Morphin ein Alkaloid. Gehört zur Gruppe der stark wirkenden Opioide der Stufe III im WHO-Stufenschema (Klassifizierung der Schmerztherapie) und ist als Schmerzmittel bei starken und stärksten Schmerzen zugelassen. Seine Wirkung wird über Opioidrezeptoren vermittelt. Morphin ist mit seinem Anteil von etwa 10% der wichtigste Bestandteil des Opiums, dem getrockneten, milchigen Saft des Schlafmohns (Papaver somniferum). Morphin unterliegt betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften gemäß dem BTMG.
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Morphin
Definition
Pharmakodynamik (Wirkung)
Morphin bindet zentral an Opioidrezeptoren und wirkt auf diese agonistisch. Dadurch wird die Schmerzweiterleitung verhindert und das Schmerzempfinden des Patienten gesenkt. Im Vordergrund steht dabei die Aktivierung der μ-Rezeptoren. Zu κ-Rezeptoren hat Morphin eine geringere Affinität (Pacifici GM 2016).
Präsynaptisch führt Morphin über den Opioidrezeptor, G-Protein vermittelt, zu einer Abnahme des zellulären Calciumeinstroms und damit zur Hyperpolarisation.
Postsynaptisch erfolgt eine G-Protein-vermittelte Aktivierung von Kaliumkanälen mit nachfolgendem Kaliumausstrom. Der Kaliumausstrom führt ebenso zur Hyperpolarisation und effektiven Verhinderung einer Schmerzweiterleitung.
Morphin senkt geringgradig den Blutdruck und die Herzfrequenz.
Pharmakokinetik
Morphin ist in Form von Tabletten, Kapseln, Sirup, Suspension, Suppositorien, Tropfen oder als Injektion verordnungsfähig.
Nach oraler Gabe setzt die Wirkung nach etwa 30 bis 90 Minuten ein und hält für 4-6 Stunden an. Mit 20 bis 40% ist die absolute Bioverfügbarkeit nach oraler Gabe gering. Intramuskulär injiziert wirkt Morphin nach 15 bis 30 Minuten. Intravenös wirkt Morphin innerhalb weniger Minuten. Die Metabolisierung erfolgt in Leber und Darmepithel (bei oraler Gabe). Die wichtigsten Morphin-Metabolite sind Morphin-3-Glucuronid und Morphin-6-Glucuronid (Christrup LL 1997). Die Halbwertszeit liegt nach parenteraler bei 1,7 bis 4,5 Stunden. Morphin wird überwiegend renal ausgeschieden. Bei Niereninsuffizienz ist die Dosis anzupassen (Lee KA et al. 2016).
Schwangerschaft/Stillzeit
Morphin kann die Fertilität verringern.
Da Morphin die Plazentaschranke passiert, sollte das Pharmakon in der Schwangerschaft nur dann zum Einsatz kommen, wenn der Nutzen für die Mutter größer ist als das Risiko für das Kind. Nach der Entbindung sollte bei Kindern auf Entzugserscheinungen geachtet werden.
Morphin wirkt mutagen, daher sollten Patienten im zeugungs- und gebärfähigen Alter während der Therapie sicher verhüten. Da Morphin in die Muttermilch übergeht, sollte während der Therapie nicht gestillt werden.
Dosierung und Art der Anwendung
Die Dosierung von Medikamenten mit Morphin ist individuell an die Schmerzsituation angepasst zu dosieren (Pacifici GM 2016).
Intramuskulär oder subkutan: Erwachsene 10–30 mg, Kinder 0,05–0,1 mg/kg Körpergewicht.
Intravenös erhalten Erwachsene 5–10 mg, Kinder 0,05–0,1 mg/kg Körpergewicht.
Epidural erhalten Erwachsene 1–4 mg, Kinder 0,05–0,1 mg/kg Körpergewicht (jeweils verdünnt).
Intrathekal erhalten Erwachsene 0,5–1,0 mg, Kinder 0,02 mg/kg Körpergewicht (jeweils verdünnt).
Es sollte immer die kleinste schmerzlindernd wirksame Dosis verabreicht werden. Die Morphindosis sollte so gering wie nötig gehalten werden. Die Einzeldosen in Form von Injektionen können bei Bedarf 4-6 Stunden wiederholt werden.
Vorsicht vor Überdosierung – sie ist lebensgefährlich! Die Therapie sollte ausgeschlichen werden, da es sonst zu Entzugserscheinungen kommt.
Unerwünschte Wirkungen
Bei einer Therapie mit Morphin ist je nach Darreichungsform mit folgenden Nebenwirkungen in unterschiedlicher Häufigkeit zu rechnen:
Sehr häufig: Stimmungsveränderungen (Euphorie/Dysphorie)
Häufig: Kopfschmerzen, Schwindel, Dämpfung, Steigerung des Erregungszustands, Schlaflosigkeit, Veränderung der kognitiven und sensorischen Leistungsfähigkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit, Dyspepsie, Geschmacksveränderungen, Miktionsstörungen, HyperhidroseSelten: Erhöhung der Pankreasenzyme, Pankreatitis, Gallenkoliken, Nierenkoliken, Bronchospasmen, Entzugserscheinungen.
