Nephronophthise

Autor:Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 21.08.2024

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Synonym(e)

Autosomal-rezessiv vererbte tubulointerstitielle Nierenerkrankung; Joubert- Syndrom; Juvenile Nephronophthise; Senior- Loken- Syndroms; Tubulointerstitielle Nierenerkrankung

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Erstbeschreiber

Im Jahre 1951 beschrieb von Fanconi et al. erstmals den Begriff Nephronophthise (NPH / NPHP), der wörtlich übersetzt „Schwund der Niere“ (aus dem Griechischen „Phthisis“ [Keller 2010]) bedeutet (Schärer 2002 / Titieni 2018). Mit Weiterentwicklung der molekularen Genetik konnten Antignac et al. 1993 als Erste den Genort auf dem Chromosom 2q beschrieben, s. u. NPHP-Gen (Schärer 2002).

 

 

Definition

Unter dem Begriff „Nephronophthise“ versteht man eine Gruppe genetisch bedingter tubulointerstitieller Nephropathien (renale Ziliopathie), einschließlich des Senior- Loken- Syndroms und des Joubert- Syndroms (Herold 2020). Die NPH zählt zu den bilateralen mikrozystischen Nierenerkrankungen (Speer 2009) und ist klinisch- pathologisch kaum von der ADTKD zu unterscheiden (Zalewski 2005).

Einteilung

Bei der NPH differenziert man zwischen 3 klinischen Subtypen unterschieden die durch das Alter des Beginns der ESRD gekennzeichnet sind:

  • infantiler
  • juveniler
  • adoleszenter (Herold 2020)

 

Vorkommen

Die NPH kommt - insgesamt gesehen - nur sehr selten vor. In Europa findet man sie allerdings häufiger als in den USA, wo jedes 7. vs. jedes 42. Kind aus diesem Grunde dialysepflichtig wird.

Eine Geschlechterspezifität gibt es nicht (Keller 2010).

Bei ca. 20 % der Kinder und Jugendlichen mit chronischer Niereninsuffizienz - bislang unklarer Genese - findet sich bei der Untersuchung eine NPH als Ursache (Kuhlmann 2015).

 

 

Ätiologie

Bei der NPH handelt es sich um eine genetische bedingte Erkrankung mit autosomal rezessivem Erbgang. Bislang sind mindestens 7 Gene bekannt, die die NPH bewirken.

Am häufigsten besteht eine Deletion des NPHP1- Gens auf dem Chromosom 2q12-q13 , die als „juvenile Form“ bezeichnet wird (Herold 2020).

Bei der infantilen Form findet sich eine Mutation im NPHP2- Gen. (Kasper 2015)

Pathophysiologie

Es handelt sich pathophysiologisch um eine Dysfunktion der primären Zilien. Diese stellen die Sensoren des Harnflusses dar. Defekte der primären Zilien führen im Verlauf zu polyzystischen Veränderungen der Niere (Titieni 2018 / Welsch 2018).

Manifestation

Die NPH führt am Ende des 2. Lebensjahrzehnt zur terminalen Niereninsuffizienz (Keller 2010), die infantile Form bereits im Kleinkindalter (Kasper 2015).

Lokalisation

Eine NPH kann isoliert auftreten, bei ca. 10 % - 15 % finden sich aber weitere Organmanifestationen, die häufigsten davon mit Lokalisation im Bereich des ZNS und der Augen (Herold 2020). Als Multiorgansyndrom können z. B.vorkommen:

  • neurologischen Störungen
  • Knochenveränderungen
  • Leberveränderungen
  • Retinitis pigmentosa (dann als sog. Senior- Loken- Syndrom bezeichnet)
  • multiple neurologische Befunde (dann als sog. Joubert- Syndrom bezeichnet) wie z. B.
    • Hypoplasie des Kleinhirnwurms (Kasper 2015)

Der renale Phänotyp NPH kann darüber hinaus Bestandteil diverser syndromaler Krankheitsbilder sein, die unter dem Begriff „NPH- related ciliopathies = NPH- RC“ zusammengefasst werden (Titieni 2018).

