Eosinophile Myokarditis I42.3
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Die erste Beschreibung einer eosinophilen Myokarditis stammt aus dem Jahre 1898 aus einer Obduktionsbeobachtung von Freund. Hierbei fanden sich neben einer ausgedehnten Thrombose in beiden Ventrikeln u. a. reichlich eosinophile Granulozyten (Hort 2000).
Wilhelm Löffler (1887 – 1972) beschrieb 1935 erstmals eine durch eine eosinophile Infiltration in myokardiales Gewebe hervorgerufene Erkrankung. Eine Korrelation zwischen Eosinophilen und Herzerkrankung ist äußerst selten (Zhong 2021). Es handelte sich bei seiner Beschreibung um eine Endokarditis, die pathologisch gekennzeichnet war durch eosinophile Infiltrationen der Endokardzellen mit Bildung einer Myokardfibrose (Zhong 2021). Das Krankheitsbild wurde nach ihm benannt als sog.“Löffler Endokarditis“ (Zhong 2021).
Definition
Unter einer eosinophilen Myokarditis (EM) versteht man eine akut lebensbedrohliche (Brambatti 2017) entzündliche Form der Kardiomyopathie, die gekennzeichnet ist durch eosinophile Infiltrationen in myokardiales Gewebe (Zhong 2021).
Einteilung
Die EM stellt die wichtigste Manifestation des hypereosinophilen Syndroms dar (Kasper 2015). Sie zählt zu den nicht- infektiösen Formen einer Myokarditis (Herold 2022).
Eine EM verläuft in verschiedenen Stadien:
- 1. Stadium:
Eosinophile Infiltration des Herzens mit anschließender myokardialer Nekrose.
- 2. Stadium:
Das sog. thrombotische Stadium. Es finden sich hierbei erhöhte Spiegel an zirkulierendem Thrombin. Die eosinophilen kationischen Proteine verbinden sich dabei mit dem anionischen Thrombomodulin.
- 3. Stadium:
Im 3. und letzten Stadium findet sich eine fibrotische Narbenbildung (Kutschynka 2016).
Vorkommen/Epidemiologie
In westlichen Ländern tritt das hypereosinophile Syndrom i. d. R. idiopathisch auf. In Mittelmeerländern und in Afrika hingegen ist es wahrscheinlich eher Folge einer vorangegangenen Infektion (Kasper 2015).
Die EM stellt eine selten vorkommende Form der Myokarditis dar (Brambatti 2917). Die genaue Inzidenzrate ist jedoch auf Grund der klinischen Einschränkungen einer Endomyokardbiopsie nur schwer zu bestimmen (Zhong 2021).
Bei einer Studie von Brambatti (2017), die 179 Patienten mit histologisch gesicherter EM umfasste, lag das Durchschnittsalter bei 41 Jahren, eine Geschlechterpräferenz war nicht ersichtlich, Komorbiditäten bestanden bei 168 der 179 Patienten.
Bei Autopsien junger Menschen, die an einem plötzlichen Herztod verstorben waren, zeigte sich bei 2 – 42 % eine Myokarditis, bei Kindern mit dilatativer Kardiomyopathie waren es 46 % , bei Erwachsenen mit nicht- ischämischer dilatativer Kardiomyopathie 9 – 16 % (Zhong 2021).
Ätiopathogenese
Die Ätiologie der EM ist heterogen (Kutschynka 2016).
Es finden sich drei Hauptgruppen, die eine EM verursachen können:
- 1. Infektion (häufigste Ursache)
- 2. Autoimmunität
- 3. kardiotoxische Substanzen (Zhong 2021)
zu 1. Infektion wie z. B.:
- Coxsackie- B- Infektion (Zhong 2021)
- parasitäre Infektionen mit z. B.
- Toxocara canis und cati (Hunde- bzw. Katzenspulwürmer) (Zhong 2021)
- Toxoplasma gondii
- Echinococcus spp.
- Trichinella spiralis (Kutschynka 2016)
zu 2. Autoimmunerkrankungen wie z. B.:
- Allergische Granulomatose mit Polyangiitis (früher: Churg-Strauss-Syndrom gennant) (Kasper 2015)
zu 3. Kardiotoxische Substanzen wie z. B.:
- chronisch eingenommene Antibiotika (häufigste Ursache) insbesondere Sulfonamide, Penicillin, Tetracyclin, Streptomycin (Roskamm 1999)
- Thiazide
- Antikonvulsiva
- Indometacin
- Methyldopa (Kasper 201%)
- Amphotericin B
- Antipsychotika wie z. B. Clozapin
- Angiotensin- Converting- Enzym- Hemmer (ACE- Hemmer) wie z. B. Captopril, Enalapril
- Inotropika wie z. B. Digoxin, Dobutamin (Kutschynka 2016)
- im Rahmen maligner Erkrankungen (Kasper 2015) wie z. B. Lungenkarzinom, gastrointestinale Tumoren, urogenitale Tumoren, T- Zell- und Hodgkin- Lymphomen, Leukämie etc. (Kutschynka 2016)
Es gibt inzwischen Hinweise darauf, dass bestimmte Genprodukte wie z. B. ein fehlendes Interferon-Gamma (IFNγ) als auch IL-17A eine Rolle spielen (Zhong 2021).
