IPEX-SyndromE31.0
Synonym(e)
Definition
Das IPEX-Syndrom ist eine, sehr seltenes, rezessive X-chromosomales, klinisch schwer verlaufendes polyorganisches Autoimmunsyndrom, das mit Mutationen im FOXP3-Gen assoziiert ist und sich durch v.a. durch schwere autoimmunolgisch induzierte Durchfälle im Säuglingsalter kennzeichnet. Die chronische Enteropathie ist kombiniert mit Diabetes mellitus Typ 1, einer pruriginösen psoriasiformen oder exfoliativen Dermatitis sowie weiteren Autoimmunphänomenen: Autoimmunologische Hypothyreose, autoimmunhämolytische Anämie, Thrombozytopenie, Lymphadenopathie, Hepatitis und Nephritis.
Vorkommen/Epidemiologie
Das IPEX-Syndrom betrifft vor allem männliche Personen.
Ätiopathogenese
Zugrunde liegen Mutationen im FOXp3-Gen, das auf Chromsom Xp11.23 lokalisiert ist. Das kodierende Gen „FOXP3-Gen“ ist X-chromosmal, beim Menschen im Genlokus Xp11.23 lokalisiert. Der von diesem Gen kodierte Transkriptionsfaktor FOXP3 gehört zu der Gruppe der „forkhead/winged-helix family of transcriptional regulators“. FOXP3 ist als Transkriptionsfaktor von zentraler Bedeutung in der Entwicklung regulatorischer T-Zellen und wird von CD4+/CD25+ regulatorischen T-Zellen exprimiert, die eine zentrale Rolle in der Aufrechterhaltung der Immunhomöostase spielen.
Manifestation
Klinisch treten in der Regel die erste enteritischen Symptom des IPEX-Syndroms in den ersten Lebensmonaten auf. Sie können dazu führen, dass die Säuglinge nicht an Gewicht zunehmen (Gedeihstörungen).
Klinisches Bild
Erstsymptomatisch zeigt sich eine schwere autoimmune Enteropathie mit therapierefraktärer sekretorischer Diarrhoe, die zu Malabsorption, Elektrolytstörungen und Entwicklungsstörungen führt. Weitere Symptome sind Erbrechen, Ileus, Gastritis oder Colitis. Weitere autoimmune Endokrinopathien zeigen sich mit Diabetes mellitus Typ 1 und/oder Thyreoiditis (Hypo- oder Hyperthyreose). An der Haut besteht eine generalisierte pruriginöse Dermatitis, die teils lichenoid, teils psoriasiform oder einer atopischen Dermatitis gleichend auftritt.Weiterhin beschrieben wurde eine erythrodermische exfoliative Dermatitis. Seltener kommt es zur Alopezie oder Onychodystrophie.
Weiterhin finden sich: Pneumonitis, Hepatitis, Nephritis, Myositis, Splenomegalie und Lymphadenopathie, hämatologische Symptome wie Thrombozytopenie, hämolytische Anämie oder Neutropenie.
Therapie
Unbehandelt endet die Krankheit oft tödlich. Knochenmarktransplantationen sind eine wichtige therapeutische Option. Satake et al. 1993 berichteten über die erfolgreiche Behandlung der Autoimmunenteropathie mit Cyclosporin A (CSA). In der von beschriebenen japanischen Familie wurde einer der drei betroffenen Männer nach der Anwendung von CSA gesund, obwohl er die gleichen Symptome wie die anderen zeigte und zirkulierende IgG-Antikörper gegen Enterozyten hatte.
Verlauf/Prognose
Die Erkrankung kann vor dem Alter von 2 Jahren tödlich verlaufen, wenn sie nicht aggressiv behandelt wird. Zu den langfristigen Therapieoptionen gehören Immunsuppression und hämatopoetische Stammzelltransplantation (Übersicht von d'Hennezel et al., 2012).
Hinweis(e)
Im Zusammenhang mit dem IPEX-Syndrom wird der Begriff Polyendokrinopathie verwendet, da die Betroffenen mehrere autoimmunologische Störungen der endokrinen Drüsen entwickeln können. Diabetes mellitus, Typ 1 ist eine Autoimmunerkrankung der Bauchspeicheldrüse und ist die häufigste endokrine Störung bei Menschen mit IPEX-Syndrom.
Fallbericht(e)
Powell et al. (1982) beschrieben in einer großen Verwandtschaft, ein polyautoimmunologisches Syndrom mit chronischer Diarrhoe, Dermatitis, hämolytischer Anämie, Diabetes mellitus oder Schilddrüsenautoimmunität. Es wurde eine hohe Anfälligkeit für Virusinfektionen festgestellt. Nur 2 der 8 Patienten überlebten das erste Jahrzehnt. Der Tod im Säuglings- oder frühen Kindesalter trat infektbedingt bei 11 männlichen Familienmitgliedern auf (auch nach Impfungen). Lab.: B-Zell-Funktionen, Anzahl der T-Zellen, Chemotaxis und die Komplementkonzentrationen waren normal.
