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Burkitt-LymphomC83.7; C91.8;
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Denis Parsons Burkitt, britischer Tropenarzt und Chirurg (1911-1993)
Definition
Das Burkitt-Lymphom (BL), ist ein hochmalignes (aggressives) B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) mit sehr hoher Proliferationsrate (Crombie J et al. 2021).
Einteilung
Die Stadieneinteilung des Burkitt-Lymphoms (BL) erfolgt nach der Ann-Arbor-Klassifikation. Bei Kinder und Jugendlichen erfolgt sie mittels der modifzierten St.-Jude-Klassifikation.
- Endemisches Burkitt-Lymphom: Das endemische Burkitt-Lymphom tritt insbesondere in Afrika, Brasilien und Papua Neuguinea auf und manifestiert sich meist im Kindesalter als Kiefer- oder Gesichtstumor. Er kann sich in Ovarien, Hoden, Nieren, Mamma sowie v.a. Knochenmark und Meningen ausbreiten. Das endemische afrikanische BL ist zu 95% mit EBV-assoziiert.
- Sporadisches Burkitt-Lymphom: Dieses tritt weltweit v.a. bei Kindern und jüngeren Erwachsenen auf. Es manifestiert sich meist abdominal (v.a. Ileozökalregion) mit möglicher Beteiligung von Nieren, Hoden und/oder Ovarien. Eine Ausbreitung in Knochenmark und Zentralnervensystem (ZNS) ist ebenfalls möglich. Das sporadische BL ist zu 20% mit EBV assoziiert. S.a. unter Primär cutanes Burkitt-Lymphom.
- Immundefekt-assoziiertes Burkitt-Lymphom: Das mit Immundefekten assoziierte Burkitt-Lymphom (s.a. HIV-assoziierte aggressive B-Zell-Lymphome) tritt z.B. im Zusammenhang mit einer HIV-Infektion auf. Meist zeigt sich ein nodaler Befall und eine Knochenmarkbeteiligung. Diffuse Hautinfiltrate können aufteten (de Masson A et al. 2016).
- Burkitt-Leukämie (L3-ALL): Bei ausgeprägtem Befall des Knochenmarks (>25 % Blasten) wird das BL als Burkitt-Leukämie (L3-ALL) bezeichnet. Diese zählt zu den akuten lymphatischen Leukämien (ALL). Sie ist ein seltenes Krankheitsbild (nur ca. 3–5 % aller akuten lymphatischen Leukämien, d. h. in ganz Deutschland weniger als 100 Fälle pro Jahr).
Vorkommen/Epidemiologie
Das Burkitt-Lymphom betrifft 1-2% der Erwachsenenmit Non-Hodgkin-Lymphomen (NHL). Bei Kindern macht das BL ca. 30 % der NHL aus.
Ätiopathogenese
Die Ursachen für das Burkitt-Lymphom sind weitgehend noch ungeklärt. Ein Zusammenhang mit Virusinfektionen (v.a. Epstein-Barr-Virus) und Chromosomenschädigungen ist anzunehmen. Burkitt-Lymphome sind in über 95 % d.F. mit einer Translokation von MYC auf Chromosom 8 (Genlokus 8q24) assoziiert. Partner der Translokation sind:
- IgH (85 %) auf Chromosom 14: t(8;14)(q24;q32)
- Kappa-Leichtkette (IgK) (5%) auf Chromosom 2: t(2;8)(p11;q24)
- Lambda-Leichtkette (IgL) (15%) auf Chromosom 22: t(8;22)(q24;q11)
Jedoch sind weitere genetische Veränderungen für die maligne Transformation zu einem Burkitt-Lymphom notwendig (z.B. Mutationen im P53- oder im Retinoblastom-Gen).
Allen BL gemeinsam ist die Translokation von IG- und MYC-Genen. Hierbei rückt das MYC-Gen in die Nähe von Immunglobulin (IG)-Genen gelangt, und zwar in den Bereich der Immunglobulin-Schwerkette auf Chromosom 14 oder der Leichtketten kappa auf Chromosom 2 oder lambda auf Chromosom 22. Durch die Translokation kommt es zu einer Dysregulation des MYC-Gens, das eine zentrale Steuerungsfunktion bei der Zellteilung wahrnimmt und eine Vielzahl anderer Gene beeinflusst. Da die Leicht- und Schwerketten von Immunglobulinen in B-Zellen bei der Antikörperproduktion quasi ständig abgelesen und exprimiert werden, geschieht dies für das MYC-Gen und MYC-Protein ebenfalls. Damit kommt es zu einer Überexpression von MYC-Protein und zu einer ungehemmten Zellteilung. Neben der Dysregulation des MYC-Gens sind assoziativ weitere genetische Veränderungen notwendig damit eine maligne Transformation zu einem Burkitt-Lymphom stattfindet. So finden sich in etwa 40% der Fälle beim Burkitt-Lymphom auch Mutationen im p53-Gen sowie Mutationen im Retinoblastom (Rb)-Gen (dessen kodierte Produkte sind Protein 107 (p107) und Protein 130 (p130)).
