Fluorouracil

Autoren:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 23.08.2024

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Synonym(e)

5-Fluor-1,2,3,4-tetrahydropyrimidin-2,4-dion; 5-Fluorouracil; 5-Fluoruracil; 5-FU; CAS-Nummer: 51-21-8

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Definition

Fluorouracil, ein sog. Pyrimidinanalogum, mit der Summenformel: C4H3FN2O2 , ist eine heterocyclische organische Verbindung die als Derivat der Nukleinbase Uracil aufzufassen ist (Uracil ist eine der vier wichtigsten Nukleinbasen in der RNA, zusammen mit Adenin, Cytosin und Guanin). Pyrimidinanaloga gehören zu der großen Gruppe der nicht-selektiven zytotoxischen Chemotherapeutika. Darunter versteht man Substanzen aus verschiedenen Wirkstoffklassen, die eine antineoplastische Wirkung besitzen. Die mittlere Halbwertszeit von 5-Fluorouracil liegt bei ca. 0.25 h.

Pharmakodynamik (Wirkung)

5-FU wird als falscher Baustein (Antimetabolit) aufgrund der Strukturähnlichkeit mit den Pyrimidinbasen Cytosin und Thymin (DNA-Nukleotide) beziehungsweise Uracil (RNA-Nukleotid) in die RNA bzw. DNA eingebaut. Im Einzelnen wandelt das Enzym UMP-Pyrophosphorylase  5-Fluoruracil in 5-Fluor-UMP um. 5-Fluor-UMP wird  weiter zu 5-Fluor-UTP phosphoryliert und dann in die RNA eingebaut wird. Dieses bewirkt die Synthese einer fehlerhaften RNA. Die Protein-Biosynthese wird gehemmt. Weiterhin hemmt 5-Fluor-dUMP auch die Thymidylat-Synthase. Diese Mechanismen führen zu einer Störung der DNA-Synthese und letztlich zu einer Inhibition der Zellteilung.

5-Fluorouracil wird über das Enzym Dihydropyrimidindehydrogenase abgebaut. Deshalb darf es nicht gleichzeitig mit den Nukleosid-Analoga Brivudin und Sorivudin eingenommen werden. Dies könnte zu einer Erhöhung der Plasmakonzentration von Fluorouracil und damit einhergehende Zunahme der Toxizität führen

Indikation

Fluorouracil wird zur Behandlung verschiedener Tumorarten (v.a. beim kolorektalen Karzinom und bei Brustkrebs) sowie bei bestimmten Präkanzerosen und Non-Melanoma-Malignome (z.B. beim Basalzellkarzinom) der Haut eingesetzt. In Wirkstoffkombination mit Salicylsäure dient 5-Fluoruracil auch zur lokalen Behandlung von vulgären Warzen.

Schwangerschaft/Stillzeit

5-Fluorouracil kann erbgutschädigend wirken!

5-Fluorouracil darf während der Schwangerschaft und Stillzeit nicht angewendet werden. Frauen im gebärfähigen Alter sollten während der Chemotherapie und bis zu 6 Monaten danach für eine wirksame Empfängnisverhütung sorgen. 5-Fluorouracil kann erbgutschädigend wirken. Männern, die mit 5-Fluorouracil behandelt werden, wird daher empfohlen, während der Behandlung sowie bis zu 6 Monaten danach kein Kind zu zeugen.

Während der Behandlung darf nicht gestillt werden.

Dosierung und Art der Anwendung

Als Monochemotherapie oder im Rahmen einer Polychemotherapie in Tageseinzeldosen von 370 – 600 mg/m2 Körperoberfläche (KOF) als i.v.-Bolusinjektion bzw. von 200 – 750 mg/m2 KOF als i.v.-Dauerinfusion.

fortgeschrittenes Magenkarzinom: Als Monochemotherapie oder im Rahmen einer Polychemotherapie in Tageseinzeldosen von 500 – 600 mg/m2 KOF als i.v.-Bolusinjektion.

fortgeschrittenes Pankreaskarzinom: Als Monochemotherapie in Tageseinzeldosen von 400 – 500 mg/m2 KOF als i.v.-Bolusinjektion bzw. von 1.000 mg/m2 KOF als i.v.-Dauerinfusion.

metastasiertes Mammakarzinom: Im Rahmen einer Polychemotherapie in Tageseinzeldosen von 500 – 600 mg/m2 KOF i.v. angewendet (z. B. CMF, FAC).

Dermatologische Anwendungen: s. u. Fluorouracil/Dermatologie

Unerwünschte Wirkungen

Blut und blutbildendes System

  • Eine Myelosuppression tritt häufig auf und ist eine der dosislimitierenden Nebenwirkungen
  • Neutropenien und Thrombozytopenien leichten bis schwersten Grades, Agranulozytose, Anämie und Panzytopenie wurden beschrieben.
  • Das Ausmaß (NCI-Grad I-IV) der Myelosuppression ist abhängig von der Applikationsart (i.v.-Bolusinjektion oder i.v.-Dauerinfusion) und der Dosierung. Eine Neutropenie tritt nach jedem Behandlungskurs mit i.v.-Bolusinjektionen bei adäquater Dosierung auf (Nadir: 9. – 14. – 20. Behandlungstag,

Verdauungstrakt:

  • Gastrointestinale UAW (häufig): Mukositis (Stomatitis, Ösophagitis, Proktitis), wässrige Diarrhoe, Übelkeit und Erbrechen leichten bis schwersten Grades und steinlose Cholezystitis wurden beschrieben
  • Der Schweregrad (NCI-Grad I-IV) gastrointestinaler Nebenwirkungen ist abhängig von der Dosierung und der Applikationsart. Bei i.v.-Dauerinfusion erweist sich eher die Stomatitis als die Myelosuppression als dosislimitierend.
  • Dehydratation, Sepsis sowie Ulzerationen und Blutungen im Magen-Darm-Bereich werden selten beobachtet.
  • Selten sind Leberzellschädigungen, in Einzelfällen Lebernekrosen mit letalem Verlauf.