Satake et al. (1993) beschrieben eine japanische Familie, in der zwei Brüder und ihr Onkel mütterlicherseits an einer vermutlich X-chromosomalen Autoimmunenteropathie mit hämolytischer Anämie und Polyendokrinopathie litten. Zwei der Jungen starben an schweren Durchfällen, die von einer totalen oder subtotalen Darmzottenatrophie begleitet waren. Der dritte betroffene Junge wies die gleichen Symptome auf und hatte zirkulierende IgG-Antikörper gegen Enterozyten. Nach Verabreichung von Cyclosporin A wurde er gesund.
Peake et al. (1996) berichteten über die Fälle von vier verwandten männlichen Säuglingen, die sich mit neonatalem Diabetes mellitus, Immundysregulation mit extrem hohen Konzentrationen von Immunglobulin E und hartnäckigem Durchfall vorstellten. Alle Säuglinge stammten aus einer Familie, und alle starben. Sie hatten eine schwere exfoliative Dermatitis sowie häufige Infektionen. Der Diabetes war insulinabhängig und sehr schwer einzustellen. Die Nekropsie ergab eine Agenesie der Langerhans-Inseln, ein normales exokrines Pankreas, einen normalen Dünndarm, eine generalisierte leichte bis mittelschwere lymphatische Hyperplasie und eine geringgradige, unspezifische Hepatitis. Ein zweites Kind verstarb im Alter von 19 Monaten an einer Sepsis. Ein dritter Junge starb im Alter von 10 Wochen.
Meyer et al. (1970) beschrieben zwei Brüder mit fehlende Inselzellen, neonatalen IDDM, Durchfall und Gedeihstörungen. Ein Bruder litt unter zahlreichen Infektionen (u. a. Pilzinfektionen, Oberschenkelabszess und Otitis media) und starb im Alter von 4 Monaten; der andere starb im Alter von 32 Tagen, ebenfalls an einer Infektion. Die Mutter hatte 10 Brüder, die im Säuglingsalter aus unbekannten Gründen starben, und eine gesunde Schwester. Klinisch ähnelten die Symptomatologie dem Omenn-Syndrom (603554), doch findet sich bei diesem Syndrom kein Diabetes.
Goulet et al. (1998) untersuchten die klinischen und histopathologischen Merkmale von 47 Säuglingen mit hartnäckiger Diarrhöe und Zottenatrophie unterschiedlichen Ausmaßes und teilten sie in zwei Gruppen ein: mit oder ohne Infiltration der Lamina propria mit mononukleären Zellen. Von den 24 Patienten mit Infiltration der Lamina propria wiesen 12 extraintestinale Manifestationen der Autoimmunität auf, darunter Arthritis, Diabetes, nephrotisches Syndrom, Dermatitis, Anämie, Thrombozytopenie; sie neigten zu einem späteren Beginn der Diarrhö (Median, 5 Monate) mit größeren Volumina.
Roberts und Searle (1995) und Di Rocco und Marta (1996) beschrieben mehrere Patienten mit multiplen Autoimmunphänomenen und immunologische Anomalien innerhalb der ersten 6 Lebensmonate. Die meisten starben innerhalb des ersten Lebensjahres. Die immunologischen Anomalien waren sehr unterschiedlich, doch wurden bei mehreren Patienten eine intermittierende Eosinophilie und erhöhte IgE-Werte dokumentiert.
Ferguson et al. (2000) identifizierten eine Familie mit einer ähnlichen X-chromosomalen Störung, die durch Autoimmunität und variable Immunschwäche gekennzeichnet ist. Die betroffenen Männer entwickelten eine Autoimmunendokrinopathie (Diabetes mellitus Typ I und/oder Hypothyreose), eine durch Zottenatrophie gekennzeichnete Enteropathie, chronische Dermatitis und variable Immunschwäche. Nur 1 betroffener männlicher Patient überlebte das Alter von 2 Jahren.
Gambineri et al. (2008) berichteten über die klinischen Merkmale von 14 nicht verwandten männlichen Patienten mit genetisch bestätigtem IPEX-Syndrom. Bei allen Patienten traten im ersten Lebensjahr Symptome auf, hauptsächlich schwere wässrige Durchfälle aufgrund von Enteropathie und/oder Hyperglykämie oder Ketoazidose aufgrund von Diabetes mellitus. Ausgeprägte dermatitische Erscheinungen traten häufig auf. Weniger häufig traten Schilddrüsenerkrankungen (3 Patienten), hämolytische Anämie (3 Patienten), Thrombozytopenie (2 Patienten) und Hepatitis (3 Patienten) auf. Immunologische Untersuchungen vor der immunsuppressiven Behandlung zeigten normale Leukozytenzahlen und normale Immunglobulinwerte, außer bei einem Patienten, der einen intestinalen Proteinverlust hatte. Die meisten Patienten wiesen ein erhöhtes Serum-IgE und eine Eosinophilie auf, und viele hatten trotz der immunsuppressiven Therapie Autoantikörper im Serum. Der Schweregrad war unterschiedlich: 3 Patienten mit Nullmutationen oder Mutationen in funktionellen Domänen hatten eine schwere Form der Erkrankung, während Patienten mit Spleißmutationen eine weniger schwere Form aufwiesen. Es bestand jedoch keine Korrelation zwischen der Expression des FOXP3-Proteins und dem Schweregrad der Erkrankung, da nicht-funktionelle mutierte Proteine in normalen Mengen exprimiert wurden.
Literatur
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