Akute interstitielle Pneumonie J84.
Synonym(e)
Definition
Idiopathische interstitelle Pneumonie (IIP).
Vorkommen
Die Akute interstitielle Pneumonie (AIP) ist sehr selten und macht nur ca. 1 % aller idiopathischen interstitiellen Pneumonien aus.
Es können sowohl Erwachsene als auch Kinder daran erkranken. Das mittlere Lebensalter liegt bei ca. 50 Jahren. Bei Kindern wird das Krankheitsbild nur extrem selten beobachtet.
Männer und Frauen sind zu gleichen Teilen betroffen.
Ätiologie
Eine Ursache ist bislang nicht bekannt. Auffällig ist lediglich, dass meistens primär Gesunde betroffen sind.
Klinisches Bild
Die AIP zeigt bei ca. 50 % wenige Tage zuvor zunächst Prodromi wie z. B.:
- unspezifische Symptome eines Virusinfektes
- Myalgien
- Athralgien
Es entwickelt sich dann schlagartig ein schweres Krankheitsbild, welches dem ARDS (akutes Atemnotsyndrom) sehr ähnelt:
- Fieber
- Kurzatmigkeit
- trockener Husten
- ein rasches respiratorisches Versagen der Lunge
Auskultation
Der Auskultationsbefund ist – zumindest initial - blande. Im weiteren Verlauf kann eine Sklerosiphonie auftreten.
Radiologisch und auch histopathologisch verläuft die Erkrankung in 3 Stadien:
- akute exsudative Phase
- proliferative Phase
- fibrotische Umbauphase
Bildgebung
Röntgen: Die radiologischen Veränderungen finden sich zunächst diffus verteilt und zentrieren sich im weiteren Verlauf in die abhängigen Partien nach dorsal und basal. Diese diffusen Verschattungen zeigen eine rasch fortschreitende Progredienz. Häufig finden sich Pleuraergüsse beidseits.
HRCT: Beidseits symmetrische Bereiche mit milchglasartigen Infiltrationen bis hin zu Konsolidierungen, die vorwiegend subpleural verteilt sind.
Histologie
In der 1. Phase finden sich ein alveoläres Ödem und Hämorrhagien mit Nekrose der Pneumozyten Typ I.
In der 2. Phase bilden sich hyaline Membranen aus und es kommt zu einer Proliferation der Pneumozyten Typ II. Außerdem finden wir eine Proliferation der Myofibroblasten und eine vermehrte Kollagenbildung.
In Phase 3 findet der typische fibrotische Umbau statt, sofern die Patienten diese Phase überhaupt noch erleben.
Diagnose
Die Patienten werden i. d. R. unter dem Bild eines ARDS auf die Intensivstation aufgenommen. Röntgen-Thorax und HRCT sind richtungsweisend.
Für die eigentliche Sicherung der Diagnose ist jedoch eine Lungenbiopsie Voraussetzung.
Zum Ausschluss anderer Erkrankungen (s. Differenzialdiagnosen) empfehlen sich außerdem:
- Sonografie der Pleuraergüsse
- Doppler-Echokardiografie zum Ausschluss einer Linksherzinsuffizienz
- BAL zum Ausschluss einer infektiösen Genese
Differentialdiagnose
- ARDS
-
Kardiales Lungenödem
-
Diffuse alveoläre Hämorrhagie
-
Alveolarproteinose
-
Bronchoalveoläres Karzinom (hier zeigt sich i. d. R. eine langsamere Entwicklung)
Therapie
Rein supportive Maßnahmen, da es keine gesicherte medikamentöse Behandlung gibt.
Eine intensivmedizinische Versorgung ist obligat.
Nicht selten werden Patienten zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits beatmet. Hier empfiehlt sich primär eine nicht-invasive Beatmung, da ansonsten durch den hohen Beatmungsdruck und die hohe inspiratorische Sauerstoffkonzentration die Erkrankung vermutlich noch beschleunigt wird.
Nach Ausschluss aller wichtigen Differentialdiagnosen sollte – obwohl eine gesicherte Therapie bislang nicht gefunden werden konnte - ein Behandlungsversuch mit hochdosierten Steroiden durchgeführt werden:
- 5 Tage lang 2 x 500 mg Prednisolon
- danach 3 Tage lang 1 x 500 mg Prednisolon
- danach 3 Tage lang 1 x 250 mg Prednisolon
Über das weitere Vorgehen sollte danach anhand des Verlaufes entschieden werden.
Vorsichtshalber empfiehlt sich unter der hoch dosierten Immunsuppression die gleichzeitige Gabe eines Antimykotikums
- z. B. Fluconazol und begleitend eine zusätzliche Antibiose, primär ein Zweitgenerations-Cephalosporin
- z. B. Cefuroxim 3 x 1,5 g/d i.v. plus Makrolid
- z. B. Erythromycin 3 - 4 x 1 g/d i.v..
Prognose
Die Letalität ist mit > 60 % sehr hoch. Meistens versterben die Patienten innerhalb der ersten 6 Monate nach Bekanntwerden der Diagnose.
Bei den Überlebenden sind Rückfälle beschrieben, die dann meistens terminierend sind.
Es gibt aber auch Patienten, die die Erkrankung überleben. Bei diesen zeigt sich ein ausgeprägter irreversibler fibrotischer Parenchymumbau, was sich dann nur schwerlich vom Bild einer IPF differenzieren lässt.
Literatur
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