Pathophysiologie
Bei einer EM kann es zu einer direkten Schädigung durch Eosinophile kommen, bei der toxische Substanzen freigesetzt werden und die endogene Gerinnung aktiviert wird. Wahrscheinlich kommt es außerdem zu einer Aktivierung des Autoimmunsystems (Zhong 2021).
Allerdings korreliert die Schwere der Herzschädigung nicht mit dem Grad der Eosinophilen im peripheren Blut (Zhong 2021).
Als Folge einer EM kann es zu einem Myokardödem, Hyperämie, Kapillarleckage, fibrösen Narbenbildungen und Zellnekrosen kommen (Zhong 2021).
Klinisches Bild
Das klinische Bild reicht von asymptomatischen Fällen bis hin zu lebensbedrohlichen Zuständen mit kardiogenem Schock oder plötzlichem Herztod (Kutschynka 2016).
Am häufigsten finden sich Symptome wie z. B.:
- Dyspnoe (bei 59,4 %)
- periphere Eosinophilie (bei 75,9 %)
- Fieber 26,7 % (Brambatti 2017)
- Palpitationen
- kardiogener Schock in schweren Fällen möglich
Insgesamt findet sich meistens ein eher unspezifisches Krankheitsbild mit überwiegend thorakalen Schmerzen und Engegefühl (Zhong 2021).
Diagnostik
Die Diagnose der selten vorkommenden EM stellt auch heutzutage noch eine Herausforderung dar (Kandolf 2011).
Richtlinien zur Diagnostik einer EM sind:
- 1. Veränderungen wie z. B.:
- Symptome wie thorakale Schmerzen, Dyspnoe und Palpitationen
- laborchemische Veränderungen wie z. B.:
- CK- MB- Erhöhung
- Eosinophilie > 500 µl
- Troponin- T- Erhöhung
- Veränderungen im EKG
- sonographisch darstellbare transiente Hypertrophie oder Asynergie der Wandbewegung im linken Ventrikel
- 2. anamnestische Angaben:
- Vorkommen allergischer Erkrankungen wie z. B. Asthma bronchiale, Rhinitis allergica oder Urtikaria (findet sich bei ca. 33 %)
- vor Beginn der EM Auftreten einer gewöhnlichen Erkältung (findet sich bei ca. 66 %)
- 3. Endomyokard- Biopsie:
Die Endomyokardbiopsie stellt zwar den Goldstandard einer Myokarditis dar (Zhong 2021), sie hat aber eine sehr begrenzte Sensitivität (bei der Entnahme von 10 Biopsien waren lediglich bei 37 % der Erkrankten positiv, da die Veränderungen i. d. R. nur fokal vorhanden sind [Pinger 2019]). Schwimmbeck (2015) sieht, in Bezug auf die AHA- Guidelines (American Heart Association), die Indikation zur Myokardbiopsie bei einer bestehenden dilatativen Herzinsuffizienz, bei der eine allergische Reaktion oder eine Hypereosinophilie vermutet wird (Empfehlungsklasse IIa, Evidenzgrad C).
Bildgebung
- Ödem der Ventrikelwand
- Perikarderguss (findet sich bei 32 – 57 % der Patienten mit EM [Zhong 2021])
- Thrombus (bei 13,7 % [Brambatti 2017])
Koronarangiographie
Die EM lässt sich zwar nicht durch eine Koronarangiographie diagnostizieren, diese Untersuchung ist aber wegen der ST- Streckenveränderungen, Troponinanstieg und thorakalen Schmerzen oftmals zum differentialdiagnostischem Ausschluss erforderlich (Zhong 2021).Bei der Untersuchung von Brambatti (2017) fand sich angiographisch bei 0,9 % eine koronare Herzerkrankung.
