; Schipp C et al. 2016; Lorenzini T et al. 2020, s. Fallbericht)
Zwei weitere autoinflammatorische Phänotypen, die mit Mutationen im NFKB1-Gen verbunden sind, wurden in zwei Familien beschrieben (Kaustio M et al. 2017):
- Die NFKB1-assoziierte Behçet-ähnliche Krankheit, die die mit der „non-truncating“ Mutation H67R im NFKB1-Gen assoziiert ist. Sie wurde bei sechs Personen in derselben Familie beschrieben, deren klinische Manifestationen denen wie beim Morbus Behçet (Aphthen, Arthritis und Unterleibsschmerzen) (Kaustio M et al. 2017). Bemerkenswert ist, dass die Mutationen in NFKB1 denselben Signalweg wie bei HA20 (Ubiquinopathie - Behcet-artiges familiäres autoinflammatorisches Syndrom). Allerdings ist HA20 assoziiert mit IgG-Hypogammaglobulinämie. Der Behçet-ähnliche Phänotyp scheint nicht zu einer keine Überaktivierung des kanonischen Inflammasoms in vitro zu verursachen, so dass eine medikamentöse Suppression von IL-1β und TNF möglicherweise nicht sinnvoll erscheint. (Kaustio M et al. 2017).
- Die NFKB1-assoziierte sterile familiäre autoinflammatorische nekrotisierende Fasziitis (FANF), die durch eine „truncating“ Mutation R157X im NFKB1-Gen verursacht wird. Diese Erkrankung wurde bei zwei Brüdern beschrieben, die unter lokalisierten, rezidivierenden, sterilen, nekrotisierenden Inflammationen nach einem banalen Gewebetrauma (z.B. nach einem kleinen chirurgischen Eingriff) litten, die sich in die Muskelfaszien ausbreitete (klinisches Bil der nekrotisierenden Fasziitis). Die Patienten hatten weder eine andere Organ- oder systemische Beteiligung noch irgendwelche offensichtlichen Manifestationen einer Immunschwäche (Kaustio M et al. 2017). Diese Mutation verursacht eine erhöhte Inflammasom-Aktivierung in vitro. Insofern ist zu vermuten, dass Wirkstoffe, die IL-1β oder TNF hemmen nützlich sein könnten.
Dermatologische Manifestationen: Die häufigsten Hautveränderungen bei Patienten mit NFKB1- assoziierten Behçet-ähnlichen Krankheit sind Schleimhaut-Aphthen, die Mundschleimhaut, Speiseröhre und Genitalien betreffen (Figueras-Nart I et al. 2019).
Histologie
Biopsien der genitalen Aphthen zeigten eine Vaskulitis der kleinen Gefäße, analog zu denen des Morbus Behçet.
Fallbericht(e)
Lorenzini et al. (2020) identifizierten 157 Personen aus 68 nicht verwandten Familien, meist europäischer Abstammung, mit CVID12. Der Phänotyp war sehr variabel. Die meisten Patienten hatten eine Hypogammaglobulinämie (88,9 % der Patienten), reduzierte geschaltete Gedächtnis-B-Zellen (60,3 %) und Infektionen des Sinus (83 %) und des Magen-Darm-Trakts (28,6 %), was mit einem primären Immundefekt vereinbar ist. Es bestand eine vermehrte Infektneigung bei Bakterien, Viren und Pilze, in seltenen Fällen auch Mykobakterien und Cytomegaloviren (CMV). Die immunologische Untersuchung ergab bei den meisten Patienten eine Hypogammaglobulinämie, schlechte Antikörperreaktionen, niedrige Konzentrationen von geschalteten B-Gedächtniszellen und manchmal niedrige NK-Werte. Auch Autoimmunität (57,4 %), Lymphoproliferation (52,4 %), nichtinfektiöse Enteropathie (23,1 %), opportunistische Infektionen (15,7 %), Autoinflammation (29,6 %) und Malignität (16,8 %) traten sehr häufig auf.
Zu den weniger häufigen Autoimmunmerkmalen gehörten makulöse Exantheme, Arthritis, Thyreoiditis, Hepatitis, perniziöse Anämie, Typ-I-Diabetes, Vaskulitiden und Addison-Krankheit. Autoantikörper gegen rote Blutkörperchen oder Granulozyten wurden bei 18 % der Patienten nachgewiesen. Eine Patientin stellte sich im Alter von 11 Jahren mit schwerer Panzytopenie, Hypogammaglobulinämie, verminderter Impfreaktion, reduzierten klassenverschiedenen B-Gedächtniszellen und leicht verminderten NK-Zellen vor. Sie wies eine Hepatosplenomegalie, Lymphadenopathie, wiederkehrende Genital- und Mundulzerationen, Arthralgien und Enthesopathie in Verbindung mit erhöhten Entzündungsmarkern auf. Ihre Mutter und ihr Bruder hatten eine Hypogammaglobulinämie. In der Familie gab es auch 5 asymptomatische Mutationsträger. Ein Onkel mit Autoimmunität starb im Alter von 40 Jahren an einem Lymphom.
Ein Patient aus einer anderen Familie stellte sich im Alter von 38 Jahren mit rezidivierenden schweren Atemwegsinfektionen vor, wobei im Alter von 43 Jahren eine Hypogammaglobulinämie festgestellt wurde. Er entwickelte auch Autoimmunmerkmale wie Vitiligo, Arthritis und Keratokonjunktivitis und wies Lymphadenopathie, Hepatosplenomegalie und einen Mangel an Plasmazellen in der Knochenmarksbiopsie auf. Seine erwachsene Schwester litt an wiederkehrenden bakteriellen und viralen Infektionen sowie an einer Lymphdrüsenhyperplasie. Die häufigsten Todesursachen waren Infektionen auf dem Hintergrund einer chronischen Erkrankung und Komplikationen bei bösartigen Erkrankungen.
Literatur
- Figueras-Nart I et al. (2019) Dermatologic and Dermatopathologic Features of Monogenic Autoinflammatory Diseases. Front Immunol 10:2448.
- Kaustio M et al. (2019) Primary immunodeficiency, a possible cause of neutrophilic necrotizing dermatosis. JAMA Dermatol. 155:863–864.
- Kaustio M et al. (2017) Damaging heterozygous mutations in NFKB1 lead to diverse immunologic phenotypes. J Allergy Clin Immunol140:782–786
- Lorenzini T et al. (2020) Characterization of the clinical and immunologic phenotype and management of 157 individuals with 56 distinct heterozygous NFKB1 mutations. J Allergy Clin Immun 146: 901-911.
- Poladian N et al. (2023) Role of NF-κB during Mycobacterium tuberculosis Infection. Int J Mol Sci 24:1772.
- Schipp C et al. (2016) Specific antibody deficiency and autoinflammatory disease extend the clinical and immunological spectrum of heterozygous NFKB1 loss-of-function mutations in humans. Haematologica 101:e392–396.