Kälteagglutinin-Syndrom, chronischesD59.1
Synonym(e)
Definition
Autoimmunhämolytische Anämie durch Kälteagglutinine vom IgM-Typ.
Einteilung
Das chronische Kälteagglugtinin-Syndrom wird wie folgt eingeteilt:
- Idiopathisch: Alter > 50 J. (sehr selten)
- Sekundär: Meist bei B-Zell-Lymphomen oder autoimmunologischen Erkrankungen. Patienten mit einem MGKS/MGUs Typ IgM kappa produzieren durch klonale B-Zellen vermehrt IgM und sind nicht selten der Auslöser für eine Kälteagglutinin-Erkrankung.
Ätiopathogenese
Kälteagglutinine sind komplementaktivierende, bei 0-50 C stark agglutinierende Auto-Antikörper. Es kommt bereits bei ca. 30oC zur Bindung der IgM-Antikörper an Erythrozyten (diese Temperatur ist die Temperatur der Akren bei normaler Außentemperatur) mit Komplementaktivierung. Pseudagglutinationen bei Lagerung der Blutprobe verschwinden sofort nach Erwärmen. Die Verklumpung der Erythrozyten führt zu einer Ischämie der nachfolgenden Endstrombahnen. Die gebundenen IgM-Antikörper werden durch den Komplementfaktor C1q erkannt und markiert. Dies führt über den klassischen Weg zur Aktivierung der Komplementkaskade und zur Bildung einer C3-Konvertase. Diese wiederum spaltet C3 in C3a und C3b, das weiter in C3c und C3d gespalten wird. Zudem bildet C3b bei Anlagerung an C4bC2a sei C5-Konvertase. Diese formt in weiteren Schritten den Membran-attackierenden-Komplex, der zu einer direkten Lyse der Zelle führt. Es kommt zu einer intra- oder extravasalen Hämolyse. Leztere findet v.a. in der Leber statt.
Manifestation
Männer in höherem Lebensalter. Das chronische Kälteagglugtinin-Syndrom ist häufig ein Zeichen maligner lymphoproliferativer Erkrankungen.
Klinik
Leitsymptom: Akrozyanose bei Kälteexposition - reversibel nach Erwärmung (DD: Bei Raynaud-Syndrom); Anämie, nach Kälteexposition schubweise akute, intravasale Hämolyse mit Hämoglobinurie. Klinisch fällt die Erkrankung durch eine Hautblässe der betroffenen Personen in der Kälte auf. Weiterhin durch kalte Akren sowie durch eine Livedozeichnung der Extremitäten.
Labor
Blutbild: Polychromasie, Sphärozyten
Autoagglutination des Blutes bei Raumtemperatur
Hochtitrige monoklonale IgM-Antikörper (meist gegen den I/i-Antigenkomplex, einem Blutgruppensystem auf Erythrozyten)
Direkter monospezifischer Coombs-Test zeigt starke Komplementbeladung (C3d, C3c) Di.: Indirekte Hinweise: Schwierigkeiten bei der Blutabnahme (Agglutination der Erythrozyten in der Punktionskanüle), MCV falsch hoch durch Agglutination, Schwierigkeiten bei der Erythrozyten-zählung, beim Anfertigen eines glatten Blutausstriches, bei der Kreuzprobe.
BSG bei Raumtemperatur stark beschleunigt, bei 37°C (Inkubator) normale BSG!
Bestimmung des Kälteagglutinin-Titers bei 4°C und Avidität/Thermalamplitude:
Wichtig für das Labor: Blut entweder sofort warm abseren (danach darf das Serum abkühlen) oder warm ins Labor schicken. Klinisch relevant sind meist Titer > 1 : 1.000 und Ak mit hoher Avidität (je näher der Körpertemperatur, umso relevanter).
Kälteagglutinine vom Typ anti-I finden sich bei Mykoplasmen-Infektion und benigner monoklonaler Gammopathie.
Weiterhin finden sich Kälteagglutinine vom Typ anti-i bei Mononukleose und malignen Lymphomen.
Hinweis(e)
In einem größeren Kollektiv (n=534) von Pat. mit monoklonalen IgM-Störungen konnten bei rund 25% eine IgM-Kryoglobulinämie identifiziert werden. Von diesen hatten 76 % eine Waldenström-Makroglobulinämie (WM), 5 % ein anderes Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) und 19 % eine monoklonale IgM-Gammopathie unbestimmter Signifikanz (MGUS).
Klinisch fanden sich IgM-assoziierte Störungen (einschließlich Kälteagglutininkrankheit/CAD, Amyloidose und Schnitzler-Syndrom) bei 31 % der Patienten, häufiger bei MGUS als bei der Waldenström-Makroglobulinämie oder einem Non-Hodgkin-Lymphom.
Bei der Hälfte aller Patienten wurden bei der Kryoglobulindiagnose aktive Manifestationen festgestellt: vasomotorische (22 %), kutan (16 % - Akroyanose, Livedo-Bilder der Haut), periphere Neuropathie (22 %) und Hyperviskosität (9 %). Das Alter war der einzige Prädiktor für das Gesamtüberleben. Prädiktoren für eine kryoglobulinämische Behandlung/einen kryoglobulinämischen Tod waren Hyperviskosität (Khwaja J et al. 2024).
Literatur
- Brody M et al. (1992) Kälteagglutininsyndrom nach Rötelninfektion. Kinderarztl Prax 60:134-136.
- Fukushima H et al. (2023) Cold Agglutinin Syndrome. N Engl J Med 389:642.
- Jochums F et al. (2024) A blue face. JDDG22: 1685-1688
- Khwaja J et al. (2024) Clinical and clonal characteristics of monoclonal immunoglobulin M-associated type I cryoglobulinaemia. Br J Haematol 204:177-185.
- Läuchli S et al. (2001) Cold agglutinin disease--the importance of cutaneous signs. Dermatology 202:356-358.
- Rottem M et al. (2006) Autoimmune hemolytic anaemia in the antiphospholipid syndrome. Lupus. 15:473-477.