Kardiale Magnetresonanztomographie (CMR)
Die CMR stellt derzeit den Goldstandard der nicht- invasiven Untersuchungen dar (Kutschynka 2016). Zur Standardisierung der Untersuchungsmethoden und zum Vergleich der myokardialen Veränderungen wurden deshalb erstmals 2009 die sog. Lake- Louise- Kriterien erstellt. Im Dezember 2018 erfolgte eine Revision dieser Kriterien. Dabei wurde das Late Ga dolinium Enhancement als Einzelfaktor verlassen (s. a. w. u. [Maintz 2019]).
Im Kardio- MRT lassen sich im Fall einer Myokarditis nachweisen:
- 1. Ödem:
In der T2- Wichtung zeigen sich entzündete Areale in der fettgesättigten T2- Wichtung hyperintens (Ödem); eine Ratio > 1,9 gilt als pathologisch und stellt einen Hinweis auf ein Myokardödem dar (Niebauer 2015)
- 2. Early Gadolinium Enhancement:
Bei Bestehen eines Kapillarlecks kommt es zu einer Hyperämie (Pinger 2019). In der T1- Wichtung nach Kontrastmittelgabe wird die Aufnahme des Kontrastmittels in den entzündlichen Arealen gemessen und zu der Kontrastmittelaufnahme der Skelettmuskulatur ins Verhältnis gesetzt. Das normale Verhältnis liegt bei < 2,5, eine Early- Gadolinium – Enhancement mit Ratio über 4,0 bzw. einem absoluten Anstieg von > 45 % sprechen für eine Myokarditis (Herold 2018).
- 3. Late Gadolinium Enhancement:
Ein Late Gadolinium Enhancement zeigt einen irreversiblen Zellschaden an (Pinger 2019). Die entzündlich veränderten Areale des Myokards nehmen in den Delayed- Enhancement- Sequenzen (auch Late Gadolinium Enhancement genannt) Kontrastmittel auf, welches in der akuten Phase einer Myokarditis subepikardial erfolgt, besonders in den inferior- lateralen Wandabschnitten des linken Ventrikels.
Beim Myokardinfarkt hingegen liegt – im Gegensatz zur Myokarditis – die Anreicherung des Kontrastmittels typischerweise subendokardial und lässt sich einem Versorgungsgebiet der Koronararterien zuordnen (Puls 2010).
Sofern die Lake- Louis- Kriterien erfüllt sind, zeigen sich eine Sensitivität von 67 % und eine Spezifität von 91 % bei der CMR (Schuler 2017). Typische Veränderungen bei Vorliegen einer EM sind:
- Einschränkung der linksventrikulären Ejektionsfraktion zwischen 25 50 % (Brambatti 2017)
- myokardiale Ödeme in der T2- gewichteten Bildgebung
- fibröse Narben
- Myokardnekrose
- Perikarderguss (Zhong 2021)
Sonstige Untersuchungsmethoden
EKG:
Im EKG können sich folgende Veränderungen zeigen:
- Veränderungen der ST- T- Strecke
- AV- Block
- ventrikuläre Arrhythmie
- Schenkelblock (Zhong 2021)
In einer Studie von Brambatti (2017) zeigte sich bei 9,4 % der Patienten ein normales EKG.
Labor
Eosinophilie: Eine periphere Eosinophilie fand sich bei 75,9 % der Patienten (Brambatti 2017).
Die zirkulierende Zahl an peripheren Eosinophilen erreicht aber nicht die extrem hohen Werte wie bei einer Hypersensitivitäts- Myokarditis (Kasper 2015).
- Kreatininkinase erhöht
- ECP- Anstieg (eosinophiles kationisches Protein) im Serum (Zhong 2021)
- Anstieg des Troponinspiegels bei 95,7 % (Brambatti 2017)
- CRP- Anstieg bei 79,5 %
Histologie
Bioptisch findet sich eine Infiltration von:
- mononukleären Zellen mit hohem Anteil an Eosinophilen (Kasper 2015)
Differentialdiagnose
- Myokarditis anderer Genese
Bei einem Myokardinfarkt findet sich im Kardio- CT die Anreicherung des Kontrastmittels typischerweise subendokardial und lässt sich einem Versorgungsgebiet der Koronararterien zuordnen [Puls 2010]).
Komplikation(en)
Diese findet sich bei ca. 30 % der durch eine Biopsie bestätigten Myokarditisfälle (Zhong 2021).
- Hirninfarkt (auch als Erstsymptom beschrieben [Bahlmann 2017])
- Löffler- Endokarditis (Hort 2000)
Therapie allgemein
Die Therapie besteht in erster Linie aus einer symptomatischen und immunsuppressiven Behandlung (Zhong 2021). In der akuten Phase der Erkrankung gilt eine strikte Einschränkung körperlicher Aktivitäten. Im Anschluss an die EM sollte der Patient für wenigstens 6 Monate sportliche Aktivitäten grundsätzlich meiden (Kutschynka 2016).
