Immunologisches Gedächtnis

Autor:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 23.08.2024

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Synonym(e)

Immungedächtnis; Immunological memory

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Definition

Als immunologisches Gedächtnis wird eine spezifische Erinnerungsfunktion des Immunsystems bezeichnet. Vereinfacht ausgedrückt, versetzt das erworbene Immungedächtnis den Organismus in die Lage durch verschiedene immunologische Reaktionen die sich bei der primären Immunantwort organisieren, eine sekundäre Immunantwort auszubilden (Netea MG et al. 2017). Hierbei erfahren die beteiligten Zellen auch epigenetische Veränderungen (Kondilis-Mangum HD et al. 2013). Das Immunsystem reagiert somit flexibel und dynamisch auf Antigene der Umwelt, behält seine Erinnerung an frühere Antigene und ruft die erworbene Memoryfunktion bei Bedarf ab.

Allgemeine Information

Der erste geeignete Kontakt mit einem Pathogen (Allergen) löst im Organismus eine primäre Immunantwort aus. Bei einem Zweitkontakt mit dem selben Antigen ist das Immunsystem jetzt auf Grund seiner Memoryfunktion in der Lage stärker und schneller zu reagieren als beim Erstkontakt, oft auch mit geringer oder sogar fehlender Alarmierung durch Gefahrensignale.

Als Erklärung für die Existenz und Funktion des immunologischen Gedächtnisses werden im Allgemeinen 2 Mechanismen angeführt:

  • das Antigen persistiert nach einer Immunantwort im Organismus, und stellt einen dauernden immunologischen Stimulus dar
  • der Antigenkontakt führt zur Ausbildung langlebiger Gedächtniszellen, die bei einem Zweitkontakt mit dem Antigen zu Effektorzellen werden.

So ist beispielsweise bekannt, daß Immunisierungen (z.B. bei Impfungen) gegen manche Pathogene (Allergene) nur einmal während eines Lebens erforderlich sind. Bei anderen Pathogenen (Allergenen) hingegen sind Impfauffrischungen (Erinnerungsreaktionen) notwendig.

Für das kürzere immunologische Gedächtnis scheint die Persistenz des Antigens in Lymphknoten wichtig zu sein (Affinitätsreifung). Dort ist das Antigen in den Lymphfollikeln durch die follikulären dendritischen Zellen in Antigen-Antikörper-Komplexen (Immunkomplexe) eingebunden. Aus diesen Immunkomplexen wird das  Antigen langsam freigegeben und bildet so einen permanenten Stimulus für das Immunsystem.

Für das längere immunologische Gedächtnis scheint v.a. der spezielle Mechanismus der Antigen-Präsentation (immunologische Synapse) während einer Stimulierung von naiven T-Zellen eine Rolle zu spielen (Vukmanovic-Stejic M et al. 2006). Eine naive T-Zelle ist eine ruhende T-Zelle, die noch keinen Antigen-Kontakt hatte und damit kein immunologisches Gedächtnis besitzt (Quintin J et al. 2014). Auf ihrer Zellmembranoberfläche befinden sich einzeln verteilt etwa 25.000 TCR (T-Zell-Rezeptoren). Für den Akt der Sensibilisierung ist eine enge Kommunikation zwischen einer Antigen-präsentierende Zelle (APZ) und dem T-Lymphozyten notwendig. Die APZ präsentiert auf den MHC-Molekülen der Klasse I der T-Zelle Antigenfragmente, die sie zur Teilung anregt.