Bei der endemischen Form des Burkitt-Lymphoms in Afrika spielt die Infektion von B-Zellen durch EBV (Epstein-Barr-Virus) ein initiierende Rolle. Diese induziert ein polyklonales Wachstum der B-Lymphozyten (Brady G et al. 2007). Die EBV-Durchseuchung liegt in bestimmten Gegenden in Äquatorial-Afrika bei etwa 80 % der Kinder.
Auch durch Infektionen mit Malaria wird in diesem Zusammenhang eine proliferationsfördernde Rolle angenommen. Die Malaria-Infektion führt zu einer Störung der T-Zell-Population, die sich proliferationsfördernd auf die B-Zell-Klone auswirkt.
In Europa und Nordamerika sind EBV-Infektionen und Malaria im Kindesalter viel seltener. Die sporadischen BL zeigen in weniger als 20 % Assoziation mit EBV.
Manifestation
Das Erkrankungsalter liegt i.A. < 35 Jahren. M>w.
Diagnostik
Blutuntersuchungen, u.a. LDH: Dieser Wert ist bei kindlichem BL oft erhöht und ein Indikator für eine höhere Risikogruppe.Ein LDH-Wert > 500 U/L LDH im Serum oder Plasma entsprechen dabei einer höheren Risikogruppe. Die Mitbestimmung der LDH in der Risikogruppen-Zuteilung wird vor allem bei den Therapieoptimierungsstudien im deutschen Sprachraum und mittlerweile auch in Europa angewendet.
Bildgebende Verfahren: Sonographie, Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT), PET-CT
Knochenmarkpunktion mit anschließendem Knochenmarksausstrich
Histologie
Infiltrat aus mittelgroßen Zellen mit runden Zellkernen, multiplen Nukleoli und einem basophilen Zytoplasma mit Vakuolen. Die Proliferationsrate beträgt fast 100 %. Helle Makrophagen liegen zwischen den lymphoiden Tumorzellen und erzeugen so das klassische "Sternenhimmel"-Muster. Immunhistochemisch sind die Tumorzellen positiv für: CD19, CD20, CD10, BCL6. Sie sind negativ für BCL2.
Differentialdiagnose
Hochgradiges B-Zell-Lymphom (HGBL) mit MYC- und BCL2- und/oder BCL6-Translokationen. Diese Kategorie überschneidet sich klinisch und biologisch mit BL und hat im Vergleich zu den meisten B-Zell-Lymphomen eine schlechtere Prognose (Lap CJ et al. 2021)
Therapie
Die Behandlung sollte notfallmäßig einer kurzen und intensiven Chemotherapie eingeleitet werden. Die Heilungsrate ist 90%. Es existieren mehrere Chemotherapie-Kombinationsprotokolle, die auf hohen Dosen von Cyclophosphamid basieren. Weiterhin erfolgt eine prophylaktische Behandlung des ZNS mit intrathekaler und systemischer Gabe von Methotrexat (MTX). Bei sofortiger Behandlung kann bei 70-80 % der Patienten mit einer Heilung gerechnet werden.
Erstlinientherapie: Bei Erwachsenen: GMALL-B-ALL/NHL-Protokoll (Rituximab, hochdosiertes MTX + variierende Anwendung von Alkylantien, Anthrazyklinen, Vincaalkaloiden, Etoposid und Cytarabin).
Die Zugabe von Rituximab zu einem kurzen intensiven Chemotherapieprogramm verbessert das EFS bei Erwachsenen mit Burkitt-Leukämie oder –Lymphom (Ribrag V et al. 2016).
Eine Strahlentherapie sowie operative Behandlungen sind nur in Ausnahmefällen indiziert.
Progress oder Rezidiv: Autologe Stammzelltransplantation in Frage. Die Überlebenschancen sind jedoch sehr limitiert.
Literatur
- Crombie J et al. (2021) The treatment of Burkitt lymphoma in adults. Blood 137:743-750.
- Brady G et al. (2007) Epstein-Barr virus and Burkitt lymphoma. J Clin Pathol 60:1397-1402.
- Burkitt D (1958) A sarcoma involving the jaws in African children. In: British Journal of Surgery 197: 218–223.
- Bertrand P et al. (2007) Mapping of MYC breakpoints in 8q24 rearrangements involving non-immunoglobulin partners in B-cell lymphomas. In: Leukemia 21: 515–523.
- de Masson A et al. (2016) Disseminated skin involvement in HIV-associated Burkitt lymphoma: a rare clinical feature with poor prognosis. Br J Dermatol174:184-186.
- Dunleavy K (2018) Approach to the Diagnosis and Treatment of Adult Burkitt's Lymphoma. J Oncol Pract14:665-671.
- Lap CJ et al. (2021) Novel Biological Insights and New Developments in Management of Burkitt Lymphoma and High-Grade B-Cell Lymphoma. Curr Treat Options Oncol 22:60.
- Ng SB et al. (2009) Epstein-Barr virus in lymphoproliferative processes: an update for the diagnostic pathologist. Adv Anat Pathol 16:40-55.
- Ribrag V et al. (2016) Rituximab and dose-dense chemotherapy for adults with Burkitt's lymphoma: a randomised, controlled, open-label, phase 3 trial. Lancet 387:2402-2411.