Fibromatose hyaline juvenileM72.8
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Definition
Sehr seltene, kongenitale oder zwischen dem 2. Lebensmonat und dem 4. Lebensjahr sich manifestierende, wahrscheinlich autosomal-rezessiv vererbte Mutation im Anthraxtoxin Rezeptor2-Gen (auch CMG2-Gen = capillary morphogenesis factor 2 protein gene), das auf dem Chromosom 4q21.21 lokalisiert ist.
Die Erkrankung stellt sich als Systemerkrankung (Hyalinose) mit multiplen, sehr derben, fibromatösen Tumoren v.a. am Kopf, oft auch periartikulären , sowie Gingivahypertrophie und Gelenkkontrakturen dar. Vermehrte Synthese von Chondroitinsulfat durch die Fibroblasten wurde nachgewiesen.
Vorkommen/Epidemiologie
Selten; weltweit sind weniger als 150 Fälle beschrieben.
Ätiopathogenese
Mutation im ANTXR2-Gen (CMG2-Gen). Dei Funktion dieses Gens ist nicht bekannt. Kodiert wird ein Protein, das einen Intergrin-ähnlichen Rezeptor für Laminin und Kollagen IV darstellt. Dieser spielt eine wichtige Rolle in Zell-Matrix-Interaktionen.
Manifestation
Lokalisation
Klinisches Bild
Zahlreiche, teilweise ulzerierende, derbe, verschieden große, langsam wachsende Knoten v.a. am Kopf. Gingivahyperplasie. Knochen- und Gelenkdestruktion mit Osteolysen, Ausbildung schwerer Gelenkkontrakturen. Skoliose.
Histologie
Tumorparenchym besteht aus blassen Fibroblasten-ähnlichen Zellen mit granuliertem Zytoplasma in amorpher, eosinophiler, PAS-positiver, hyaliner Grundsubstanz.
Therapie
Verlauf/Prognose
Fallbericht(e)
Rahman et al. (2002) berichteten über 2 indische Familien, in denen 4 Personen an hyaliner Fibromatose litten. Die Familien waren vermutlich nicht verwandt, stammten aber aus demselben kleinen Dorf. Die Patienten stellten sich in der frühen Kindheit mit fortschreitender Entwicklung multipler subkutaner Schwellungen und Knötchen auf der Kopfhaut, im Gesicht, an den Extremitäten und am Rumpf vor. Große Knötchen an den Händen und Füßen waren über dem darunter liegenden Gelenkknorpel nicht verschieblich. Weitere Merkmale waren eine Gingivahyperplasie, und fortschreitende schwere Gelenkkontrakturen; weiterhin Osteopenie oder Osteolyse, und massige hyaline Ablagerungen in der Dermis.
El-Kamah et al. (2010) berichteten über 3 ägyptische Geschwister, die von blutsverwandten Eltern geboren wurden und an schwerer hyaliner Fibromatose im Kindesalter litten. Das erste Kind starb im Alter von 3 Tagen an Atemnot. Das zweite Kind hatte multiple knotige Hautschwellungen, schmerzhafte Gelenkkontrakturen, Gingivhyperplasie, wiederholte Pneumonien und hartnäckige Diarrhöe. Es starb im Alter von 4 Jahren an einem Herzstillstand. Das dritte Kind hatte schmerzhafte Gelenkkontrakturen und starb im Alter von 2 Jahren an Diarrhöe. Die genetische Analyse ergab eine homozygote Mutation im ANTXR2-Gen (1074delT; 608041.0008).
Denadai et al. (2012) berichteten über ein Geschwisterpaar und drei weitere nicht verwandte Patienten, alle brasilianischer Herkunft, mit hyaliner Fibromatose im Kindesalter. Die Geschwister entwickelten im Alter von 3 bzw. 8 Monaten perlige Hautpapeln im Gesicht und am Hals sowie kutane Knötchen an den Ohren, der Kopfhaut und den Fingern. Das Mädchen litt in den ersten 2 Lebensjahren unter rezidivierendem Durchfall und Gedeihstörung. Ihr Bruder entwickelte zahlreiche Hautläsionen am ganzen Körper, darunter einige, die zu Plaques im Nacken- und Gesäßbereich konfluierten; weiterhin Gingivahyperplasie und Gelenkkontrakturen, schwere Gedeihstörungen, Durchfall, Gelenkkontrakturen.
Der letzte Patient war ein 20-jähriger Mann, der aufgrund von Haltungsschäden und schweren Kontrakturen an mehreren Gelenken an den Rollstuhl gefesselt war. Bei ihm traten seit den ersten Lebensmonaten perlartige und knotige Hautläsionen, Gingivahyperplasie und Gelenkkontrakturen auf. Die Röntgenbilder der Patienten zeigten osteolytische Knochenläsionen. Die Duodenalbiopsie eines Patienten mit Durchfall zeigte Ablagerungen von hyalinisiertem Material. Die histologische Analyse der Hautläsionen zeigte eine Proliferation von Spindelzellen ohne atypische Merkmale, die Stränge in einem homogenen und hyalinen eosinophilen Material innerhalb der Dermis bildeten. Das Material war PAS-positiv und diastasebeständig. Einige der Läsionen waren ulzeriert.
Literatur
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