Immunologische UAW:

  • Anaphylaktische Reaktionen: Generalisierte allergische Reaktionen bis zum anaphylaktischen Schock können auftreten.

Kardiovaskuläre UAW:

  • Kardiotoxische Nebenwirkungen treten meist während oder wenigen Stunden nach dem ersten Anwendungszyklus auf. Im EKG zeigen sich häufig ischämietypische Veränderungen. Angina pectoris-ähnliche Brustschmerzen treten gelegentlich auf. Seltener wurden Rhythmusstörungen, Myokardinfarkt, Myokarditis, Herzinsuffizienz, dilative Kardiomyopathie und kardiogener Schock sowie in Einzelfällen Herzstillstand und plötzlicher Herztod beobachtet. Für Patienten mit vorbestehender koronarer Herzkrankheit oder Kardiomyopathie besteht ein erhöhtes Risiko, kardiotoxische Nebenwirkungen zu entwickeln. Selten ist das Auftreten von Thrombophlebitiden

Nervensystem und Sinnesorgane:

  • Nystagmus, Kopfschmerzen, Schwindel,
  • Parkinson-Symptome, Pyramidenbahnzeichen und Euphorie können selten auftreten.
  • In Einzelfällen können nach Infusion hoher 5-Fluorouracil-Dosen bzw. bei Patienten mit Dihydropyrimidindehydrogenase-Mangel (Leuko-) Enzephalopathien mit Symptomen wie Ataxie, Sprachstörungen, Verwirrtheit, Orientierungsstörungen, Muskelschwäche, Aphasie, Krampfanfälle oder Koma auftreten.

Ophthalmologische UAW:

  • Übermäßiger Tränenfluß, verschwommenes Sehen, Störungen der Augenmotilität, Optikusneuritis,
  • Diplopie, Visusminderung, Photophobie, Konjunktivitis, Blepharitis, narbenbedingtes
  • Ektropium und Fibrosen des Tränenkanals können selten auftreten.

Haut- und Hautanhangsgebilde:

  • Das sogenannte ,,Hand-Fuß-Syndrom‘‘ (hand-foot-syndrome) mit Dysästhesien sowie Rötung, Schwellung, Schmerzen und Abschuppung der Haut an Handflächen und Fußsohlen tritt nach i.v.-Dauerinfusion häufiger als nach i.v.-Bolusinjektionen auf.

Kontraindikation

5-Fluorouracil darf nicht angewendet werden:

  • bei Überempfindlichkeit gegen 5-Fluorouracil oder einen der sonstigen Bestandteile
  • bei Knochenmarkdepression
  • bei schweren Blutbildveränderungen
  • bei schweren Leberfunktionsstörungen
  • bei akuten Infektionen
  • bei Patienten in schlechtem Allgemeinzustand

Hinweis: 5-Fluorouracil (5-FU) darf nicht zusammen mit Brivudin, Sorivudin und Analoga eingenommen bzw. angewendet werden. Brivudin, Sorivudin und Analoga sind potente Hemmstoffe des 5-FU-abbauenden Enzyms Dihydropyrimidindehydrogenase (DPD).

Präparate

Fluorouracil-GRY® 50 mg/ml Injektionslöung; Lokaltherapeutika: Verrumal® Emra Lösung; Efudix® 5 % Creme;  Actikerall® 5 mg/g + 100 mg/g Lösung zur Anwendung auf der Haut.

Hinweis(e)

Cave: Patienten mit partiellem oder vollständigem Dihydropyrimidin-Dehydrogenase-Mangel (DPD-Mangel) haben bei der Behandlung mit Fluoropyrimidinen darunter 5-Fluorouracil (5-FU) und seine Prodrugs Capecitabin und Tegafur ein erhöhtes Risiko für eine schwere Toxizität. Folgende Hinweise sind deshalb zu beachten: Vor Beginn der Behandlung mit Fluoropyrimidinen sollte der Phänotyp und/oder Genotyp bestimmt werden.

Die Behandlung mit 5-FU-, Capecitabin- oder Tegafur-haltigen Arzneimitteln ist bei Patienten mit bekanntem vollständigem DPD-Mangel kontraindiziert.

Bei Patienten mit identifiziertem partiellem DPD-Mangel ist eine reduzierte Anfangsdosis in Betracht zu ziehen.

Bei Patienten, die kontinuierliche 5-Fluorouracil-Infusionen erhalten, kann die therapeutische Arzneimittelüberwachung (Therapeutic Drug Monitoring, TDM) von 5-Fluorouracil die klinischen Ergebnisse verbessern.

Literatur

  1. Diasio RB et al. (1989) Clinical pharmacology of 5-fluorouracil. Clin Pharmacokinet 16:215-237.
  2. Freeman NJ et al. (1088) 5-Fluorouracil-associated cardiotoxicity. Cancer 61:36-45.
  3. Lemaitre F et al. (2018) Suivi thérapeutique pharmacologique du 5-fluorouracile : mise au point et recommandations du groupe STP-PT de la SFPT et du GPCO-Unicancer [5-fluorouracil therapeutic drug monitoring: Update and recommendations of the STP-PT group of the SFPT and the GPCO-Unicancer]. Bull Cancer 105:790-803.

 

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