Sehr selten: Tremor, Muskelzucken, Krampfanfälle, neurologische Symptome wie Paresen, Atemhemmung (verspätet), Abhängigkeit, Verminderung der Libido, Potenzschwäche, verschwommenes Sehen, Doppeltsehen, Augenzittern, Darmverschluss, Bauchschmerzen, Erhöhung der Leberenzyme, Muskelkrämpfe, Muskelstarre, Dyspnoe, Asthenie, Unwohlsein, Schüttelfrost, Amenorrhö, Zahnveränderungen, Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion.
Gelegentlich: Veränderung von Blutdruck und Herzfrequenz.
Dermatologische UAWs: Unter Diamorphin (Heroin) einem halbsynthetischen Morphinderivat wurde ein ausgedehntes lichenoides Exanthem beschrieben. Weiterhin wird Juckreiz v.a. nach intrathekaler Applikation beschrieben (George RB et al. 2009). Epidural appliziertes Morphin, scheint mit der Reaktivierung von HSV bei geburtshilflichen Patientinnen in der postpartalen Periode assoziiert zu sein. Ein Zusammenhang zwischen HSV-Reaktivierung und epiduralem Fentanyl konnte nicht festgestellt werden (Crone LA et al. 1988). Weiterhin vereinzelt beschrieben sind Urtikaria, urtikarielle Exantheme, periphere Ödeme.
Wechselwirkungen
Wechselwirkungen zeigten Arzneimittel mit Morphin mit folgenden Wirkstoffen:
Anästhetika, Cimetidin, Hypnotika, Benzodiazepine, Antihistaminika/Antiemetika, Neuroleptika, Barbiturate, Antidepressiva, Psychopharmaka, andere Opioide, Parkinson-Medikamente, Tranquilizern, Muskelrelaxantien, MAO-Hemmern, Rifampicin.
Alkoholgenuss sollte während der Therapie mit Morphin vermieden werden (Verstärkung der Morphin-Nebenwirkungen wie Atemdepression und Sedierung).
Kontraindikation
Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff, Ileus, akutem Abdomen, Atemdepression, schweren chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen, Gerinnungsstörungen und Infektionen im Injektionsgebiet.
Eine besondere Überwachung oder Dosisreduktion ist erforderlich bei:
Opioidabhängigkeit, Bewusstseinsstörungen, Störungen der Atemfunktion, Cor pulmonale, erhöhtem Hirndruck ohne Beatmung, Hypotension, Prostatahyperplasie mit Restharnbildung, Harnwegsverengungen, Gallenwegserkrankungen, entzündlichen Darmerkrankungen, Phäochromozytom, Pankreatitis, Hypothyreose, Krampfanfällen/Epilepsie.
Hinweis(e)
Das psychotrope Morphin wird als Rauschmittel missbraucht und macht körperlich wie psychisch abhängig, weshalb es dem Betäubungsmittelgesetzt unterliegt.
Morphin kann das Reaktionsvermögen und die Aufmerksamkeit verändern. Gerade zu Beginn der Therapie oder bei Erhöhung der gewohnten Dosis sollten Patienten deshalb weder aktiv am Straßenverkehr teilnehmen noch gefährliche Maschinen bedienen.
Weitere Details zu Morphin s. jeweilige Fachinformationen.
Literatur
- Christrup LL (1997) Morphine metabolites. Acta Anaesthesiol Scand 41:116-122.
- Crone LA et al. (1988) Recurrent herpes simplex virus labialis and the use of epidural morphine in obstetric patients. Anesth Analg 67:318-323.
- George RB et al. (2009) Serotonin receptor antagonists for the prevention and treatment of pruritus, nausea, and vomiting in women undergoing cesarean delivery with intrathecal morphine: a systematic review and meta-analysis. Anesth Analg 109:174-182.
- Kolm I et al. (2013) Lichenoid Drug Eruption following Intravenous Application of Orally Formulated Diamorphine, a Semisynthetic Heroin. Case Rep Dermatol 5:176-180.
- Lee KA et al. (2016) Evidence for Neurotoxicity Due to Morphine or Hydromorphone Use in Renal Impairment: A Systematic Review. J Palliat Med 19:1179-1187.
- Pacifici GM (2016) Metabolism and pharmacokinetics of morphine in neonates: A review. Clinics (Sao Paulo) 71:474-80.
- Sverrisdóttir E et al. (2015) A review of morphine and morphine-6-glucuronide's pharmacokinetic-pharmacodynamic relationships in experimental and clinical pain. Eur J Pharm Sci 74:45-62.