Naevus melanozytärer dysplastischerD48.5

Autoren:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

Atypischer Naevuszellnaevus; Clark-Naevus; Dysplastic naevus; Dysplastischer melanozytärer Naevus; Dysplastischer Naevus; Dysplastischer Pigmentnaevus; Dysplastisches Muttermal

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Definition

Umstrittene Bezeichnung für einen klinisch auffälligen melanozytären Naevus (s. ABCD-Regel) mit erhöhter Wahrscheinlichkeit der Umwandlung in ein malignes Melanom.

Bisher gibt es weder allgemein akzeptierte histologische noch auflichtmikroskopische oder klinische Merkmale, die eine exakte Definition von Melanompraekursoren erlauben. Sofern die entsprechende Kriterienpalette für eine Bewertung der Tumordignität nicht ausreicht oder zweifelhaft erscheint, besteht der praktische Nutzen der Beibehaltung des Dysplasiebegriffes darin, dass entweder engmaschige Verlaufsuntersuchungen oder bei bereits exzidierten Läsionen histologische Revisionen zu fordern sind.

 Liegt bei einem Patienten eine große Zahl derartiger atypischer melanozytärer Naevu vor, so liegt das Syndrom der atypischen dysplastischen Naevi vor (s. BK-Mole-Syndrom).  

Einteilung

Je nach Entwicklungsgrad lassen sich unterteilen:
  • Dysplastischer Naevus vom Junktionstyp
  • Dysplastischer Naevus vom Compoundtyp.

Vorkommen/Epidemiologie

Inzidenz: 100-150/100.000 Einwohner/Jahr. Die Prävalenz dysplastischer Naevi wird mit 1,8-4,6% der Bevölkerung angegeben.

Manifestation

Meist nach der Pubertät auftretend, bis zum 20.Lebensjahr.

Lokalisation

Gesamtes Integument; bevorzugt an Brust und Rücken, Armen und Kopf auftretend. Bei Farbigen treten dysplastische Naevi überwiegend an den Akren und der Schleimhaut auf.

Klinisches Bild

Meist 0,6-1,5 cm große, unscharf, häufig polyzyklisch begrenzte, rötlich-braun bis braun-schwarz gefärbte Flecken, Papeln oder Plaques mit unveränderter oder auch pergamentartiger, atrophischer Oberfläche. Auflichtmikroskopie: S.u. Tab. 1, s.u. Tab. 2.

Histologie

  • Dysplastischer Naevus vom Junktionstyp: Das Oberflächenepithel ist meist akanthotisch. Reteleisten sind zipfelig oder breitbasis verbreitert. In der Junktionszone zeigen sich in unregelmäßigen Abständen angeordnete Nester, aber auch einzeln verteilte (epitheloide) Melanozyten. Seltener sind Nester oder Melanozyten auch suprabasal anzutreffen. Melanozytennester neigen zur Konfluenz (bridging). Vereinzelt Atypiezeichen. Vereinzelt rundzellige Infiltration der oberen Dermis. Pigmentinkontinenz kann vorhanden sein.
  • Dysplastischer Naevus vom Compoundtyp: Meist symmetrischer melanozytärer Tumor mit epidermalem und dermalem Anteil. Stellenweise überragt die junktionale Aktivität den dermalen Tumoranteil (Schulterbildung). Die epidermalen Veränderungen entsprechen dem Junktionstyp. Bei den dermalen Anteilen ist eine Ausreifung der Melanozyten zur Tiefe hin nachweisbar. Zusätzlich treten Stromareaktionen wie konzentrische oder lamelläre Fibroplasie auf. Schüttere Rundzellinfiltrate.

Diagnose

Goldstandard ist die Histologie.

Auflichtmikroskopie: Auflichtmikroskopische Merkmale, wie sie sonst nur bei malignen Melanomen vorkommen, erreichen in der Gruppe der dysplastischen Naevi einen Anteil von etwa 14%. Die überwiegende Zahl der als dysplastisch eingestuften melanozytären Naevi zeigen Auflichtphänomene, wie sie auch bei gewöhnlichen Naevi vorkommen, oft allerdings in stärkerer Ausprägung, anderen Häufigkeiten und Mehrkomponentenstrukturen. Anhand eines Bewertungsprotokolles kann die Diagnostik standardisiert werden (s. Tab. 1).

Therapie

Wichtig ist die Differenzierung zwischen einfachen und dysplastischen Naevi mittels Klinik und Auflichtmikroskopie (s. Tab.). Dysplastisch eingestufte Naevi werden ohne Sicherheitsabstand exzidiert und histologisch kontrolliert. Bei Vorliegen eines malignen Melanoms weiteres Vorgehen s. dort. Bei Patienten mit dysplastischen Naevi in Familien mit BK-Mole-Syndrom oder FAMM-Syndrom besteht ein eminent hohes Risko für die Entstehung eines malignen Melanoms (s.a. jeweils dort). Um das Risiko des Auftretens weiterer dysplastischer melanozytärer Naevi zu vermindern, sind präventive Maßnahmen wichtig, s.u. Naevus, melanozytärer.

