Common Toxicity Kriterien
Synonym(e)
Definition
Systematische Einteilung der Nebenwirkungen einer Chemotherapie. Ab Grad 3 spricht man von schwerwiegenden Nebenwirkungen. Das Auftreten und Ausmaß von therapiebedingten Nebenwirkungen ist neben der Tumorremissionsrate, dem Überleben und der Lebensqualität die wichtigste Zielvariable zur Beurteilung von onkologischen Therapiekonzepten. Dabei sind akute (< 90 Tage nach Therapiebeginn) und chronische Nebenwirkungen (> 90 Tage nach Therapiebeginn) zu unterscheiden. Die "Common Toxicity Criteria" (CTC) dienen der Erfassung von akuten Nebenwirkungen und erweitern beziehungsweise modifizieren die Systematik der WHO (s. Tab.). S.u. den kutanen UAW (Arzneimittelexantheme).
Einteilung
Die Einteilung erfolgt nach 4 (5) Schweregraden:
- Grad 1: Geringe/leichte NW klingen spontan und ohne spezielle therapeutische Gegenmaßnahmen ab; die vorgesehene onkologische Therapie kann ohne Unterbrechung fortgesetzt werden.
- Grad 2: Mäßige/deutliche Nebenwirkungen; sie sind in der Regel ambulant und mit einfachen Medikamenten zu behandeln (z.B. durch peripher wirkende Analgetika, Steroide, orale Antibiotika). Grad 2 NW verursachen keine wesentliche Verzögerung, Dosismodifikation (< 10 Prozent) oder Unterbrechung der vorgesehenen onkologischen Therapie.
- Grad 3: Starke/ausgeprägte NW erfordern oft die Hospitalisierung zur Einleitung von intensiven medikamentösen und supportiven Maßnahmen (zum Beispiel zentral wirkende Analgetika, intravenöse Gabe von Antibiotika, Anlage einer perkutanen, endoskopisch angelegten Gastrostomie [PEG]) und führen zu Unterbrechung oder deutlicher Verzögerung (> 7 Tage) und/oder Dosismodifikation.
- Grad 4: Lebensbedrohliche NW, die sofortige notfallmäßige Hospitalisierung, umgehende intensive medizinische Maßnahmen oder chirurgische Interventionen erfordern. Sie erzwingen den sofortigen, eventuell aber auch nur vorübergehenden Abbruch der vorgesehenen onkologischen Therapie, da sie sonst innerhalb von kurzer Zeit zum Tod des Patienten führen können.
- Grad 5: Organspezifische NW, die zum Tode führen.
Weiterhin werden UAW nach Häufigkeiten untergliedert in:
- sehr häufig >1:10
- häufig (> 1:100 <1:10)
- gelegentlich (>1:1.000<1:100)
- selten (>1:10.000 <1:1.000)
- sehr selten (<1:10.000 einschließlich einzelner Berichte).
Allgemeine Information
Nebenwirkungen können nur dann vollständig und richtig erkannt werden, wenn alle relevanten systemischen und organspezifischen Parameter prospektiv und regelmäßig dokumentiert werden. Neben einer sorgfältigen Anamnese und subtilen körperlichen Untersuchung sind Laborkontrollen und bildgebende Verfahren nötig. So kann eine gegebenenfalls notwendige Anpassung der onkologischen Therapie (Therapieverzögerung oder Dosisreduktion) rechtzeitig vorgenommen und beim Auftreten von schweren Nebenwirkungen die supportive Therapie rasch und umfassend eingeleitet und durchgeführt werden.
An eine standardisierte und systematische Dokumentation von Nebenwirkungen sind allgemeine Ansprüche zu stellen: Die Klassifikation muss international akzeptiert und kompatibel sein, zum Beispiel hinsichtlich der sprachlichen Eindeutigkeit und Einsetzbarkeit in verschiedenen Gesundheitssystemen. Prinzipiell sind akute von chronischen Nebenwirkungen zu unterscheiden.