In den durch den Antigenerstkontakt gebildeten Gedächtnis-T -Zellen kommt es nun zu einer Vorgruppierung der gleichen T-Zell-Rezeptoren zu mehreren Clustern. Träfe ein Antigen auf eine naive T-Zelle, so würde nur ein einziger TCR stimuliert werden. Für eine Immunantwort reicht diese Stimulation jedoch nicht aus um den kritischen Schwellenwert zu überschreiten, der für eine spezifische Immunreaktion notwendig ist. Es war nachweisbar, dass es in Gedächtniszellen zu einer Aneinanderlagerung der TCRs zu Nanoclustern kommt (Beck-García K et al. 2015). Ein einziges Antigen genügt nunmehr um den gesamten Cluster zu stimulieren. Somit kann die Konzentration des Allergens vergleichsweise niedrig sein um eine spezifische Immunantwort zu induzieren. Bemerkenswert ist, dass der Grad des TCR-Nanoclusterings und damit der Sensitivität der T-Zellen, durch die Membranlipidzusammensetzung der Zelloberfläche sowie durch LDL Cholesterol des Serums beeinflusst wird. Extrahiert man Cholesterin aus den Zellen so zerfällt der Cluster wieder in einzelne Rezeptoren. Die Zellen verlieren ihre hohe Sensitivität (Christ A et al. 2016)

Weiterhin ist eine Besonderheit zu beachten und zwar die geringe Spezifität der MHC-Moleküle. Diese Besonderheit führt dazu, daß nicht nur das immunisierende Antigen oder dessen Fragmente erkannt und präsentiert werden, sondern auch Antigenfragmente, die mit dem ursprünglichen Antigen keine direkte Sequenzhomologie aufweisen. So kann experimentell eine Immunantwort gegen ein definiertes Allergen (z.B. Virus 1) durch die Immunisierung mit einem anderen immunologisch heterogenen Antigen (z.B. Virus 2) hervorgerufen werden, obwohl die beiden Antigene immunologisch nicht miteinander kreuzreagieren (Vatti AJ et al. 2017).

Darüber hinaus können T-Gedächtniszellen mit B-Zellen direkt und deshalb auch mit seltenen Antigenen reagieren, weil diese durch das Immunoglobulin der B-Zellen gleichsam „gesammelt“ und auf der Oberfläche der B-Zellen präsentiert werden.

Weiterhin konnte in den letzten Jahren die Existenz langlebiger zytotoxischer T-Lymphozyten belegt werden, die noch Jahre nach dem Erstkontakt nachweisbar waren. Es konnte weiterhin belegt werden, daß auch andere Antigen-spezifische Lymphozytentypen wie z.B. CD4+T-Lymphozyten, reife B-Lymphozyten sowie Plasmazellen jahrelang im Organismus überdauern. Auch diese Zellen stellen ein Teil des immunologischen Gedächtnisses dar.

Hinweis(e)

Das immunologische Gedächtnis wird in Form der Impfung oder der Immunisierung erfolgreich genutzt. Umgekehrt wird nach einer allergenspezifischen Immuntherapie die neu etablierte Toleranzentwicklung des Immunsystems ebenfalls als Gedächtnisantwort interpretiert. Von besonderer klinischer Bedeutung sind diese Gedächtnisantworten bei einer Kontaktallergie oder bei Autoimmunerkrankungen.

Literatur

  1. Beck-García K et al. (2015) Nanoclusters of the resting T cell antigen receptor (TCR) localize to non-raft domains. Biochim Biophys Acta 1853:802-809.
  2. Christ A et al. (2016) Long-term activation of the innate immune system in atherosclerosis. Semin Immunol 28:384-393.
  3. Quintin J et al. (2014) Innate immune memory: towards  a better understanding of host defense mechnisms. Curr Opin Immunol 29:1-7.
  4. Kondilis-Mangum HD et al. (2013) Epigenetics and the adaptive immune response. Mol Aspects Med 34:813-825.
  5. Netea MG et al. (2017) Trained Immunity: An Ancient Way of Remembering. Cell Host Microbe 21:297-300.
  6. Vatti AJ et al.(2017) Original antigenic sin: A comprehensive review. Autoimmun 83:12-21.
  7. Vukmanovic-Stejic M et al. (2006) Mantoux Test as a model for a secondary immune response in humans. Immunol Lett 107:93-101.

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Zuletzt aktualisiert am: 23.08.2024