Klinisches Bild

Bereits im 1. Lebensjahr können die Kinder mitunter auffällig werden durch z. B.:

  • Wachstumshemmung
  • Polyurie (Keller 2015)

Im weiteren Verlauf können auftreten:

  • Polydipsie
  • arterielle Hypertonie (vor allem zu Beginn durch die tubulointerstitiellen Umbauvorgänge)
  • arterielle Hypotonie (findet sich im weiteren Verlauf durch die renalen Salzverluste) (Kuhlmann 2015)
  • Osteopathie

Die Symptomatik ist nicht selten nur diskret ausgeprägt. Bei ca. 15 % der Betroffenen kann die Diagnose erst im Stadium der terminalen Niereninsuffizienz gestellt werden (Schärer 2002).

Diagnostik

Die Diagnose wird durch die Familienanamnese, körperliche, apparative und laborchemische Untersuchungen gestellt (Kuhlmann 2015). Der sog. renale Konzentrationsversuch erfolgt ausschließlich in Zweifelsfällen (Schärer 2002).

 

Bildgebung

Sonographisch erscheinen die Nieren überwiegend klein und mit schlechter Differenzierung zwischen Mark und Rinde (Schuster 1996).

Die für das Krankheitsbild typischen medullären Zysten an der Mark- Rinden- Grenze finden sich bei ca. 75 % der Erkrankten. Sie lassen sich theoretisch im Ultraschall, CT bzw. MRT darstellen (Keller 2010).

Da die Zysten jedoch sehr klein sind, gelingt die sonographische Darstellung oftmals nicht. Der höchste Zystennachweis findet sich im MRT (Kuhlmann 2015).

 

 

Labor

Im 1. Lebensjahr ist das Sediment meistens noch weitgehend unauffällig.

Mit zunehmender Funktionseinschränkung können im weiteren Verlauf eine leichte Proteinurie auftreten (Kasper 2015)und eine stark erniedrigte Osmolalität des Morgenurins bestehen (Schärer 2002)

Bei unzureichender Salzzufuhr kommt es laborchemisch zu einer:

  • Hyponatriämie 
  • Hypovolämie  (Keller 2015)

Eine genetische Diagnostik ist zwar möglich, aber wegen der multiplen Gene, die für die NPH verantwortlich sein können, mühsam (Kasper 2015). Selbst heutzutage bleiben ca. 40 % der NPH- Patienten genetisch ungeklärt (Titieni 2018).

 

 

Differentialdiagnose

Bei Kindern mit einer chronischen Niereninsuffizienz und gleichzeitig blander Urinanalyse sollte man differentialdiagnostisch folgende Erkrankungen in Betracht ziehen:

Weitere Differentialdiagnosen können z. B. sein:

Therapie

Eine kausale Therapie ist nicht bekannt. Die zunehmende Niereninsuffizienz machen letztlich eine Nierenersatzbehandlung bzw. eine Nierentransplantation erforderlich (Herold 2020).

Literatur

  1. Herold G et al. (2020) Innere Medizin. Herold Verlag 631
  2. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 1855
  3. Kasper D L et al. (2015) Harrisons Innere Medizin. Georg Thieme Verlag 2284
  4. Keller C K et al. (2010) Praxis der Nephrologie. Springer Verlag 45
  5. Kuhlmann U et al. (2015) Nephrologie: Pathophysiologie - Klinik – Nierenersatzverfahren. Thieme Verlag 61
  6. Schärer K et al. (2002) Pädiatrische Nephrologie. Springer Verlag 103 – 106
  7. Schuster W et al. (1996) Kinderradiologie 2: Bildgebende Diagnostik Springer Verlag 694
  8. Titieni A et al. (2018) Nephronophthise und assoziierte Ziliopathien. Medizinische Genetik (30) 461 – 468
  9. Speer C P et al. (2009) Pädiatrie. Springer Verlag 685
  10. Welsch U et al. (2018) Histologie: Zytologie, Histologie und mikroskopische Anatomie. Das Lehrbuch Elsevier Verlag 26
  11. Zalewski Isabella (2005) Phänotyp-Genotyp Korrelation für die Autosomal- Dominante Medullary Cystic Kidney Disease auf Chromosom 1q21. Inaugural – Dissertation zur Erlangung des Medizinischen Doktorgrades der Medizinischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau.

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