Thrombopathie makrozytäreD68.0
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Definition
Das Bernard-Soulier-Syndrom ist eine seltene (bisher wurden nur etwa 100 Fälle beschrieben), autosomal-dominant oder autosomal-rezessiv vererbte Thrombozytopathie (Auftreten von Riesenplättchen) mit einer konsekutiven Blutungsneigung.
Ätiopathogenese
Die Ursache der Erkrankung liegt in einer Störung der Thrombozyten-Adhäsion. Dieser Störung liegt ein Mangel oder eine Dysfunktion des Glykoprotein GPIb-V-IX-Komplexes zugrunde. Dieser Komplex wird nur in den Thrombozyten exprimiert und besteht aus mehreren Untereinheiten. Er stellt einen in der primären Blutgerinnung unentbehrlichen Rezeptor für den von-Willebrand-Faktor dar. Nach Bindung des von-Willebrand-Faktors sind die Adhäsion der Plättchen an verletztes Endothel und die Aggregation unter hohen Scherkräften möglich. Die 4 Untereinheiten des Komplexes werden von den GPIb-Alpha- (17pter-p12), GPIb-Beta- (22q11.2), GPV- (3q29) und GPIX- Genen (3q21) kodiert. Außer im GPV-Gen wurden in allen diesen Genen ursächliche Mutationen gefunden. Inzwischen sind > 30 Mutationen des Gens nachgewiesen worden. Alle Formen bedingen die Dysfunktion der Blutplättchen.
Klinisches Bild
Purpura, Nasenbluten, verstärkte und verlängerte Regelblutung (Menorrhagie), Zahnfleisch- und Magen-Darm-Blutungen.
Labor
Thrombozyten < 30.000/ul (Normalwert beträgt 150.000 bis 400.000 Blutplättchen je Mikroliter). Bei Betroffenen besitzen die Thrombozyten einen Durchmesser von 4-10 Mikrometer. Gesunde Blutplättchen messen 1-4 Mikrometer im Durchmesser.
Diagnose
Nachweis einer verlängerten Blutungszeit an der Haut, einer verminderten Zahl der gleichzeitig sehr großen Plättchen (Makro-Thrombozytopenie), einer defekten Induktion der Plättchenaggregation durch Ristocetin, sowie niedriger oder fehlender Expression des GPIb-V-IX-Komplexe. Der Prothrombinverbrauch ist stark vermindert.
Therapie
Verlauf/Prognose
Mit angemessener Betreuung ist die Prognose in der Regel gut, Episoden mit schweren Blutungen sind aber möglich bei der Menstruation, bei Verletzungen und bei Operationen.
Hinweis(e)
Das gemeinsamer auftreten einer familiären aquagenen Urtikaria mit dem Bernard-soulier Syndrom wurde beschrieben (Pitarch G et al. 2006).
Literatur
- Farhan S et al. (2019) Bernard Soulier Syndrome: 10 years' experience at a tertiary care hospital. Pak J Med Sci 35:705-708.
- Li X et al. (2019) A Case of Bernard-Soulier Syndrome due to a Novel Homozygous Missense Mutation in an Exon of the GP1BA Gene. Acta Haematol 12:1-5.
- Mekchay P et al. (2019) Study of Bernard-Soulier Syndrome Megakaryocytes and Platelets Using Patient-Derived Induced Pluripotent Stem Cells. Thromb Haemost 119:1461-1470.
- Pitarch G et al. (2006) Familial aquagenic urticaria and bernard-soulier syndrome.
Dermatology 212:96-97. - Souto Filho JTD et al. (2019) Bernard-Soulier syndrome associated with 22q11.2 deletion and clinical features of DiGeorge/velocardiofacial syndrome. Blood Coagul Fibrinolysis 30:423-425.