Net des PankreasD44.9
Synonym(e)
Definition
Neuroendokrine Tumoren der Pankreas (PETs) machen etwa 5% aller diagnostizierten Tumore der Bauchspeicheldrüse aus. Makroskopisch sind es gut begrenzte, zumeist solitäre runde Tumoren mit einem Durchmesser zwischen 1 bis 4 cm, die in allen Abschnitte des Pankreas vorkommen.
Im Gegensatz zu dem viel häufiger auftretenden Bauchspeicheldrüsenkrebs (Tumore des so genannten exokrinen Teils der Drüse), ist die Langzeit-Lebenserwartung bei Patienten mit diesen Tumoren (PETs) deutlich besser.
NETs der Pankreas sind zu 65-70% funktionelle (hormonell aktiv). In Abhängikeit von der vorherrschenden Hormonsekretion werden sie als Insulinome, Gastrinome, VIPome, Glukagonome bezeichnet (s.a. dort). Insulinome sind meist gutartig, die übrigen NET der Pankreas sind häufig maligne.
Einteilung
Funktionelle zu Hypersekretionssyndromen führende neuroendokrine Tumoren (z.B. Insulinome; Gastrinome, VIPome u.a.) machen 65-70% der NETs der Pankreas aus.
Nicht-funktionelle neuroendokrine Tumore (30-35 %).
Vorkommen/Epidemiologie
Insgesamt selten. Neuroendokrine Tumoren der Pankreas machen etwa 5% aller diagnostizierten Tumore der Bauchspeicheldrüse aus.
Unter den funktionellen Tumoren sind die Insulinome am häufigsten. Sie sind zu 95% zwischen 1,0 bis 2,0 cm groß. Multiple Insulinome und Insulinome im Rahmen einer MEN-1 sind in etwa 10 Prozent der Fälle zu beobachten. Sie zeigen gegenüber den solitären oder sporadischen Insulinomen keine gesteigerte Malignitätsrate.
Die pankreatischen Gastrinome sind meist > 2,0 cm. Sie haben bei Diagnosestellung bereits in bis zu 60% der Fälle metastasiert. Pankreatische Gastrinome treten im Gegensatz zu den duodenalen Gastrinomen nur selten im Rahmen einer MEN-1 auf.
VIPome, Glukagonome sind sehr selten. Größe zum Zeitpunkt der Diagnose: > 2 cm. Meist haben sie bereits metastasiert. Dies gilt auch für die nicht-funktionellen NETs des Pankreas.
Manifestation
Sporadische funktionelle NETs der Pankreas werden zwischen dem 5.-6. Lebensjahrzehnt manifest. Nicht-funktionelle Tumore können, vor allem bei MEN-I-Syndrom, multipel vorliegen und dann auch gleichzeitig mit funktionellen Pankreastumoren auftreten. Bei fehlender Funktionalität erfolgt die Diagnose relativ spät.
DETs des Pankreas im Kindesalter sind extrem selten. Sie treten im Erwachsenenalter in allen Altersklassen und bei Männern und Frauen gleich häufig auf.
Klinisches Bild
Funktionelle Tumore der Bauchspeicheldrüse. Sie werden klinisch durch ein Hypersekretionssyndrom auffällig, wobei sich die klinische Symptomatik nach dem sezernierten Hormon richtet (s.u. Insulinom, Gastrinom, Glukagonom, VIPom). Der weitaus häufigste funktionelle NET des Pankreas ist das Insulinom. Das Insulinom ist klinisch durch die Whipple-Trias gekennzeichnet (Spontanhypoglykämie, autonome Symptome wie Schwitzen, Hitzegefühl, Tachykardie usw. u.a., prompte Besserung nach oraler Glukosezufuhr). Das Gastrinom (syn: Zollinger –Ellison-Syndrom - D37.78) ist meist maligne und bei Diagnosestellung bereits in 50% der Fälle metastasiert. Die Hypersekretion des Gastrins führt zu einer übermäßigen Säuresekretion des Magens und zu multiplen Ulzerationen im oberen Gastrointestinaltrakt.
Andere funktionelle NETs des Pankreas sind sehr selten. Ein VIPom bildet vasoaktives intestinales Polypeptid und schüttet dieses Hormon ungeregelt aus. In der Folge kommt es zu schweren Durchfällen. Beim Glukagonom wird Glukagon ausgeschüttet. Leitsymptom ist das Erythema necrolyticum migrans kombiniert mit einem Diabetes mellitus.