Akute Nebenwirkungen treten während oder innerhalb von 90 Tagen nach der onkologischen Therapie auf.
Chronische Nebenwirkungen: Therapiebedingte Auswirkungen ab dem 91. Tag werden als chronische Nebenwirkungen bewertet. Chronische Nebenwirkungen können, müssen sich aber nicht unbedingt aus akuten Nebenwirkungen heraus entwickeln; oft werden sie erst später und unabhängig vom Auftreten und Ausmaß akuter Nebenwirkungen klinisch manifest, zum Beispiel Kardiotoxizität nach Anthrazyklinen oder Strahlenfolgen am Rückenmark (Lhermitte-Syndrom).
Praktische Durchführung: Zur praktischen Erfassung von Nebenwirkungen in onkologischen Kliniken und Praxen sollte ein standardisiertes Dokumentationsformat verwendet werden, das die Haupt- und Nebenkriterien der CTC-Klassifikation auflistet. Durch Ankreuzen von "ja/nein"-Feldern oder Angabe von Zahlen für die Schweregrade sind die einzelnen Nebenkriterien zu jedem Zeitpunkt exakt zu dokumentieren.
Literatur
- Berdel WE et al. (1994) Standard Arbeitsanweisungen (Standard Operating Procedures, SOP) der Phase I/II-Studiengruppe der Arbeitsgemeinschaft für Internistische Onkologie (AIO) in der Deutschen Krebsgesellschaft. Onkologie 17: 311-338
- Müller RP et al. (1999) Common Toxicity Criteria (CTC): Dokumentation von Nebenwirkungen in der Onkologie. Dtsch Ärztebl 96: A-489/B-433/C-397
- Seegenschmiedt MH, Sauer R (1993): Systematik der akuten und chronischen Strahlenfolgen. Strahlenther Onkol 169: 83-95
- World Health Organization (1979) WHO Handbook for reporting results of cancer treatment. World Health Organization Offset Publication Nr. 48, Genf
Tabellen
Kriterium |
Grad 0 |
Grad 1 |
Grad 2 |
Grad 3 |
Grad 4 |
Übelkeit |
keine Übelkeit |
etwas Übelkeit; Nahrungsaufnahme nicht eingeschränkt |
mäßig Übelkeit; Nahrungsaufnahme eingeschränkt |
starke Übelkeit; keine Nahrungsmittelaufnahme |
starke Übelkeit; keine Nahrungsaufnahme |
Erbrechen |
kein Erbrechen |
1mal/Tag |
2-5mal/Tag |
6-10mal/Tag |
> 10mal/Tag |
Leukozyten/µl |
> 4.000 |
< 2.000 |
1.000-1.500 |
500-1000 |
< 500 |
Thrombozyten/µl |
100.000 |
75.000-99.999 |
50.000-74.999 |
25.000-49.999 |
< 25.000 |
Durchfall |
kein Durchfall |
2-3mal/Tag |
3-6mal/Tag oder mäßige Krämpfe |
7-9mal/Tag oder schwere Krämpfe, Inkontinenz |
9mal/Tag oder blutig |
Stomatitis |
keine Stomatitis |
Erytheme, schmerzlose Erosionen |
Ulzera, feste Nahrung möglich |
Ulzera, flüssige Nahrung |
keine Nahrungsaufnahme möglich |
Haarausfall |
kein Haarausfall |
milder Haarausfall |
ausgeprägter Haarausfall |
ausgeprägter Haarausfall |
ausgeprägter Haarausfall |
Nagelveränderungen | keine Nagelveränderunge | mild (Nagelverfärbungen oder Nagelplattenveränderungen ohne funktionelle Beeinträchtigung | mäßig (teilweiser oder vollständiger Verlsut der Nagelplatte, Schmerzen im Nagelbett) | schwer (ausgeprägte Nagelveränderungen, die Verrichtungen des täglichen Lebens behindern und eine intravenöse oder chirurgische Therapie erfordern |