Verlauf/Prognose

Wahrscheinlichkeit des Übergangs in ein malignes Melanom ist erhöht: Laut Studien ist das Melanomrisiko bei Vorliegen eines dysplastischen melanozytären Naevus etwa doppelt so hoch wie normal, bei 10 oder mehr dysplastischen Naevi etwa 12fach erhöht, bei > 50 Naevi um 15-20fach höher als normal.

Tabellen

Auflichtmikroskopisch-vitalhistologisches Bewertungsprotokoll für dysplastische melanozytäre Naevi (nach Schulz)

Merkmal

Punktwert

Multiple unstrukturierte graue Pigmentverdichtungen (> 0,35 mm)

11

Graublaues/gelblichbraunes sakkuläres Muster

11

Weißlich- oder bläulich-opake Schleier

10

Melanophagen-Pseudotrabekel (im Gesicht)

10

Tief lokalisiertes graublaues/ -braunes Netzfragment

10

Blutaustritte aus Gefäßektasien

8

Graublaue Globulie und Stäbchen (> 0,15 mm) oder Areale mit stark pigmentierten zentropapillären Globuli

7

Alabastergipsartige Lakunen

7

Regressionszonen mit randständigen Melanophagen

7

Angiektatisches Grundmuster mit punktförmigen oder polymorphen Gefäßen

7

Weißlich-opake Septen

5

Blue-in-pink area

5

Areal mit gleichmässig verteilten Kapillaren

5

Pseudopodienartige Randzone

5

Radial straming (digitiforme Ausläufer)

5

Brown/black dot vor blaugrauem Hintergrund

5

Abrupter Pigmentabbruch in den Trabekeln

3

Graublaue dendritische Trabekel

3

Graublauer Schatten in pink

3

Mehrkomponentenaufbau (> 2)

3


Auflichtmikroskopische Kriterien für die Unterscheidung zwischen Junktionsnaevus und dysplastischem Naevus (modifiziert nach Schulz)

Junktionsnaevus

Dysplastischer Naevus

Grundmuster überwiegend aus einer Komponente

+

Symmetrische Pigmentverteilung

++

Mehrkomponentenaufbau

++

Grundmuster vorwiegend retikulär

++

+

Diffuses Grundmuster

+

Globuläres Grundmuster

+

Graublaue/-schwarze zentropapilläre Globuli

+

Areale unregelmäßig graublau bis schwarz pigmentierter Globuli

++

Zentropapilläres braunes Pigment

++

Massive zentrale symmetrische Pigmentausschleusung

+

Bizarres Netzmuster

++

Zentrales unterlagertes graues/blaues bis grauschwarzes Pigment

+

++

Dendritische graublaue Trabekel

++

Abrupte Pigmentabbrüche in Trabekeln

++

Graublaue Melanophagentrabekel

+

Regressionsaraeale mit randständigen grauvioletten Melanophagenhaufen

++

Areal mit gleichmäßg angeordneten Kapillaren

+

Literatur

  1. Ackerman AB, Massi D, Nielsen TA (1999) Dysplastic nevus. Atypical mole or typical myth? Ardor Scribendi, Philadelphia
  2. Braun-Falco M et al. (2003) Histopathological characteristics of small diameter melanocytic naevi. J Clin Pathol 56: 459-464
  3. Burroni M et al. (2005) Dysplastic naevus vs. in situ melanoma: digital dermoscopy analysis. Br J Dermatol 152: 679-684
  4. Farrahi F et al. (2005) Histologic similarities between lentigo maligna and dysplastic nevus: importance of clinicopathologic distinction. J Cutan Pathol 32: 405-412
  5. Happle R (1989) Gregor Mendel und die Dysplastischen Nävi. Hautarzt 40: 70-76
  6. Kint A (1986) Das dysplastische Naevus-Syndrom. Z Hautkr 61: 595-598
  7. Naeyaert JM et al. (2003) Clinical practice. Dysplastic nevi. N Engl J Med 349: 2233-2340
  8. Roesch A et al. (2003) The dysplastic nevus. Separate entity, melanoma precursor or diagnostic dilemma? Hautarzt 54: 871-883
  9. Schulz H (1992) Auflichtmikroskopischer Score zur Differentialdiagnose dysplastischer Nävi. Hautarzt 43: 487-490
  10. Schulz H (1996) Dysplastische Naevi in der auflichtmikroskopischen Differenzialdiagnose maligner Melanome. Hautarzt 47: 109-113
  11. Schulz HK (1994) Auflichtmikroskopische Kriterien benigner melanozytärer Pigmentmale der Haut. Akt Dermatol 20: 2-6

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