Nicht-funktionelle Nets des Pankreas: Sie sind hormonell nicht aktiv. Erste Symptome - abdominelle Schmerzen (35-55 %), ein tastbarer Tumor (10-40 %), Gewichtsverlust (30-45 %) - sind durch das raumfordernde Tumorwachstum bedingt, sind somit Spätsymptome. Bis zu 25 % der Tumore werden zufällig als "Inzidentalom des Pankreas" (zufällig entdeckte Tumore) diagnostiziert.
Diagnose
Funktionelle NETs des Pankreas: Insulinom: Wipple-Trias; bei allen anderen NETs der Pankreas biochemische Sicherung der vorherrschenden Hormonsekretionen: Gastrin beim Gastrinom des Pankreas, Glukagon beim Glukagonom des Pankreas, vasoaktives Polypeptid beim VIPom.
Funktionelle und Nicht-funktionelle NETs des Pankreas: Einsatz bildgebender Verfahren wie Sonographie und Endosonographie; One stop-shop MRT. Ausschluss einer diffusen Fernmetastasierung. Bei den Nicht-funktionellen NETs des Pankreas häufig Zufallsbefund.
Differentialdiagnose
Pankreaskarzinom. Hierzu wird die Somatostatin-Rezeptor-Szintigraphie eingesetzt. Erhöhte Serumkonzentrationen der Tumormarker Chromogranin A oder pankreatisches Polypeptid (PP) können die Diagnose "Neuroendokriner Tumor" stützen.
Therapie allgemein
Symptomatische Therapie beim Gastrinom des Pankreas erfolgt mit Protonen-Pumpen-Inhibitoren (PPI, z.B. „Pantozol“). PPIs hemmen bei nahezu allen Patienten erfolgreich die Säuresekretion und damit die klinische Symptomatik des Gastrinoms.
Beim Insulinom ist der Hypoglykämie durch geeignete diätetische Maßnahmen entgegenzuwirken.
Bei Inoperabilität eines neuroendokrinen Tumors des Pankreas gilt eine palliative Chemotherapie mit Streptozotocin + 5-FU oder Doxorubicin als medikamentöse Standardtherapie. Die Indikation ist hierzu individuell, in Abhängigkeit von der Wachstumsdynamik, zu stellen (s. unter Insulinom, Gastrinom, Glukagonom u.a.)
Operative Therapie
Funktionelle NETs der Bauchspeicheldrüse: Resektion der sporadischen pankreatischen NETs durch Enukleation bzw. distaler Pankreasresektion persistiert oder rezidiviert das Gastrinom in 40-60% der Fälle, dennoch ist die Langzeitprognose gut. Auch beim Gastrinom im Rahmen eines MEN-1-Syndroms ist bei biochemischem Nachweis die Indikation zur Operation gegeben, wenn keine diffuse Lebermetastasierung vorliegt.
Nicht-funktionelle Tumore der Bauchspeicheldrüse: Die primäre Therapie ist die Operation. Der erfahrene Chirurg wird durch Abtasten der Bauchspeicheldrüse und der Dünndarmwand bzw. mit intraoperativen Ultraschall einen Großteil der Primärtumoren lokalisieren und enukleieren können.
OP-Indikation bei Lebermetastasen (s.u. Neuroendokrine Tumoren des Gastroentero-Pankreatischen Systems).
Verlauf/Prognose
NETs des Pankreas verhalten sie sich mit Ausnahme des Insulinoms häufig maligne. Dies betrifft v.a.Gastrinome, VIPome, Glukagonome und nichtfunktionelle NETs.
Die wichtigsten Kriterien der Malignität sind, abgesehen von Metastasierung in die regionalen Lymphknoten und die Leber oder einer Infiltration benachbarter Organe, eine Tumorgröße > 2 cm , Angioinvasion und eine proliferative Aktivität > 2 Prozent. Offenbar kommt dem Faktor "Angioinvasion" eine besonders große Bedeutung zu. Es wird daher empfohlen, bei sicher nachgewiesener Angioinvasion von Malignität auszugehen, auch wenn sonst keine weiteren Kriterien der Malignität gegeben sind.
Literatur
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