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Kapilläres-Malformation-Arteriovenöses-Malformations-Syndrom 1+2Q82.5
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Eerola et al. 2003
Definition
Das Kapillar-Malformation-Arteriovenöse-Malformation-Syndrom ist eine seltene, komplexe vaskuläre Malformation mit kutanen kapilläre Gefäßmälern und einem Risiko für assoziierte Fast-Flow-Malformationen (Brix ATH et al. 2022).
Solitär oder multipel auftretende, autosomal dominant vererbte kapilläre Malformation-arterio-venösen Malformation - CM-AVM-Syndrom. Die kapillären Hautveränderungen werden auch als rhodoider Naevus bezeichnet. Das multiple Auftreten rhodoider Naevi ist kennzeichnend für das Syndrom der kapillären Malformation-arterio-venösen Malformation, das auch als „Naevus-rhodoides-Syndrom“ bezeichnet wird.
Ätiopathogenese
Das von dem RASA1- Gen kodierte Protein (RAS p21) befindet sich im Zytoplasma und gehört zur GAP1-Familie der GTPase-aktivierenden Proteine. Das Genprodukt stimuliert die GTPase-Aktivität des normalen RAS p21, nicht aber seines onkogenen Gegenstücks. Das Protein wirkt als Suppressor der RAS-Funktion, indem es die schwache intrinsische GTPase-Aktivität der RAS-Proteine verstärkt, was zur inaktiven GDP-gebundenen Form von RAS führt und so die Kontrolle der zellulären Proliferation und Differenzierung ermöglicht.
Manifestation
Die Symptome von intrakraniellen AVMs/AVFs scheinen schon früh im Leben aufzutreten.
Klinisches Bild
Bei beiden Gen-Varianten liegen sehr variable Phänotypen vor. Die Patienten haben typischerweise mehrere kleine und größere, rötlich-rosafarbene kapilläre Malformationen, flache rosafarbener Flecken (rhodoide Naevi), oft versehen mit einem weißlichen Halo. Diese Läsionen sind willkürlich auf dem Körper verteilt. Etwa 15-20 % der Patienten haben eine assoziierte arteriovenöse Fistel oder Fehlbildung, die sich häufig an Kopf und Hals befindet. Die schnell fließenden Läsionen betreffen Haut, subkutanes Gewebe, Muskeln und/oder Knochen oder das Gehirn bzw. die Wirbelsäule. Weiterhin wurden auch lymphatische als Manifestationen des phänotypischen Spektrums dieser RASA1-induzierten Malformation beschrieben.
Bi dem Kapillar-Malformation-Arteriovenöse-Malformation-Syndrom 2 ergab eine Literaturrecherche bei 127 Patienten folgende Sympotmatik: Bei 114 (89,76 %) Patienten lagen multiple kapilläre Malformationen vor, und 12 (9,44 %) Patienten hatten eine einzelne kapilläre Malformation. Arteriovenöse Malformationen/Fisteln lagen bei 23 (18,1 %) Patienten vor, und bei 5 (3,9 %) Patienten befanden sie sich im zentralen Nervensystem. Epistaxis trst häufig auf. Telangiektasien wurden bei 28 (22 %) Patienten berichtet, und Bier-Flecken wurden bei 20 (15,7 %) Patienten beschrieben (Brix ATH et al. 2022).
Diagnostik
Extraktion der genomischen DNA aus dem peripheren Blut; Durchführung einer eine Whole-Exome-Sequenzierung.
Differentialdiagnose
Das Syndrom der „capillary malformation-aterivenous malformation/CM-AVM, weist mehrere Gemeinsamkeiten mit der hereditären hämorrhagischen Teleangiektasie und der hereditären benignen Teleangiektasie auf, lässt sich aber klinisch anhand des morphologischen Erscheinungsbildes und der Verteilung der kutanen Gefäßläsionen, des Vorhandenseins interner Fast-Flow-Läsionen und der genetischen Analyse unterscheiden.
Komplikation(en)
Zu den lebensbedrohlichen Komplikationen dieser Läsionen können Blutungen, kongestives Herzversagen und/oder neurologische Folgen gehören.
Hinweis(e)
Nach der ISSVA-Sprachregelung wird das Syndrom als „capillary malformation-aterivenous malformation/CM-AVM) bezeichnet. altertnativ kursiert der Begriff "Naevus rhoidoides (Happle R 2010). Im Altgriechischen bedeutet rhodoides "rosenartig" oder "rosenfarben". Dementsprechend könnte die CM-AVM auch als "rhodoides Nävus-Syndrom" bezeichnet werden.
Fallbericht(e)
In einer betroffenen Familie wurde eine familiäre heterozygote Keimbahnvariante des pathogenen RASA1, c.1248T>G (p.Tyr416X), identifiziert. Die Probandin hatte Kapillarmissbildungen, Chylothorax, Lymphödeme und Überwuchs, während ihre betroffene Mutter nur isolierte Kapillarmissbildungen aufwies. Die Sequenzanalyse von DNA, die aus einer Hautbiopsie einer Kapillarmalformation der betroffenen Mutter gewonnen wurde, ergab eine zweite somatische RASA1-Mutation (c.2245C>T, p.Arg749X). Diese Ergebnisse und die extrem variable Expressivität stützen die Hypothese, dass somatische "Second Hits" für die Entwicklung der mit dem CM-AVM-Syndrom assoziierten Gefäßanomalien erforderlich sind. Darüber hinaus verdeutlichen die Phänotypen der betroffenen Individuen, dass auch lymphatische Manifestationen Teil des phänotypischen Spektrums von RASA1-verwandten Störungen sind (s.Abbn.).
Literatur
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