Interne Therapie
Symptomatische Therapie der Herzinsuffizienz:
- Angiotensin- Converting- Enzymhemmer (ACE- Hemmer)
- Angiotensin- Rezeptorblocker
- Aldosteron- Rezeptor- Antagonisten
- Perikarddrainage
- mechanisch adjuvante Therapie bei Versagen der konventionellen Behandlung in Form von:
- extrakorporaler Membranoxygenierung
- intraaortaler Ballongegenpulsation
- VAD = ventricular assist device (Zhong 2021)
- Glukokortikoide: Glukokortikoide sollten frühzeitig eingesetzt werden, da durch sie das intermediäre Stadium mit thrombotischer Nekrose und Fibrose verhindert werden kann (Zhong 2021). Dosierungsempfehlung: z. B. Methylprednisolon 1 mg / kg KG / d für 2 Wochen, anschließend wöchentliche Reduktion der Dosis um jeweils 10 mg alle 4 Wochen. Die Erhaltungsdosis von 10 mg / d sollte bis zum Behandlungsende, das nach 6 Monaten erreicht ist, beibehalten werden. Anschließend Methylprednisolon ausschleichend absetzen (Kühl 2012).
- Magenschutz: Als Magenschutz können Pantoprazol und Kalzium eingesetzt werden. Dosierungsempfehlung (Pantoprazol 20 mg / d); Kalziumsubstitution 1 x 1 g / d (Kühl 2012)
- Zytostatika: Inzwischen liegen Berichte vor, dass durch Cyclophosphamid oder Methotrexat auch ohne zusätzliche Glukokortikoide gute Ergebnisse erzielt werden können (Zhong 2021).
- Immunsuppressive Therapie: Bei einer eosinophilen Myokarditis besteht eine Indikation zur Behandlung mit Immunsuppressiva. Es empfiehlt sich hierbei, Kontakt zu Zentren aufzunehmen, denen Behandlungsprotokolle vorliegen (Herold 2022). Kühl (2012) empfiehlt z. B. Azathioprin in einer Dosierung zwischen 50 – 150 mg / d für 6 Monate.
- IL- 5- monoklonale Antikörper: Falls die Therapie mit Immunsuppressiva und hochdosiertem Prednison nicht zu einer Verbesserung führt, empfiehlt sich eine Behandlung mit IL- 5- monoklonalen Antikörpern wie z. B. Mepolizumab. Hierdurch lässt sich oftmals die Herzfunktion signifikant verbessern und der Perikarderguss reduzieren (Zhong 2021).
Parasitenbefall: Bei Parasitenbefall empfiehlt sich die Gabe von Albendazol (Zhong 2021). Dosierungsempfehlung: 15 mg / kg KG / d (Speer 2019).
Churg- Strauss- Syndrom (CSS): Patienten mit CSS sollten in erster Linie mit einem Glukokortikoid behandelt werden. Dosierungsempfehlung: Prednison oder Äquivalente 1 mg / kg KG / d. Sobald ein klinisches Ansprechen erreicht wird, was i. d. R. erst nach mehreren Wochen der Fall ist, können die Steroide langsam ausgeschlichen werden. Sollte das Krankheitsbild fortgeschrittener sein, empfiehlt sich eine Kombination mit Immunsuppressiva (Kutschynka 2016).
Hinweis: Zur Überprüfung der Wirksamkeit einer Therapie dient der ECP- Spiegel. Dieser steigt z. B. nach Reduktion des Kortikosteroids wieder an (Zhong 2021).
Verlauf/Prognose
Spezifische Daten zur Prognose der EM liegen nicht vor. Laut Zhong (2021) liegt die Mortalität während des Krankenhausaufenthaltes bei ca. 10 % und in den ersten 3 Jahren danach bei ca. 30 %. Er hält eine regelmäßige Myokardbiopsie nach der Entlassung für erforderlich.
Brambatti beschreibt in seiner 2017 veröffentlichten Studie eine Mortalität von 22,3 % während des stationären Aufenthaltes. Ein Herzstillstand trat bei 27,2 % seiner Patienten auf.
Kühl (2012) spricht von einer extrem schlechten Prognose mit 4- Jahresüberlebensraten von < 20 %.
Literatur
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- Kühl U, Schultheiss H P (2012) Myokarditis: Frühzeitige Biopsie ermöglicht differenzierte regenerative Therapie. Dtsch Arztebl. Int 109 (20) 361 - 368
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